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Der Ritt in's Kornfeld.

Am hellsten Sommernachmittag,
Als die Flur in lieblicher Ruhe lag,
Der vollen Aehren goldene Wonne
Gesegnet erglänzt' in der Junisonne:
Ritt die Felder entlang der Kurfürst sacht,
Und überblickte des Kornes Pracht.
Nur wenige Junker als Geleit
Trotteten plaudernd ihm zur Seit'.

Wie sie nun weiter traben durchs Thal,
Wird plötzlich der Weg so eng und schmal,
Daß Einer hinter dem Andern nur
Verfolgen konnte des Pfades Spur.
Das währt denn dem einen Junker zu lang,
Rasch spornt er seines Rosses Gang
Und galopirt seitab von dem Rain
Mitten in die blühenden Felder hinein;
Zerreitet sorglos Waizen und Korn,
Als wären's eben nur Nesseln und Dorn.

Kaum aber sprengt er vorwärts ein Stück,
Ruft drohend ihn der Kurfürst zurück. –

Spät Abends, vom schönen Sommerritt heiter,
Lud der Kurfürst zur Tafel seine Begleiter.
Sie erquickten sich weidlich an Speis' und Trank,
Und manchem vergnüglichen Reiterschwank.
Nur Einer saß betroffen und stumm,
Blickt zu öftern Malen im Saale sich um,
Winkt einen Pagen und schilt ihn vermessen,
Daß er das Brot ihm zu reichen vergessen.

Der Kurfürst, der es also gewollt,
Sieht kaum, wie der Junker dem Pagen grollt,
So ruft er ihm zu mit warnendem Ton:
»Mein junger Herr! nimm dir die Lehr' als Lohn!
Merk Dir, wie nöthig zu jeder Frist
Die gesegnete Gabe des Himmels ist.
Mit Roßhuf zerstampftest du ohne Noth
Die werdende Frucht zum lieben Brot.
Ein andermal tritt so frech nicht wieder
Die goldenen Aehren des Feldes nieder,
Sonst bist du in all deinem Stolze nicht werth,
Das je ein Bissen Brotes dich nährt!«



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