Thomas von Kempen
Nachfolge Christi
Thomas von Kempen

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Viertes Kapitel.

Die andächtige Kommunion bringt viel Gutes. Der Jünger Jesu spricht.

Mein Gott und Herr / laß deinen Diener im voraus die Segnungen deiner Liebe erfahren / damit ich zu deinem heiligen Sakramente würdig und andächtig hinzutreten kann. Erwecke du mein Herz zu dir und mache es los von seiner Trägheit und Kälte. Laß mich deine heimsuchende und heilbringende Gnade erfahren / damit mein Geist schmecken könne deine unbegreifliche Süßigkeit / die in diesem Sakramente wie in einem Brunnquell in ihrer ganzen Fülle verborgen liegt. Erleuchte meine Augen / damit ich dies große Geheimnis schauen kann; stärke meinen Glaubenssinn  / damit ihn kein Zweifel erschüttern kann. Denn es ist nicht Menschenwerk / sondern Gottes Werk / nicht Menschenerfindung / sondern deine heilige Einsetzung. Aus sich selbst ist kein Mensch imstande / dies Geheimnis der Liebe zu fassen und zu begreifen / weil es auch über den Verstand der Engel erhaben ist. Wie werde also ich / ein Sünder ohne Verdienst / ich / Staub und Asche / dies dein heiliges / hohes Geheimnis erforschen und begreifen können?

In Einfalt des Herzens / in festem Glauben / auf deinen Befehl hin und mit Zuversicht und Ehrfurcht trete ich zu dir und glaube / daß du hier im Sakramente zugegen bist als Gott und Mensch. Es ist dein Wille / daß ich dich empfangen und eins mit dir in Liebe werden soll. Deshalb flehe ich zu deiner Güte um die besondere Gnade / daß ich ganz von dir durchdrungen und in Liebe zu dir verwandelt werden und keinen fremden Trost mehr verlangen möge. Denn dieses dein Sakrament / das höchste und würdigste unter allen / ist eine heilwirkende Arznei für die Gebrechen der Seele und des Leibes / stärkt in aller Ohnmacht zum Guten / salbt uns mit himmlischer Kraft / den Schaden der Sünde zu heilen / die Leidenschaft zu bändigen / die Versuchungen zu besiegen und ihre Anfälle zu mindern / gießt neue / größere Gnade ins Herz / rüstet zu mutigerem Tugendkampfe / befestigt den Glauben / stählt die Hoffnung / entzündet und erweitert die heilige Liebe.

Viele große Gnade hast du deinen Geliebten / die mit Andacht dieses Sakrament empfangen haben / schon mitgeteilt und teilest ihnen immer neue Gnaden mit / du mein Gott / der auch meine Seele aufnimmt / auch meine Schwachheit stützt / auch mich mit innerm Trost erquickt. Du erhebst deine Freunde aus dem tiefen Gefühl ihres Unvermögens empor zur seligen Hoffnung auf deinen Schutz / du bewaffnest sie mit Trost und Mut für die Tage der Leiden / du erheiterst und erfreust sie mit einem neuen Gnadenstrahle; so daß die nämlichen Menschen / die vor der Kommunion nichts als Angst / Dürre und Ohnmacht in sich fanden / nach der Kommunion / gestärkt von der Speise und dem Trank des Himmels / besser und neugeschaffen zu allem Guten sich fühlen. Und diese liebevolle Führung deiner Auserwählten hat wohl keinen andern Zweck / als sie auf dem Wege eigener Erfahrung zur wahren Erkenntnis zu bringen / wieviel Schwäche und Armut sie in sich selber haben und was für Stärke und welchen Reichtum sie von dir / von deiner Güte empfangen. Sich selbst überlassen / sind sie kalt / hart und ohne alles Andachtsgefühl; durch dich werden sie voll Feuer und weich und munter zur Andacht. Wer sollte auch zur Quelle alles Trostes und aller Süßigkeit in Demut hinzutreten können / ohne ein wenig Trost und Süßigkeit mit sich zurückzubringend? Wer sollte vor einem hellflammenden Glutofen stehen können / ohne ein wenig Wärme und Leben in seinen Gliedern zu fühlen? Und der Brunnquell alles Trostes / aller Seligkeit / ewig voll und ewig überfließend / bist du / mein Gott. Und das Feuer / ewig brennend und nie verbrennend / bist du / mein Gott.

Wenn ich also letzt noch nicht aus der ganzen Fülle des Quells selbst schöpfen und satt mich trinken kann / so werde ich doch an dem kleinen Rohr / durch das der himmlische Trank mir zufließt / den Mund ansetzen und etliche Tropfen trinken dürfen / damit mein Durst ein wenig gestillt werde / und ich auf dem Weg zur Quelle selbst nicht ganz verschmachte. Und wenn ich noch nicht ganz himmlisch gesinnt / nicht ganz von Liebe durchglüht sein kann wie die Cherubim und Seraphim / so will ich doch mein Herz mit anhaltendem Fleiß in Andacht üben und vorbereiten / daß ich durch demütigen Genuß dieses belebenden Sakraments mir einige Funken aus dem göttlichen Flammenmeere holen kann. Was aber mir mangeln oder in mir zerrüttet sein mag / das wirst du / guter Jesus / heiliger Erlöser / um deiner Liebe und Erbarmung willen in mir ergänzen und neuschaffen / nachdem du einmal alle zu dir berufen hast mit dem teuren Worte: Kommet zu mir alle / die ihr mühselig und beladen seid / und ich will euch erquicken! Ja wahrhaftig / ich bin mühselig genug / arbeite im Schweiße meines Angesichts / werde von Herzensangst und Kümmernis hart bedrückt / mit Sünden schwer beladen / von Versuchungen hin und her getrieben / von vielen bösen Neigungen umstrickt und niedergezogen / und habe in all dieser Bedrängnis niemand / der mich erlöse und selig mache / als dich allein / du mein Herr und Gott / mein Erretter! Dir allein übergebe ich mich ganz und all das Meine / damit du mich behütest und hinführest zum ewigen Leben. Nimm mich auf zur Verherrlichung deines Namens / nachdem du deinen Leib und dein Blut mir zur Speise und zum Trank bereitet hast / und laß / o du mein Gott und mein Heil / laß dieses mein Herz nach jeder Kommunion immer noch mehr Andacht empfinden.


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