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Gellert vor Friedrich dem Großen.

Ueber den in allen Herzen von Jugend auf lebenden Fabeldichter, dessen Name und dessen Leben fast jedem edeln Gemüthe bekannt und lieb geworden, bemerken wir nur, daß seine mit König Friedrich gehabte Unterredung den 18. Dec. 1760 im Apel'schen, jetzt sogenannten Königshause am Markte zu Leipzig stattgefunden, ohne indeß weitere Erfolge für den Dichter zu hinterlassen.

(1760)

December war's und windstill, auch rings im Kriegsrevier,
Denn Preußens König Friedrich zog sich in's Hauptquartier:
Da saß am Pulte Gellert im Stübchen eng und schlicht,
Im »schwarzen Bret« zu Leipzig und schrieb ein fromm Gedicht.

Im Schlafrock, um die Schläfe die weißbaumwollne Mütze,
Dient seinem kranken Haupte die hagre Hand als Stütze;
Er dankte dem Allmächt'gen, daß vor dem Frost zu wahren
Heut als Geschenk ein Bauer Brennholz ihm zugefahren.

» Gott! Deine Güte reicht so weit,
So weit die Wolken gehen!« –

Er schreibt's, indeß im Auge die hellen Thränen stehen.
Da klopft's, und Säbelklirren dringt an des Dichters Ohr.
»Herein!« – und eintritt hastig ein preußischer Major:

»Mein Auftrag, Herr Professor, kommt von der Majestät,
Euch sprechen will der König, just wie ihr geht und steht.«

Erschrocken schweigt erst Gellert, dann spricht er langsam hohl:
»Mit einem Kranken reden, paßt das für Friedrich wohl?
Und daß ich leide, seht ihr; hätt' ich auch dessen hehl!«

» »Der König will's«« –
»Wohlan denn, sein Will' ist mir Befehl.
Nur bitt' ich zu gestatten, daß ich mich festlich kleide,
Euch drum in einem Stündchen nochmals hieher bescheide.« –

Kaum schwand die Frist, so kehrte der Krieger in's Gemach,
Im schwarzen Festtagskleide folgt ihm der Dichter nach.
– In Apels Haus am Markte, da klirren Sporn und Degen,
Stabsofficier' im Schnurbart auf Treppen allerwegen;
Es hält im ersten Stocke der König sein Quartier,
Des deutschen Fabelschreibers harrt er zur Stunde hier.

Still durch die Reihen schreitet der frommbescheidne Mann,
Ihm rasch den Weg zu bahnen geht der Major voran.
Am Königszimmer sind sie – die Thüren öffnen sich:
Im Stolz der innern Größe steht König Friederich.

Und Gellert grüßt den Mächt'gen, der ihm entgegen geht:
»Ist er Professor Gellert?« –
»»Ja, Eure Majestät!«« –

König.

Der englische Gesandte lobt' ihn; wo ist er her?

Gellert.

Hainichen bei Freiberg!

König.

Sag' er mir, hat denn er
Den Lafontaine gelesen?

Gellert.

Ja, Majestät, doch nie
Ahmt' ich ihm nach.

König.

So ist er ein Originalgenie!
Doch warum gibts nicht mehr noch so trefflicher Autoren?

Gellert.

Weil Majestät den deutschen Schriftstellern Haß geschworen.

König.

Ja das ist wahr! Kann keinen Historiker hier schätzen.
Wagt Tacitus denn Keiner ächtdeutsch zu übersetzen?

Gellert.

Er ist zu schwer – doch führt' ich so manchen Grund wol an,
Warum noch nicht in Schriften viel Gutes wir gethan.
Als Künst' und Wissenschaften beim Griechenvolk geblüht,
Da waren noch für Schlachten die Römer heiß erglüht.
Vielleicht hat jetzt der Deutsche sein kriegerisch Jahrhundert,
Noch fehlt uns ein Augustus, geliebt und allbewundert!

König.

Wie? will er für ganz Deutschland 'nen einzigen August?

Gellert.

Nicht eben das, nur wünscht' ich, der hohen Kunst bewußt
In jedem Land vom Herrscher Genie's in Schutz genommen.

König.

Ist er aus seinem Sachsen noch nie herausgekommen?

Gellert.

War einmal in Berlin nur –

König.

So reis' er öfter doch!

Gellert.

Dazu fehlt nächst dem Gelde mir auch Gesundheit noch!

König.

Was hat er denn für Krankheit? Wol die gelehrte! wie?

Gellert.

Nennt Majestät sie also, mag also heißen sie.
In meinem Munde würde solch Wort sich stolz geriren.

König.

Die Krankheit hatt' ich selber. Ich will ihn bald kuriren.
Er muß Rhabarber nehmen, muß alle Tage reiten.

Gellert.

Nur neue Krankheit würde mir derlei Kur bereiten.
Denn wär' das Pferd gesünder, würd' ich den Ritt nicht wagen,
Wär's krank, so würde beiden uns wol die Kraft versagen.

König.

So muß er fahren!

Gellert.

Dazu – fehlt's an Vermögen mir.

König.

Da hat er Recht, es fehlt ja stets den Gelehrten hier.
Sind jetzt wol böse Zeiten?

Gellert.

Ja wohl! – O Majestät!
Gebt Deutschland seinen Frieden –

König.

Er meint, daß das so geht!
Weiß er denn nicht, daß dreie stets wider mich agiren? – –
Kann er von seinen Fabeln mir keine deklamiren?

Gellert.

Ich zweifle. Mein Gedächtniß ist schwach wie meine Glieder.

König.

Besinn' er sich, indessen geh' ich hier auf und nieder. – –
Nun hat er jetzo Eine?

Gellert.

Ja, Eure Majestät.
»Ein kluger Maler in Athen,
Der minder weil man ihn bezahlte,
Als weil er Ehre suchte, malte:
Ließ einen Kenner einst den Mars im Bilde sehn,
Und bat sich seine Meinung aus.
Der Kenner sagt ihm frei heraus,
Daß ihm das Bild nicht ganz gefallen wollte,
Und daß es, um recht schön zu sein,
Weit minder Kunst verrathen sollte.

Der Maler wandte Vieles ein:
Der Kenner stritt mit ihm aus Gründen,
Und konnt' ihn doch nicht überwinden.
Gleich trat ein junger Geck herein
Und nahm das Bild in Augenschein.
O! – rief er bei dem ersten Blick –
Ihr Götter, welch ein Meisterstück!
Ach welcher Fuß! O wie geschickt
Sind nicht die Nägel ausgedrückt!
Mars lebt durchaus in diesem Bilde.
Wie viele Kunst, wie viele Pracht
Ist in dem Helm und in dem Schilde
Und in der Rüstung angebracht!
Der Maler ward beschämt gerühret,
Und sah den Kenner kläglich an:

Nun, sprach er, bin ich überführet!
Ihr habt mir nicht zu viel gethan! –
Der junge Geck war kaum hinaus,
So strich er seinen Kriegsgott aus.« –

Mit aufmerksamem Auge, so fest und blau wie Stahl,
Hört Friedrich zu, dann plötzlich ruft er:
» Und die Moral

Gellert.

»Wenn deine Schrift dem Kenner nicht gefällt,
So ist es schon ein schlimmes Zeichen;
Doch wenn sie gar des Narren Lob erhält,
So ist es Zeit, sie auszustreichen.«

König.

Das ist recht schön, verständlich und dabei so coulant,
Nicht wie des Gottsched Verse, geziert und ungewandt.
Nun wenn ich hier noch bleibe, so komm er öfter wieder,
Und les er mir das Neuste der Fabeln und der Lieder.

Gellert.

Weiß nicht, ob gut ich lese; zu singend ist mein Ton.

König.

Ja wie die Schlesier grade. Selbst lesen muß er schon,
Sonst wird aus seinen Fabeln ja ganz ein ander Ding.
Nun komm er wieder! – – –

Gellert verneigte sich und ging.
Der König aber winkte dem harrenden Major,
Den Krückstock unter'm Arme zog er die Dose vor,
Und eine Priese nehmend sprach er mit hellem Klang:
» C'est le plus raisonable de tous les Allemands!«



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