Thomas von Kempen
Nachfolge Christi
Thomas von Kempen

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Achtzehntes Kapitel.

Trage alle Plagen der Zeit mit gleichem Mut wie Christus!

Mein Sohn / ich stieg um deines Heiles willen vom Himmel herab / kleidete mich in das Gewand des menschlichen Elends und trug alle deine Plagen / nicht weil ich mußte / sondern weil ich wollte / und ich wollte / weil ich liebte. Ein Beispiel wollte ich dir geben / wie du dich in Geduld üben und das Elend dieser Zeit mit gelassenem Mute tragen solltest. Sieh / von der Stunde meines Eintritts in diese Welt bis zum Verlassen derselben am Kreuze gab es für mich immer etwas zu leiden. Mangel an zeitlichen Gütern / öffentliches Klagen und Murren über mich / Spott und Hohngelächter war mein tägliches Brot / und ich ergab mich mit stillem Sinn in alle diese Leiden. Meine Wohltaten haben sie mir mit Undank / meine Wunderwerke mit Gotteslästerung / meine Belehrungen mit bewaffnetem Tadel vergolten.

Lieber Herr / weil dein ganzes Leben ein lauteres Bild der Geduld gewesen / und durch eben diese Geduld der Auftrag deines Vaters vollbracht worden ist / so achte ich es für billig und recht / daß auch ich / ein Sünder und als Sünder arm und elend / nach deinem Willen und nach deinem Beispiel mich in Geduld übe und die Bürde dieses zerbrechlichen Lebens zu meinem Heil still leidend solange weitertrage / bis du sie mir abnimmst. Zwar ist dieses Leben eine schwere Last / aber an dieser schweren Last hängen viele Gnaden von dir / die uns zu guten Werken fähig und großer Belohnungen würdig machen können. Und die Beispiele der Heiligen und vorzüglich deine eigenen Fußstapfen / die vor unsern Augen daliegen / machen die Last dieses Lebens bei all unserer Schwachheit uns viel erträglicher. Auch fließen jetzt in unsere Lebensbahn mancherlei Quellen des Trostes herab / die in den Zeiten des alten Bundes versiegt waren. Ach / die Pforte des Himmels war wie verriegelt / und der Weg dahin verlor sich ins Dunkel / weil so wenig Pilger die Burg des Himmels zum Ziel ihrer Reise machten. Und auch die Gerechten / die in Zuversicht auf das Heil der Welt die Augen schlossen / konnten nicht gleich in das Reich des Himmels eingehen / ehe du dein Leiden vollbracht und durch dein heiliges Sterben die Schuld des Todes ans Kreuz geheftet hattest.

O wie kann ich dir genug danken dafür / daß du mir und allen / die an dich glauben / den guten / geraden Weg in dein ewiges Reich so mild und lichthell gewiesen hast! Wahrhaftig / dein Leben ist unser Weg; und indem wir deiner Geduld mutig nachgehen / erreichen wir endlich das Ziel und kommen zu dir / du unser Heil und unsere Krone! Wärst du nicht vorausgegangen / hättest du nicht mit Wort und Tat Bahn gebrochen / wer würde es sich angelegen sein lassen / dir nachzuwallen? Wie viele würden in einer großen Entfernung vom Ziel zurückbleiben / wenn sie nicht auf dein herrliches Beispiel vorwärts blickten. Sieh / jetzt noch / nachdem wir von deinen Wunden und Lehren so zuverlässige Zeugnisse vor uns haben / jetzt noch werden wir lau und träge im Guten; was würde erst aus uns werden / wenn kein so helles Licht uns ins Auge schimmerte!


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