Thomas von Kempen
Nachfolge Christi
Thomas von Kempen

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Drittes Kapitel.

Es ist nützlich / oft zum Tisch des Herrn zu gehen. Der Jünger Jesu spricht.

So komme ich denn zu dir / mein Herr / damit mir wohl werde an deinem Gnadentische / damit ich Labung finde bei deinem heiligen Mahle / das du aus überfließender Liebe für uns Arme zubereitet hast. Alles / was ich verlangen kann und suchen soll / alles finde ich in dir. Du bist mein Heil und meine Erlösung / meine Hoffnung und meine Stärke / mein Ruhm und meine Herrlichkeit. So erquicke denn heut die schmachtende Seele deines Dieners; denn zu dir / o mein Herr und Heiland / Jesus Christus / zu dir erhebt meine Seele sich mit voller Zuversicht. Mit Andacht und Ehrfurcht möcht ich dich jetzt empfangen und in meine Herberge einführen / möchte wie Zachäus von dir gesegnet und den Söhnen Abrahams beigezählt werden. Meine Seele sehnt sich nach deinem heiligen Leibe / mein Herz brennt im heiligen Verlangen / mit dir vereinigt zu werden.

Gib dich mir / und du hast mir genug gegeben / denn außer dir tröstet doch kein Trost. Ohne dich kann ich nimmer sein / nimmer leben ohne deine Heimsuchung. Deshalb muß ich oft zu dir hingehen / dich / das Heil meiner Seele / oft empfangen / damit ich auf meiner Pilgerreise nicht etwa unterliege / wenn nicht das Brot des Himmels immer neue Stärkung mir verschafft. Denn es ging einst / als du voll Erbarmung und Milde den Völkern predigtest und ihre mancherlei Gebrechen heiltest / ein Wort aus deinem Munde: Ich kann sie nicht hungrig nach Hause gehen lassen / denn sie müßten auf dem Wege erliegen! So mache es denn auch mit mir / denn du bist uns zum Trost aller / die an dich glauben / und zur himmlischen Speise in dem heiligen Sakrament hinterlassen. Du bist die süßeste Labung der Seele; und wer jetzt würdig dich empfängt / wird einst das Erbgut der ewigen Herrlichkeit empfangen. Und weil ich so oft falle und sündige / weil ich so bald wieder träg und matt werde / so bedarf ich gar sehr dessen / daß ich durch öfteres Gebet / durch öfteres Bekenntnis meiner Sünden / durch öftern Empfang des heiligen Leibes gereinigt / erneuert und zum Guten neu entflammt werde. Ohne dieses Stärkungsmittel im Guten würde mein feurigster Vorsatz wieder zu Wasser werden.

Denn der Sinn des Menschen ist von seiner Jugend auf zum Bösen geneigt / und wenn die göttliche Arznei ihm nicht zu Hilfe kommt / so fällt er gar bald von Sünde zu Sünde immer tiefer in den Abgrund. Die heilige Kommunion zieht ihn also vom Bösen zurück und belebt ihn zum Guten. Denn wenn ich jetzt bei öfterem Empfang dieses Sakramentes dennoch so nachlässig und lau werde / was würde aus mir / wenn ich diese Arznei uneingenommen / dieses mächtige Hilfsmittel ungebraucht ließe? Und obgleich ich nicht jeden Tag fähig und zur Feier deines Todes genug vorbereitet bin / so will ich dennoch allen Fleiß darauf verwenden / daß ich an gewissen Tagen die göttlichen Geheimnisse empfangen und an dieser so großen Gnade teilnehmen kann. Denn für eine gläubige Seele / die noch in ihrer sterblichen Hülle fern von dir pilgert / ist dies eine der vornehmsten Tröstungen / daß sie / ihres Gottes eingedenk / ihren Geliebten mit glühender Andacht öfters in ihre Herberge aufnehmen kann.

O wie ist doch deine wundervolle Liebe gegen uns so mild und herablassend / daß du / unser Herr und Gott / du / der Schöpfer und die Lebensquelle aller Geister / eine ärmliche Seele heimsuchst / um ihren Hunger mit der ganzen Fülle deiner Gottheit und Menschheit zu sättigen! O selig / selig die Menschenseele / die dich / ihren Gott und Herrn / mit würdiger Andacht empfangen und dadurch mit Geistesfreude erfüllt werden kann! O wie groß ist der Herr / den sie empfängt / wie lieb der Gast / den sie beherbergt / wie freundlich der Gesellschafter  / den sie aufnimmt / wie treu der Freund / den sie bewillkommt / wie schön und edel und über alle lieben Freunde liebenswert und über alles / was man wünschen kann / wünschenswert ist der Bräutigam / den sie umarmt! Himmel und Erde und alle Schönheit des Himmels und der Erde schwinden da vor deinem Angesicht / o du mein Geliebter voll Liebe und Lieblichkeit! Denn alles / was Himmel und Erde Schönes und Großes haben / das haben sie aus deiner freigebigen Hand; alle ihre Gaben können nicht erreichen die Herrlichkeit des Gebers. Sein Name ist so groß wie er / und unermeßlich seine Weisheit.


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