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Elisabeth von Thüringen.

Sie war die Gemahlin Landgraf Ludwig des Heiligen, dem sie von ihrem Vater König Andreas von Ungarn als dreijähriges Kind verlobt wurde. In ihrem vierzehnten Jahre 1221 vermählte sie sich. Ihre Frömmigkeit steigerte sich selbst in der glücklichsten Ehe bis zur Schwärmerei, so daß sie wünschte, lieber Jungfrau geblieben zu sein. In der Hungersnoth 1226 verkaufte sie ihren Schmuck und ernährte und pflegte Kranke dafür. Nach ihres Gatten Tode ward sie von ihrem Schwager Raspe mit ihren Kindern aus der Wartburg vertrieben und mußte auf das elendeste leben, bis sich Verwandte ihrer annahmen. Endlich erhielt sie ihre Güter wieder und stiftete 1229 in Marburg ein Hospital, in das sie sich zurückzog. Sie starb 1231 und ward 1235 heilig gesprochen.

(1224)

(Legende.)

Sacht öffnet sich der Wartburg Thor,
Voll Anmuth tritt ein Weib hervor,
Ein Weib so jugendschön und mild,
Der Frömmigkeit lebendig Bild,
Thüringens theures Amulet,
Schutzgeist des Land's, Elisabeth.
Ein himmelblauer Mantel fließt
Um ihre zartgeformten Glieder,
Des Morgens Glorienschein ergießt
Vom Haupte sich zur Sohle nieder.

Die blonden Locken fallen reich,
Den goldnen Sonnenstrahlen gleich,
Auf ihre Brust, die tiefbewegt
Ein Herz voll Himmelsreine hegt,
Und aus dem schönen Auge bricht
Klar wie der Tag der Seele Licht.

Und wie sie langsam niederschreitet,
Von einer Zofe treu begleitet,
Drängt aus des Busches grüner Hut
Sich eine Schaar verlaßner Armen,
Die Noth faßt händeringend Muth
Und fleht mit Thränen um Erbarmen;
Denn Theurung drückt die Eisenfaust
Rings auf des Städters öde Hütten,
Und der Vampyr des Hungers graust
Aus Blicken, die das Herz zerrütten!

Nur sie – sie war der Sonnenstrahl
In dieser Nacht der Menschenqual;
Dem Veilchen glich sie, das bescheiden
Den innern Werth der Welt verhüllt,
Ihr Busen, selbst von Leid erfüllt,
Empfand geheim auch fremdes Leiden;
Ihr ward es unzertrennlich lieb,
Weil ihr ein Trost im Trösten blieb.

Ja! glücklich pries sich unter Allen,
Auf wen der Fürstin Blick gefallen;
Ihr Auge glich dem klaren See,
Drin sich der blaue Himmel spiegelt,
Wo keine wilden Träume je
Die Tiefen mürrisch aufgewiegelt,
Worin die Ruhe der Natur
Läßt wurzeln zarte Blumen nur,
Die aus dem edlen Herzen steigen,
Sich unbewußt der Welt zu zeigen.
Man sieht der Unschuld Zauberschein
Auf diesem blauen Meer regieren,
Und wer nur einmal blickt hinein,
Möcht' ewig sich darin verlieren.
Wol mußte dem, der es gewahrt,
Ein süß Gefühl das Herz durchschauern:
In ihrer Schönheit offenbart
Sich ein unsägliches Bedauern,
Wenn sich Bedrängte zu ihr flüchten,
Und sie das schlichte Körbchen nimmt,
Das reich an frischem Brot und Früchten,
Von Liebessegen überschwimmt.
O heil'ger Korb, du gibst dem Greise,
Dem Hungrigen erwünschte Speise,
Dem Durstigen ersehnten Trank!
Ach! aus den Augen blickt im Kreise
Dir stummer Armuth heißer Dank!
O heil'ger Korb! dein Lebensbrot
Stillt der Verzweiflung bittre Noth,
Wenn durch die Sträuche wildverzweigt
Ihr Engel sich hernieder neigt,
Wie jetzt! – Da horch! was hallt entlang
Für scheuer Huf- und Sporenklang?
Wer saust herbei in wildem Trott,
Als wär' die Stille nur ihm Spott?
Ein schwarzes Roß, das hoch sich bäumt
Und in den Morgennebel schaudert,
Mit kühnen Nüstern schnaubt und schäumt
Und weiter fortzujagen zaudert;
Der Reiter drauf in Fürstentracht
Mit strengem Blick und finstrer Stirne:
»Sprecht, was so früh euch hergebracht,
Dich, mein Gemahl, und diese Dirne?
Laßt sehn!« –
und seine Rechte streift
Hinweg den Mantel und ergreift
Den Korb ergrimmt und Unheil witternd,
Indeß Elisabeth erzitternd,
Wenn auch im Herzen fromm und rein,
Sanft flüsternd ruft: »Verzeihn! Verzeihn!«

Es säuselt lieblich, wenn im lauen
Lenzwind das dürre Laub zerstäubt:
Süß klang die Stimme voll Vertrauen,
Die schnell des Grafen Wahn betäubt.
Er sieht den Korb, den schleierlosen,
Bei ihres Wortes Melodie
Rings angefüllt mit frischen Rosen,
Und nieder sinkt er auf die Knie:
»O! Lisbeth gib, o gib Verzeihn!
Wie dieses Röslein schön und rein,
Dein Ebenbild, mir schmückt die Brust:
Bleib' du mein Trost auch, meine Lust!
Die Engel Gottes sind mit dir,
O Heilige, sei gnädig mir!«



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