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Der Prinzenraub.

(1455)

I.

In Altenburgs Schloß ist geschäftiger Lärm,
Die Pagen laufen und fragen,
Die Rosse stampfen vor Ungeduld
Am reisefertigen Wagen.

Der Kurfürst kehrt aus der Mette zurück,
Sagt Lebewohl seinem Weibe,
Doch Margareth zieht ihn bang an die Brust:
»Mein Friedrich! bleibe doch, bleibe!

»Noch immer erfüllt mich der nächtige Traum
Mit den peinlichsten Angstgefühlen,
Ich sah einen Eber den Gartenraum
Mit seinen Hauern zerwühlen.

»Am Rebengeländer lieblichgrün
Sproß eine blühende Raute,
Sie war so zart, mir schnitt es ins Herz,
Wie sie der Eber umklaute.

»Schon trat er sie nieder – da stürzt' ein Bär
Hervor, die Tatzen gehoben –
Der Eber entwich – mit ihm mein Traum,
Die freundliche Warnung von oben!«

Der Kurfürst lacht: »Mein liebes Kind,
Die Schatten der Träume verbleichen,
Ich kenne den Eber, auf den du zielst,
Der die Fische verbrennt in den Teichen!«

Margarethe drauf: »Und drohte nicht jüngst
Kauffungen mit höhnischer Lache,
Gäbst du ihm Recht nicht, kühl' er sich bald
In deinem Blute die Rache.«

Der Kurfürst küßt ihr die Sorge vom Mund,
Und weiß sich ihr sanft zu entringen:
»Halt' die Kinder in Zucht! versprech' ihnen auch
Ein Wämslein aus Leipzig zu bringen.«

Er ruft's und eilt in den Schloßhof hinab.
In düstre Gedanken verloren
Steht die Fürstin und winkt mit dem Tuch ihm nach,
Als der Wagen längst aus den Thoren.

Der Küchenjunge Hans Schwalbe lauscht
Auf der Treppe, listig verborgen:
»Fahrzu, fahrzu, lieber Kurfürst mein,
Kunz wird für die Deinen schon sorgen!«

*

II.

Die Juninacht blaut sternenklar,
Es weht eine wonnige Kühle,
Still liegt der Wald, vom Thale herauf
Rauscht nur die geschäftige Mühle.

Schloß Altenburg glänzt im Aetherblau
Wie ein Mägdelein in der Wiegen;
Es streckt seine Zinnen trotzigblank,
Als wären sie nie zu besiegen.

Da schallt Roßhuf den Hohlweg entlang
Aus dem düstern Walde der Leine,
Stahlharnische klirren und blinken durchs Laub
Im spielenden Sternenscheine.

Am Saum des Waldes hält jetzt der Trupp
Fußknechte samt streitbaren Reitern;
Der Stattlichste spricht: »Gleich sind wir am Ort,
Hervor drum mit Aexten und Leitern!

»Schönfels und Mosen, folgt eurem Kunz,
Leicht erklimmen wir heute die Mauer,
Beim Kanzler ist Ball, der Pförtner ist krank,
Hans Schwalbe steht auf der Lauer.

»Vom Fenster winkt er – die Strickleiter fällt, –
Kurfürst, jetzt ist es entschieden:
Sitzt ab, ihr Herrn, das Eisen ist heiß,
Wohlauf denn, laßt es uns schmieden!«

Schnell klimmt Kauffungen am Seil empor
Und murmelt im Bart verwogen:
»Kurfürst! kehrst du zurück in dein Nest,
Sind die Vöglein dir ausgeflogen!«

Dicht hinter ihm steigen den schwanken Pfad
Die Verbündeten, Schönfels und Mosen,
Fünf Knechte folgen, – jetzt sind sie im Schloß –
Das ist ein Jubeln und Tosen!

Rasch stellt Kauffungen Wachen aus,
Verrammt und verriegelt die Thüren:
»Hans Schwalbe, wo ist der Knaben Gemach?« –
»»Linkshin, will selber euch führen!««

Sie kommen an's Zimmer – die Thür ist zu –
Hans will durch's Schlüsselloch blinzen,
Kunz drängt ihn hinweg – ein Ruck in's Schloß –
Und er steht am Lager der Prinzen.

*

III.

Die Knaben ruhen so kindlichsüß,
Umfangen von Traumesgewalten,
Da weckt ein Geräusch den Prinzen Ernst,
Er gewahrt die fremden Gestalten.

Er erkennt beim matten Ampellicht
Kauffungen an Gang und Sprache,
Er faltet die Händchen mit bebendem Schrei,
Daß es wiedergellt im Gemache:

»Zu Hilfe! der Kunz geht um im Schloß,
Er würgt uns mit eisernen Ketten.
O sagt es der lieben Mutter doch,
Vom Tode, vom Tod uns zu retten!«

Die Schläfer rings erwachen vom Schrei,
Und flehen um Gnad' und Erbarmen,
Kunz aber hält und hebt im Nu
Den Knaben mit ehernen Armen:

»Folgt willig ihr, so geschieht euch nichts,
Eurem Vater nur gilt die Buße;
Gibt er die geraubten Schlösser zurück,
Seid ihr wieder auf freiem Fuße.

»Doch nur einen Laut, so stoß' ich zu –
Nun vorwärts, meine Begleiter,
Schönfels und Mosen den jüngsten nehmt ihr,
Ich bringe den ältsten zur Leiter!«

Kunz ruft's und schwingt sich zum Fenster hinaus.
Ei welch ein luftiges Wandern!
Den Prinzen im Arm auf schnurrendem Seil,
Auf dem Fuß ihm folgen die Andern.

Da schreit Kunz auf: »Heilloses Geschick!
Ihr grifft ja von Barby den Grafen!
Sprengt fort mit Ernsten Böhmen zu,
Den trag' ich zurück in den Hafen.«

Rasch klettert Kunz die Leiter empor,
Vertauscht die weinenden Knaben,
Und nimmt Prinz Albrecht mit sich hinab
Zum Schloßhof in hurtigem Traben.

Dort öffnet ihm Schwalbe schon das Thor,
Die Angeln kreischen und knarren,
Der Sporentritt klirrt durch den öden Raum,
Die Rosse schnauben und scharren.

Die Fürstin schreckt aus dem Schlummer auf
Vom Wehruf, angstvoll gestammelt; –
Sie tappt zur Thür, – sie klinkt am Schloß, –
Das Gemach ist versperrt und verrammelt.

Sie schellt in die Klingel – sie pocht – sie ruft –
Kein Diener naht, keine Zofe,
Sie eilt ans Fenster – o Gott! sie erblickt
Den Räuber der Knaben im Hofe.

Flugs reißt sie das Fenster auf und schreit:
»Kunz! wolle die Schmach nicht vollenden,
Verschone die Kinder, es soll sich ja Dir
Auch Alles zum Besten noch wenden.«

Kauffungen hebt den Knaben aufs Roß
Und lenkt zur Waldung der Leine:
»Wills Gott! Prinz Albrecht, kommen wir schon
Nach Böhmen im Mittagsscheine.«

*

IV.

Durch grüne Wildniß im einsamsten Wald
Dringt Kunz mit dem Prinzen am Morgen,
Eine Stunde noch – und das Böhmerland,
Schloß Isenburg hält ihn geborgen.

Schon hört er dumpfen Glockenschlag
Von fernen Dörfern und Thürmen,
Ihm sagt es des Herzens Sturmgeläut,
Was dies Läuten bedeutet und Stürmen.

Auf Kundschaft schickt er in raschem Galopp
Voraus die gewandtesten Reiter,
Führt selbst am Zügel Albrechts Roß,
Zwei Knappen nur als Begleiter.

Leis klagt der Prinz: »Ich bin so matt,
Kann vor Durst nicht weiter traben!«
Scheu prüft der Ritter bedenklichen Blicks
Den zarten, verschmachtenden Knaben:

»So steig herab, ins Dickicht komm,
Da magst du Beeren dir pflücken!«
Der Knabe schwingt sich flugs in's Holz,
Will just nach den Früchten sich bücken:

Da sieht er durch das lichte Gesträuch
Einen Köhler im Grase sich strecken;
Zur Linken den Schürbaum, zur Rechten den Hund,
Läßt er süß das Schwarzbrot sich schmecken.

Der Prinz läuft hinzu – der Hund schlägt an,
Auf springt der Köhler vom Mahle,
Nimmt den Schürbaum zur Hand und blickt ringsum
Wie ein Herrscher im Krönungssaale.

Er sieht den Knaben im stattlichen Wams,
Umirrend in trostloser Fremde,
Und hinter ihm drein, das Roß an der Hand,
Einen Ritter im Panzerhemde.

»Woher und wohin mit dem Buben soll's?«
Fragt barsch er den Ritter und trotzig.
»Ein böser Knab', der dem Herrn entlief!«
Erwiedert Kauffungen protzig.

Er faßt den Prinzen heftig beim Arm,
Doch verstrickt er sich mit den Sporen
Im Farrengestrüpp – er gleitet und stürzt,
Immer dichter in Dornen verloren.

Zum Köhler springt der Knabe beherzt:
»Soll Dank und Heil dir erwachsen,
So mache mich frei, – der Kurfürst lohnt's,
Bin Albrecht, ein Prinz von Sachsen!«

Kaum hört dies Schweinitz, des Ritters Knecht,
Zückt er flink das Schwert aus der Scheide,
Mit dem Schürbaum doch fängt der Köhler den Hieb,
Und schlägt damit trillend auf beide.

Des Köhlers Frau lockt der Lärm herbei,
Sie sieht den Kampf im Gehege
Und schlägt mit dem Messer stracks aufs Beil,
Daß den Wald durchhallen die Schläge.

Kaum tönt das Zeichen, so wimmelt's rings
Von Köhlern mit Beilen und Stangen,
Kunz fleht umsonst, bietet Gold umsonst,
Die Schaar nimmt ihn jubelnd gefangen.

Zur Stunde wurde der Ritter dem Abt
Von Grünhain übergeben,
Der füllte sein goldenes Deckelglas
Und trank auf Albrechts Leben!

*

V.

Der Kurfürst Friedrich begnadigte reich
Den Köhler und seine Knappen,
Und gab ihm, weil er so wacker getrillt,
Den » Triller« in Namen und Wappen.

Indessen saß Kunz zu Freiberg in Haft
Und hörte die Glocken läuten,
Den Kerkerschließer fragt er in Hast:
»Was hat der Klang zu bedeuten?«

Der Schließer entgegnet: »Dem Dankfest gilt's,
Den geretteten fürstlichen Knaben,
Da Mosen und Schönfels mit Prinz Ernst
Ihre Freiheit gelöst sich haben!«

»Fluch den Meineid'gen!« erwidert Kunz
Und starrt voll Ingrimm zur Erde –
Dann fragt er: »Gibt's keine Gnade für mich
Mit spöttisch wilder Geberde.

Der Schließer schüttelt das greise Haupt:
»Noch kam mir keine Kunde,
Doch hofft auf Gott, er geb' euch Trost
In eurer letzten Stunde!«

Auf dem Markte zu Freiberg andern Tags
Welch Drängen, Flüstern und Wallen?
Des Ritters Kunz von Kauffungen Haupt
Lag unter dem Schwerte gefallen.



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