Thomas von Kempen
Nachfolge Christi
Thomas von Kempen

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Neuntes Kapitel.

Daß wir uns und alles / was unser ist / Gott opfern und für alle beten sollen.

Der Jünger Jesu spricht.

Herr / dein ist alles im Himmel und auf Erden. Darum möchte ich selbst als ein freiwilliges Opfer dir mich hingeben und aus freier Wahl ewig dein sein und bleiben. So bringe ich denn in Einfalt meines Herzens mich selbst und mich ganz dir zum Opfer dar und weihe mich heute deinem Dienst und der Lobpreisung deines Namens auf ewig. Nimm also mich auf mit dem heiligen Opfer deines Leibes / das ich dir heut in Gegenwart der Engel / dieser unsichtbaren Zeugen und Mitanbetenden / darbringe / damit es mir und deinem ganzen Volke zum Segen werde.

Ich lege alle meine Sünden und Laster / die ich von der ersten Stunde des erwachenden Gewissens bis auf diesen Augenblick vor deinem Angesicht und vor deinen heiligen Engeln begangen habe / auf deinen Sühnealtar; damit du sie mit dem Feuer deiner Liebe verbrennen / alle Makel / die sie in mir zurückgelassen haben / austilgen / mein Gewissen von aller Schuld reinigen / mir die Gnade / die ich durch die Sünde verloren habe / wiederschenken und das Siegel der vollkommenen Verzeihung / den Friedenskuß / mir geben mögest.

Was kann ich für alle meine Sünden tun / als sie mit demütigem Herzen und tränendem Auge bekennen und deine Gnade ohne Unterlaß anflehen? So flehe ich denn zu dir / o mein Gott! So erhöre mich denn und laß mich Gnade finden / der ich vor dir dastehe und weinen Alle meine Sünden sind jetzt ein Greuel in meinen Augen / ich will sie nicht mehr begehen / immer will ich mit Reue und Schmerzen an sie denken / will den Sinn der Reue nimmer aus meiner Seele kommen lassen / will Buße tun / solange ich lebe / will deiner Gerechtigkeit in allem Genüge tun / so gut ich es vermag.

Verzeih / o mein Gott / verzeih mir alle meine Sünden um deines so heiligen Namens willen. Mache selig die unsterbliche Seele / die du mit deinem kostbaren Blut erlöst hast. Sieh / deinen Erbarmungen übergebe ich mich ganz / in deine Hand lege ich mich und alle meine Hoffnungen nieder. Handle mit mir nicht nach meinem bösen  / ungerechten Sinn / sondern nach deinem guten / liebenden Herzen.

Jetzt lege ich all mein Gutes / so wenig und unvollkommen immer es sein mag / als Opfergabe auf deinen Altar; damit du es verbessern und heiligen / damit du es dir gefällig und angenehm machen / damit du alles Mangelhafte mir zum Guten lenken und mich / den trägen / unnützen Knecht / immer vorwärts zum Ende des Wegs / zur Seligkeit treiben und hinführen mögest. Ich lege auf deinen Altar nieder auch alle heiligen Wünsche aller Andächtigen und die geheimen Anliegen meiner Eltern und Freunde / Brüder und Schwestern und aller meiner Lieben / die mir oder andern aus Liebe zu dir wohlgetan haben / die sich und die Ihrigen in mein Gebet und Opfer empfohlen haben / sie mögen noch mit uns auf Erden das Pilgerkleid tragen oder schon heimgegangen sein; ich bitte für sie alle / daß sie deine helfende Gnade und deine tröstende Hilfe / Schutz vor Gefahren und Befreiung von Strafen erfahren und / von allem Übel erlöst / dir in heiliger Feier Dank- und Jubellieder singen mögen.

Endlich opfere ich dir auch meine Gebete und Sühnopfer besonders für die / welche mich beleidigt / betrübt / gelästert / geschädigt und gekränkt haben; und für die / welche ich betrübt / gekränkt / geschädigt und mit Worten oder Taten / mit oder ohne Wissen geärgert habe; verzeih uns allen miteinander / alle Sünden und alle Beleidigungen / mit denen wir einander betrübt haben. Nimm von unsern Herzen hinweg alles / was Argwohn / Zorn / Verbitterung / Zank heißt und das zarte Band brüderlicher Liebe auflösen und schwächen kann. Erbarme / erbarme dich / o Herr / aller / die deine Erbarmungen anflehen / gib Gnade allen / die deiner Gnade bedürfen / und bilde aus uns solche Menschen / die tüchtig und wert sind / deine Gnade zu genießen / und würdig werden / das ewige Leben zu erwerben!


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