Thomas von Kempen
Nachfolge Christi
Thomas von Kempen

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Achtes Kapitel.

Christus opferte sich am Kreuze / opfere auch du dich!

Der Geliebte spricht.

Wie ich am Kreuze mit ausgestreckten Armen und mit entblößtem Leibe für deine Sünden Gott dem Vater freiwillig mich geopfert / wie ich ganz mich geopfert habe / so daß an mir und in mir nichts übrig blieb / was nicht ein Sühnopfer der Gerechtigkeit ward / so sollst auch du dich selbst und dich ganz mit allen deinen Kräften und Neigungen / sollst freiwillig und mit innigster Andacht täglich in der Messe dich mir opfern. Was sollte ich denn anders von dir fordern / als daß du ganz dich mir ergebest! Alles / was du mir sonst geben magst / dich ausgenommen / das ist in meinen Augen nichts; denn ich will nicht deine Gabe haben / sondern dich.

So wie du im Hinblick auf deine volle Seligkeit kein Genüge finden könntest / wenn du alle übrigen Dinge hättest und mich allein nicht hättest / so kann ich kein Wohlgefallen daran haben / wenn du mir alle übrigen Dinge gäbest und dich allein nicht mir gäbest. Opfere dich mir und gib dich ganz für Gott allein dahin / und dein Opfer wird angenehm sein. Sieh / ich habe mich ganz für dich dem Vater geopfert / ich habe meinen Leib und mein Blut zum Trank und zur Speise dahingegeben / damit wir ganz eins / ich dein und du mein werden und bleiben könnten. Willst du aber immer nur an dir hängen bleiben und nie dich selbst nach meinem Wohlgefallen opfern / so wird dein Opfer nicht vollständig / und unsere Vereinigung kann nicht innig und ganz werden. Wenn du also Gnade und Freiheit erlangen willst / so mußt du bei allem / was du äußerlich tust / eine inwendige Aufopferung deiner selbst / eine Hingabe deines ganzen Willens in die Hände Gottes vorangehen lassen. Denn deshalb findet man so wenige Menschen / welche die wahre Freiheit und das rechte Licht haben / weil es so wenige Menschen gibt / die sich ganz verleugnen und opfern. Mein Wort / das ich einst ausgesprochen habe / bleibt noch immer in seiner ganzen Kraft bestehen: Wer nicht allen Dingen absagt / der kann mein Jünger nicht sein! Wenn du also mein Jünger sein willst / so gib dich ganz mit allen deinen Neigungen mir zum Opfer hin.


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