Thomas von Kempen
Nachfolge Christi
Thomas von Kempen

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Fünfunddreißigstes Kapitel.

In diesem Leben sind wir vor Versuchung nie sicher.

Mein Sohn / in diesem Leben bist du vor Angriff nie sicher. Solange du lebst / hast du Wehr und Waffen nötig / womit dein Geist gegen die Sünde sich wehren und schützen kann. Du wohnst unter Feinden / von links und rechts stürmen Versuchungen auf dich los. Wenn du also nicht überall mit dem Schilde der Geduld dich zu decken weißt / so wirst du nicht lang ohne Wunden durchkommen. Und wenn du überdies dein Herz nicht so gestellt hast / daß es fest ruht in mir allein / wenn dein Wille nicht bereit ist / alles Widrige um meinetwillen geduldig zu leiden / so wirst du die Hitze des Kampfes nicht aushalten und die Siegespalme der Seligen nicht erreichen können. Also / hindurchgedrungen muß sein durch alle Leiden / mit tapferer Hand hindurchgestritten durch alles / was dir sich widersetzt. Denn nur dem Überwinder wird das Brot des Himmels dargereicht / und dem Trägen / der keine Hand zum Streit ausstrecken mag / bleibt nichts übrig als Jammer und Not. Wenn du schon in diesem Leben Ruhe haben willst / wie wirst du in dem kommenden zur ewigen Ruhe gelangen können? Versprich dir hier in diesem Lande nicht viel Ruhe / sondern mache vielmehr auf große Geduld dich gefaßt. Suche immer den wahren Frieden / aber nicht auf Erden / sondern im Himmel / nicht bei Menschen oder andern Geschöpfen / sondern bei Gott allein. Aus Liebe zu Gott sollst du alles Unangenehme gern leiden / was immer es sei / peinliche Arbeit / Schmerz / Versuchung / Not / Drangsal / Beängstigung / Armut / Schwachheit / Unrecht / Widerspruch / Tadel / Erniedrigung / Hohn / Zurechtweisung und Verachtung. Das alles treibt zur Tugend / das bewährt den neuen Jünger in der Kampfschule Christi / das macht für ihn die Ehrenkrone im Himmel fertig. Ich werde dir die kurze Arbeit mit ewiger Belohnung und die vorübergehende Schmach mit endloser Herrlichkeit vergelten. Glaubst du etwa / daß die himmlischen Tröstungen dir schon jetzt zu Gebote stehen sollen / daß du davon kosten könntest / so oft du nur wolltest? Oh / selbst meine Heiligen hatten nicht lauter Stunden des Trostes / sondern viele Drangsale / mancherlei Versuchungen und große Anfälle von Trostlosigkeit auszustehen. Aber sie ließen sich in all diesen Leiden nicht zu Boden werfen / standen aufrecht und geduldig da / vertrauten mehr auf Gott als auf sich, indem sie die Verheißung im Herzen trugen, daß die Leiden dieser Zeit nicht werden in Vergleich kommen können mit der Herrlichkeit, womit die Ewigkeit sie belohnen wird. Willst du das sogleich und ohne Kampf haben, was so viele andere durch heiße Tränen und schmerzhafte Mühen kaum erringen konnten? Harre auf den Herrn, sei Mann in allem, was du tust, sei tapfer, fasse neuen Mut, weiche nicht von der Stelle, steh fest und gib Leib und Seele daran zur Ehre Gottes. Denn sieh, ich werde es dir in vollem Maß vergelten und ich bin bei dir in aller Trübsal.


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