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Buch der Sachsen.

Der Stamm der Sachsen.

Von Asien zu den Cimbern kam ein markiges Volk gezogen,
Mit bauchigen Schiffen kreuzt' es wild der Nordsee dunkle Wogen,
Hernieder zu der Elbe ging's, im Hafen stracks zu rasten:
Doch sträubten sich die Herrn des Lands, die Fremden zu begasten.
Wie kühn Thüringen's Stamm auch focht, der rauhe Feind ward Sieger,
Großmüthig schloß er Frieden drauf mit dem bekämpften Krieger;
Tauschhandel nur bedung er sich und seiner wilden Horde,
Schlug ein die Hand, ganz abzustehn von Länderraub und Morde. –
Drauf stieg ein Jüngling aus dem Schiff, mit reichem Gold beladen,
Und schritt getrosten Muthes längs den lachenden Gestaden.
Ein Bauer rief ihn plötzlich an: »Was trägst an deinen Fellen
Und an dem hungerdürren Hals für Gold und goldne Schellen?«
Der Andre: »Käufer such' ich, Freund, das Gold will mir nicht nützen,
Ich trag' es einzig, um durch Tausch vor Hunger uns zu schützen!«
»Was gilt es?« fragt ihn Jener drauf. – »Gib, was du hast am Herde!« –
Der Andre lacht: »So füll' ich denn den Mantel dir mit Erde!«

Der Jüngling hält den Mantel auf, nimmt die gebotne Gabe,
Reicht dann das Gold und Jeder geht, froh seiner neuen Habe.
Indeß Thüringen's Mannen noch den reichen Schatz erproben
Und ihres Bruders klugen Tausch mit stolzer Freude loben,
Jauchzt bei den Schiffen Jener schon: »Die Noth ist ausgelitten,
Wer nicht mehr Hungers sterben will, der folge meinen Schritten!«
Die Seinen all gehorchten ihm und folgten seinen Spuren;
Er aber schritt, die Erd' im Arm, ein Sämann durch die Fluren.

Rings auf die Felder streut' er aus die Körner seines Sandes,
Und deckte so mit schlauer List den größten Plan des Landes.
Kaum sah Thüringen's Volk die Saat, schickt' es zur selben Stunde
Gesandte, klagend ob der That, dem Treubruch an dem Bunde.
Die Fremden doch erwiderten kampflustig und entschieden:
»Wir brachen nicht der Treue Bund, nicht brachen wir den Frieden;
Das Land allein, das wir durch Gold zu eigen uns geschaffen,
Das wollen wir erhalten uns, treu schirmen mit den Waffen!«
Thüringen fiel in blinder Wuth planlos nun auf die Schaaren,
Die dieses Sturmes harrten schon, sich mannhaft zu gebahren.
»Auf's Feindesherz den Sachs gezückt!« so scholl es allerwegen,
Bis unter ihrer Messer Stich Thüringens Macht erlegen.

Die rauhen Gäste fühlten jetzt sich Herrn der Meeresküste,
Aus Furcht und Scheu trug nach dem Land kein andrer Stamm Gelüste.
Dies wilde Volk mit Augen blau, mit Haaren schlicht und flachsen,
Hieß von den Messern, die es schwang, fortan das Volk der Sachsen.



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