Thomas von Kempen
Nachfolge Christi
Thomas von Kempen

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Achtes Kapitel.

Sei gering in deinen Augen und vor deinem Gott!

Ich will doch wieder einmal den Mund auftun vor meinem Herrn / obgleich ich Staub und Asche bin. Hielte ich mich für mehr als Staub und Asche / sieh / Herr / du stündest auf wider mich / und meine Sünden bezeugten die Wahrheit / und ich könnte diesem Zeugnis nicht widersprechen. Sobald ich aber mich gering achte vor mir selbst und wie nichts vor dir / o Gott / sobald ich alle eitle Überschätzung meiner selbst ans Kreuz schlage und mich zu Staub erniedrige / wie ich auch Staub bin / dann eilt mir deine Gnade mit ihrem holden Blick entgegen / und dein Licht naht sich meinem Herzen. Und wenn ich mich in diesem neuen Licht betrachte / o dann ist alle eitle Wertschätzung meiner selbst / sie sei noch so geheim und leise / in dem Tal meines Nichts verschlungen und für alle Ewigkeit dahin. In diesem deinem Licht zeigst du mich mir / was ich bin und was ich war / woher ich kam und wohin ich irrte. Da zeigst du es mir recht hell / daß ich nichts bin und nichts weiß. Werde ich mir selbst überlassen / so bin ich nichts / nichts als Schwäche und Gebrechlichkeit. Aber wenn du mich wieder anblickst / so strömt mit deinem Blick neue Kraft in meine Seele / neue Freude in mein Herz. Wahrhaftig / ein großes Wunder / so schnell hebst du mich zu dir empor / so zärtlich umarmst du wieder mich / den seine eigene Schwere stets unter ihn und in die Tiefe abwärts zieht!

Das ist das Werk deiner Liebe / die ohne mein Verdienst meinen Bedürfnissen zuvorkommt / die in mancherlei Nöten mich unterstützt / die vor drohenden Gefahren mich bewahrt und / um die ganze Wahrheit zu sagen / von unzähligem Jammer mich erlöst. Denn dadurch / daß ich töricht mich liebte / habe ich mich selbst verloren / da ich aber dich allein suchte und dich allein um deinetwillen liebte / sieh / da hab ich dich und mich miteinander gefunden und mich aus Liebe zu dir noch tiefer in mein Nichts versenkt. Denn du / die Liebe selbst / süßer als jede andere Süßigkeit / handelst mit mir weit über all mein Verdienst hinaus und gibst mir weit mehr / als ich nicht einmal zu hoffen oder zu bitten mir getraute.

Gelobt / gelobt seist du / mein Gott! Denn obgleich ich alles Guten unwert bin / so kann doch deine unbegrenzte Güte / welche die Majestät deines Wesens ausmacht / nimmer aufhören / wohlzutun auch den Undankbaren / auch denen / die von dir sich weit entfernt haben. O bekehre du uns alle zu dir / damit wir alle dankbar / demütig und andächtig werden; denn du bist unser Heil / du unsre Kraft und unsre Stärke!


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