Thomas von Kempen
Nachfolge Christi
Thomas von Kempen

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Achtunddreißigstes Kapitel.

Von der Freiheit und Herrschaft der Kinder Gottes.

Mein Sohn / danach mußt du mit allem Fleiß trachten / daß du überall und in allem / was du tust / in jedem äußern Werke / bei dir im Innersten zu Hause seist / frei und deiner mächtig; daß alle Dinge unter dir seien / und nicht du unter ihnen; daß du der Herr und Regent deiner Handlungen seist / und nicht Knecht und gekaufter Sklave derselben; daß du ein rechter Hebräer werdest / das heißt / aus dem Land der Sklaverei schreitest in das Land der Freiheit / das die Kinder Gottes besitzen. Sie / die Kinder Gottes / stehen auf der Gegenwart als ihrem Fußschemel und schauen in die Ewigkeit hinüber; blicken auf das Vergängliche nur von der Seite / mit dem linken Auge / und sehen mit dem rechten auf das Himmlische; lassen das Zeitliche nicht über ihre Neigungen herrschen / daß sie ihm dienten / sondern beherrschen vielmehr das Zeitliche / daß es ihnen diene zu dem Ende / wozu es Gott / der höchste Werkmeister / der in seinen Werken nichts ungeordnet ließ / bestimmt und angeordnet hat.

Wenn du bei dem / was um dich her geschieht / nicht bei dem äußeren Schein bestehen bleibst und das / was du siehst und hörst / nicht nach den fünf Sinnen richtest / sondern bei jedem Vorfall sogleich mit Moses in die Stiftshütte hineingehst und den Herrn um Rat fragst / so wirst du manchmal eine göttliche Antwort hören und / über Gegenwart und Zukunft wohl belehrt / wieder herausgehen können. Denn Moses hatte mit allem / was ihm dunkel und zweifelhaft war / einen freien Zutritt zur Stiftshütte und nahm in allen Gefahren und in aller Bedrängnis durch gottlose Menschen seine Zuflucht zum Gebet. So mußt denn auch du in die geheimste Kammer deines Herzens gehen und darin mit gesammelter Kraft um Gottes Rat und Hilfe flehen. Denn deswegen konnten Josua und die Kinder Israels von den Gabaonitern betrogen werden / weil sie den Mund des Herrn nicht zuvor um Rat gefragt hatten und / zu leichtgläubig / von den süßen Worten sich betören und durch die scheinbare Rechtschaffenheit sich blenden ließen.


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