Thomas von Kempen
Nachfolge Christi
Thomas von Kempen

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Zweites Kapitel.

Gottes Güte und Liebe offenbart sich in diesem Sakramente.

Der Jünger Jesu spricht.

Im Vertrauen auf deine Liebe und Barmherzigkeit / die so groß ist wie du / o mein Gott und Herr / gehe ich hin zu dir / ein Kranker zu seinem Heilande / ein Durstiger zur Quelle des Lebens / ein Dürftiger zum Könige des Himmels / ein Knecht zu seinem Herrn / ein Geschöpf zu seinem Schöpfer / ein Trostloser zu seinem freundlichen Tröster. Aber woher wird mir das / daß du zu mir kommst? Was bin ich / daß du dich selbst mir hingibst? Ich / ein Sünder / wie darf ich es wagen / vor dir zu erscheinen? Und du / der Heilige / wie kannst du so gütig sein / zu einem Sünder zu kommen? Du kennst doch deinen Knecht und weißt wohl am besten / daß er nichts Gutes in sich hat / das einer solchen Gabe ihn würdig machte. Wahrhaftig / ich gestehe meine Nichtswürdigkeit / ich erkenne deine Güte / ich preise deine Vaterhuld / ich danke deiner Liebe / die keine Grenze hat. Denn das / was du hierin und in allem zu meinem Besten tust / das tust du nicht um meiner Verdienste / sondern nur um deiner Liebe wegen / das tust du nur / um deine Gnade noch herrlicher an mir zu beweisen und mir selbst noch mehr Liebe und Demut ins Herz zu legen. Weil die dies nun wohlgefällig / weil es sogar deinem Gebot gemäß ist / so kann ich nicht anders; was du gebietest / muß auch mir gefallen / und vor allem deine Herablassung. Und daß mir nur meine Sünde nicht in den Weg träte!

O du / die Liebe und Lieblichkeit selbst! Welche Verehrung / welchen Dank und welche Lobpreisung bin ich dir nicht schuldig dafür / daß du mich mit deinem heiligsten Leibe speisest? Es ist doch kein Menschenverstand fähig / die unbegreifliche Würde dieser deiner Liebe zu begreifen! Was werde ich aber bei dieser Kommunion / beim Hingehen zu meinem Herrn / den ich nicht nach Würde verehren kann und doch mit voller Andacht empfangen möchte / Besseres und Nützlicheres tun können / als ganz vor dir mich zu erniedrigen und deine grenzenlose Liebe in stillem Lobpreisen zu erhöhen? Das will ich tun / mein Gott! Wie nichtig fühle ich mich vor dir und werfe mich im Abgrund meines Nichts hin vor dir und lobe dich und will dich ewig loben / ewig deinen Namen über alle Namen erhöhen.

Du bist der Heiligste unter den Heiligen / und ich bin der Unreinste unter den Unreinen. Du neigst dich zu mir / und ich bin nicht wert / zu dir aufzuschauen. Du kommst zu mir / du willst bei mir sein / du ladest mich selbst zu deinem Gastmahl ein. Du willst die Speise des Himmels / das Brot der Engel zu essen geben / kein anderes Brot als dich selbst / das lebendige Himmelsbrot / das vom Himmel herabgekommen ist und der Welt das Leben gibt.

O Übermaß der Liebe / wie groß und herrlich erscheinst du in deinem Lichte Wie werde ich genug dir dafür danken / genug dich lobpreisen könnend Wie hast du mir doch nichts als lauter Heil und Segen zugedacht / da du dieses Gastmahl einsetztest! Wie lieblich und süß ist das Mahl der Liebe / in dem du dich selbst zur Speise gibst! Wie wundervoll ist dein Werk / wie allvermögend deine Macht / wie unaussprechlich die Wahrheit deines Wortes! Denn du sprachst / und es ward alles / was du werden hießest; du sprachst / und es ward auch dieses / wie du es werden hießest.

Wahrhaftig / wundervoll und bei aller Unbegreiflichkeit für den menschlichen Verstand glaubwürdig ist es / daß du / mein Herr und Gott / unter den geringen Gestalten des Brotes und Weines zugegen bist und / indem der Mensch dich genießt / unverzehrt bleibst / ewig unser Gott und Herr! Du / dem alles zu Gebote steht / der keines Dinges bedarf / du wolltest durch dies dein Sakrament in uns wohnen. Bewahre du mir Leib und Seele unbefleckt / damit ich mit frohem und reinem Gewissen öfters deine Geheimnisse würdig feiern und / was du zu deiner Ehre und zum immerwährenden Denkmal deiner Liebe gestiftet hast / zu meinem ewigen Heil empfangen kann.

So freue dich denn / meine Seele / und danke dem Herrn für diese so edle Gabe und für den erquickenden Trost / den er uns in diesem Tal der Tränen zurückgelassen hat. Denn so oft du dieses Geheimnis dankbar erwägst und den Leib Christi genießest / so oft wirst du aller Verdienste Christi teilhaftig / so oft wird das Werk der Erlösung wie von neuem in dir vollbracht. Denn die Liebe Christi ist ein unerschöpfliches Gut / und seine Sühne ist so unerschöpflich wie seine Liebe. Deshalb mußt du jedesmal mit erneuertem Sinn und Herzen dich vorbereiten und das große Geheimnis des Heils aufmerksam betrachten. Und wenn du Messe liesest oder hörst / so soll dir diese Handlung so wichtig / so neu und erfreuend sein / als wenn zu dieser selben Stunde Christus erst im Leib der heiligen Jungfrau menschliche Gestalt annähme oder / am Kreuze hängend / für das Heil der Menschen litte und stürbe.


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