Thomas von Kempen
Nachfolge Christi
Thomas von Kempen

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Viertes Kapitel.

Einfalt und Lauterkeit.

Zwei Flügel heben den Menschen über das Irdische: Einfalt und Lauterkeit / Einfalt in der Absicht / Lauterkeit in der Liebe. Die Einfalt sucht Gott / die Lauterkeit findet ihn. Die Einfalt zielt nach Gott / die Lauterkeit genießt ihn. Das Gute / das du nach außen hin zu tun hast / kann dich nicht um die Freiheit des Geistes bringen / wenn im Innern keine ungeordnete Neigung dich darum gebracht hat. Suchst du nichts anderes / als nur Gott zu gefallen und deinem Nächsten zu nützen / dann wirst du die rechte Freiheit des Geistes genießen können. Wäre dein Herz ohne Falsch / dann würde jedes Geschöpf ein Spiegel des Lebens und ein Buch heiliger Lehre für dich sein. Denn es ist kein Geschöpf so klein und unbedeutend / daß es nicht eine Spur von der Güte Gottes an sich trüge.

Wärest du im Innern gut und rein / dann hättest du einen hellen / ungetrübten Blick und würdest alles recht sehen und leicht verstehen. Ein reines Herz dringt durch Himmel und Hölle. Wie jeder in sich selbst beschaffen ist / so urteilt ein jeder von den Dingen außer sich. Ist irgend eine wahre Freude auf Erden / so ist sie nirgend als in einem reinen Herzen zu finden. Und gibt es Angst und Plage auf Erden / so weiß ein böses Gewissen am besten / was Angst und Plage ist. Wie Eisen im Feuer den Rost verliert und ganz glühend wird / so verliert ein Mensch / der ganz zu Gott sich bekehrt / das Erdhafte seiner Natur und wird in einen neuen Menschen umgewandelt. Wenn der Mensch anfängt / lau zu werden / so scheut er auch geringe Mühe und hat es gern / wenn ihm von den Sinnen etwas Trost gereicht wird. Aber wenn er einmal angefangen hat / sich vollkommen zu überwinden und wie ein Held auf dem Wege Gottes zu wandeln / dann ist alles ihm leicht / was er vorher noch so schwer gefunden hat.


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