Thomas von Kempen
Nachfolge Christi
Thomas von Kempen

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Neunundfünfzigstes Kapitel.

Gott allein ist meine Hoffnung und Zuversicht.

Herr / es sind so viele Dinge unter der Sonne; wie heißt doch das Ding / auf das ich mich in allen Vorfällen meines Lebens verlassen und das mich wahrhaft trösten kann? Bist nicht du / mein Herr und mein Gott / dessen Erbarmungen ohne Zahl und ohne Grenze sind / mein ganzes Vertrauen und mein einziger Trost? Wo war mir doch wohl ohne dich? Oder wie hätte mir übel sein können bei dir? Lieber will ich arm sein um deinetwillen / als reich ohne dich. Lieber will ich mit dir auf Erden Pilger sein / als ohne dich Bürger des Himmels. Wo du bist / da ist der Himmel / wo du nicht bist / da ist Tod und Hölle. Du bist das Verlangen meiner Seele / darum schreit / weint / seufzt sie nach dir und kann nicht anders / muß nach dir schreien / weinen / seufzen. Mein volles Vertrauen kann ich auf niemand setzen als auf dich allein / denn wer hülfe mir in allen meinen Nöten und so zur rechten Stunde wie du? Du bist meine Hoffnung / du mein Vertrauen / du mein Tröster / du mein treuester Freund in Not und Tod.

Alle anderen suchen / was ihrer ist; du suchst nur mein Heil / nur meinen Fortschritt im Guten und lenkst alles mir zum Besten. Und wenn du mich noch so vielen Versuchungen und Trübsalen hingibst / so leitest du mir auch alle diese Versuchungen und Trübsale zu meinem Besten. Denn es ist schon so deine Weise: Tausend und wieder tausend Prüfungen müssen deine Geliebten über sich ergehen lassen. Und wenn du wirklich solche Prüfungen über mich kommen lässest / so bist du ebenso aller Liebe würdig und aller Lobpreisung wert / als wenn du mich mit himmlischen Tröstungen überfülltest.

Also auf dich allein setze ich meine ganze Hoffnung / du bist meine einzige Zuflucht / dir stelle ich all meine Angst und Beklemmung anheim / weil ich alles / was ich außer dir sehe / schwach und unstet finde. Ja wahrhaftig / schwach und unstet; denn alle meine Freunde / soviel ihrer sind / können mir nichts nutzen / alle starken Helfer mir nicht helfen / alle klugen Räte mir nichts Kluges raten / alle Bücher der Gelehrten mich nicht trösten / alle kostbaren Schätze der Erde mich nicht retten / alle geheimen Zufluchtsplätze mich nicht schützen / wenn du mir nicht beistehst / du mir nicht hilfst / du mich nicht stärkst / du nicht tröstest / du nicht belehrst / du nicht schützest.

Alles / was Frieden und Seligkeit verheißt / ist ohne dich nichts und hilft ohne dich zur Seligkeit und Wahrheit nichts. Du bist also die Vollendung alles Guten / du die Urquelle alles Lebens / du der Abgrund aller Freude / an dem alle Lobgesänge sich erschöpfen. Auf dich hoffen / und mehr als auf alles andere / auf dich allein hoffen / das macht den Trost und die ganze Stärke deiner Knechte aus. Zu dir / mein Gott / schauen meine Augen auf / du bist meine Zuversicht! Vater aller Erbarmungen / segne meine Seele / heilige sie durch deine himmlischen Segnungen; damit sie eine heilige Wohnung für dich werde / ein Sitz deiner ewigen Herrlichkeit / ein Tempel deiner Majestät / darin dein Auge nichts Unreines erblicke. Nach der Größe deiner Güte / nach der Fülle deiner Erbarmungen sieh herab auf mich und erhöre das Flehen deines Dieners / der da schmachtet in dem Schattenlande des Todes / fern von dir. Schütze und erhalte die Seele deines Dieners in so vielen Gefahren dieses gebrechlichen Lebens und geleite mich durch deine mitwaltende Gnade auf dem Wege des Friedens in das Vaterland der ewigen Klarheit. Amen.


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