Thomas von Kempen
Nachfolge Christi
Thomas von Kempen

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Neuntes Kapitel.

Gehorsam und Unterwürfigkeit.

Es ist nichts Geringes / im Gehorsam zu stehen / unter einem Oberen zu leben und nicht sein eigener Herr zu sein. Es ist auch ungleich sicherer / Untertan zu sein als Obrigkeit. Aber viele sind untertan mehr / weil sie müssen / als weil sie aus dem Trieb der Liebe her es wollen. Und diese haben Plage über Plage / und jede Kleinigkeit ist für sie groß genug / daß sie darüber murren. Du magst dahin oder dorthin laufen / du findest doch nirgends Ruhe als im demütigen Gehorsam unter der Regierung eines Oberen. Zwar denkst du oft: wenn ich an diesem oder jenem Orte lebte; Aber diese Einbildung und der Wechsel des Wohnortes haben schon viele getäuscht.

Es ist wahr / jeder lebt gern nach seinem Sinn und neigt sich denen zu / die mit ihm eines Sinnes sind. Aber wenn Gott in unserer Mitte wohnt / so werden wir / um den Frieden zu erhalten / uns oft gedrungen fühlen / unsre eigene liebste Neigung daran zu geben. Wer ist doch so weise / daß er alles weiß / und alles / wie es ist / vollständig weiß? Darum traue in keiner Sache zu viel auf deine Einsicht / sondern höre gern / was andere Leute davon denken. Ist deine Meinung gut / und du stehst doch um Gottes willen davon ab und folgst einem andern / so wirst du ungleich mehr Nutzen davon haben / als wenn du deinem eigenen Kopfe gefolgt wärest.

Es ist ein wahres Wort / und ich habe es oft sagen hören / es sei ungleich sicherer / sich raten zu lassen / als andern Rat zu geben. Es mag wohl auch dein Urteil hie und da richtig sein / aber wenn du nie nachgeben willst / auch da nicht / wo vernünftige Gründe dir zum Nachgeben raten / so ist es ein sicheres Zeichen / daß du ein eitler Tor und ein unbeugsamer Kopf bist.


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