Thomas von Kempen
Nachfolge Christi
Thomas von Kempen

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Zehntes Kapitel.

Selig / wer das Vergängliche verschmäht und dem Unvergänglichen dient!

Nun kann ich nimmer länger schweigen / ich muß wieder einmal reden / wieder einmal vor meinem Gott und König / der da in der Höhe ist / mein ganzes Herz ausgießen. Wie groß ist doch die Fülle der Süßigkeit / die du für alle die / welche in heiliger Furcht vor dir wandeln / im Verborgenen aufgehoben hast! Was mußt du erst denen sein / die dich lieben! Was mußt du endlich denen sein / die dir von ganzem Herzen in Liebe dienen! Wahrhaftig / unaussprechliche Seligkeit genießen alle / die dich lieben / in der Anschauung deiner Liebe! O diese deine Liebe! Sie hat sich auch an mir erwiesen. Deine Liebe hat mich erschaffen / da ich nicht war / hat mich zu dir / zu deinem heiligen Dienst wieder zurückgeführt / da ich irre gegangen war / hat mir ein süßes Gebot ins Herz geschrieben / das Gebot / dich zu lieben.

O du Quelle des ewigen Lichts / was soll ich von dir sagen? Wie sollte ich deiner vergessen können / da du / der Hocherhabene / noch an mich dachtest / auch nachdem ich schon in Sünde dahingesunken und zugrunde gegangen war? Du hast deine Erbarmungen über all mein Hoffen an deinem Knecht walten lassen / hast mir ohne mein Verdienst deine Gnade und Freundschaft wiedergeschenkt. Wie kann ich doch für diese Gnade genug dir danken? Denn das ist nicht allen Menschen gegeben / daß sie allem Vergänglichen entsagen / die Welt mit ihren Lüsten verlassen und in irgend einem Kloster ein wahrhaft geistliches Leben führen können. Ist es denn etwas Großes / daß ich dir diene / nachdem jegliches Geschöpf dir dienen muß? Das soll in meinen Augen nichts Großes sein / daß ich dir diene / vielmehr soll das in meinen Augen groß und wunderbar sein / daß du so gütig warst / ein so ärmliches und unwürdiges Wesen in die Zahl deiner Diener aufzunehmen und mit deinen geliebten Knechten zu vereinigen.

Sieh / dein ist alles / was ich habe und womit ich dir diene. Doch nicht so sehr diene ich dir / du dienest mir weit mehr / als ich dir. Sieh / Himmel und Erde / die du zum Dienst des Menschen erschaffen hast / stehen bereit da und tun täglich / was du ihnen geboten hast. Und dies ist noch wenig / selbst die Engel hast du zum Dienst der Menschen bestellt. Und was dies alles weit übersteigt / du hast den Menschen so hoch erhoben / daß du selbst ihm dienen / daß du selbst dich ihm geben willst nach deiner Verheißung.

Was werde ich denn für alle diese tausend und tausend Gaben dir wiedergeben? O könnte ich alle Tage meines Lebens in deinem Dienste verbringen! Könnte ich auch nur einen einzigen Tag dir nach deiner Würde dienen! Wahrhaftig / du bist allen Dienstes / aller Ehre und des ewigen Lobes würdige Du bist wahrhaftig mein Herr / und ich bin dein dürftiger Knecht / ich sollte dir mit allen meinen Kräften dienen / sollte im Lobpreisen deines Namens nie überdrüssig werden. So wollte ich es gern / so wäre es der Wunsch meines Herzens / und was mir fehlt / das ersetze du.

Es ist eine große Ehre / ein großer Ruhm / dir zu dienen und um deinetwillen alles übrige zu verschmähen. Denn große Gnaden werden denen zuteil / die sich in freiwilliger Liebe deinem heiligen Dienst geweiht haben. Die süßesten Tröstungen des heiligen Geistes werden die genießen / welche aus Liebe zu dir alle Vergnügungen der Sinne aufgegeben haben. Große Freiheit des Herzens und weiten Raum in sich werden die genießen / welche um deines Namens willen die schmale Bahn des Lebens der breiten vorgezogen und die kleinlichen Angelegenheiten der Welt großmütig verachtet haben.

Es gibt also eine edle Knechtschaft / die den Menschen wahrhaft frei und heilig macht. Gott dienen / o du liebliche / selige Knechtschaft! O ein heiliger Stand / in dem die edlen Knechte Gottes sich befinden! Ein Stand / der den Menschen Gott wohlgefällig / den Engeln gleich / der Hölle fürchterlich / allen Guten ehrwürdig macht! Wahrhaftig  / ein Gottesdienst / der uns stets wünschend wert / allezeit willkommen sein soll: Er macht uns würdig / das höchste Gut zu erlangen / er verschafft uns eine Freude / die kein Ende hat.


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