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Diezmann's Tod.

(1307)

Frost'ge Morgennebel hüllen
Leipzigs Thürm' in dichte Schleier,
Knirschend unter Menschentritten
Seufzt der Schnee der öden Gassen.

Zu der heiligen Weihnachtsmette
Läuten hell die frühen Glocken,
Winterfromme Beter wallen
In das Kloster von Sanct Thomä.

»Jesus Christus ist geboren!«
Schallt es freudig von dem Chore,
Die geweihten Kerzen flammen,
Und es flammen hoch die Herzen.

Markgraf Diezmann am Altare
Kniet und neigt sich dem Allmächt'gen,
Rastlos gleiten durch die Finger
Seines Rosenkranzes Perlen.

An der Kirche hohen Pfeilern
Auf den braunen Buchsbaumstühlen
Liegen in Gebet versunken
Seine treuergebnen Diener.

Plötzlich schreckt ein geller Schrei sie –
Weh! ein Schrei der theuern Stimme,
Die nur allzugut sie kannten
In dem Wohllaut ihrer Milde.

Hin zum Altar drängt die Masse,
Unterbrochen ist der hohe
Lobgesang des »Benedictus« –
Markgraf Diezmann liegt im Blute.

Durch die bunten Menschenwogen
Geht der dumpfe Ruf der Rache:
»Wehe! weh dem feilen Mörder!
Haltet jenen Schwarzvermummten!

»Markgraf Diezmann liegt im Blute,
Nieder stieß ihn rasch ein Dolchstich!« –
Hören es die treuen Diener
Und sie packen den Verhüllten:

»Ab die Maske! rede Meuchler!
Schurk', gesteh, wer Dich geworben!«
Jener drauf: »»O nie erfahrt ihr,
Wer ich bin, wer mich gedungen.«« –

»Bei der Hostie! Freiheit lohnt Dich,
Sprich, wer hat dies angestiftet?
Philipp war's von Nassau! – nicht so?« –
Doch der Mörder schweigt und lächelt.

»Fort zur Folter!« murrt die Masse,
Sterben mußt Du grausen Todes!«
»»Sterbe gern, doch nie erfahrt ihr,
Wer ich bin, wer mich gedungen!«« –

Andern Tags mit glühenden Zangen
Mitleidslos zu Tod gemartert,
Graunvoll das Geheimniß bergend,
Haucht der Mörder seinen Geist aus.

Tief beweint vom treuen Lande
Ward des Markgrafs trübes Ende,
Zu Sanct Pauli ruht sein Leichnam,
In dem Volke lebt sein Name.

Jener ernste Florentiner,
Der von Himmel sang und Hölle,
Gab in goldnen Dichterworten
Diezmann's Grabstein ew'ge Weihe.



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