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Hermanfried und Hathagast.

Hathagast, nach Andern Hattwich-Atta (Vater des Vaterlandes) genannt.

(524)

Frohlockend sang nach heißer Schlacht
Das Frankenheer sein Siegeslied,
Indessen floh zur Königsburg
Thüringen's König Hermanfried.
Burg Scheidung! ei du trotzest keck
Dietrich und seiner tapfern Schaar,
Der löwengleich im Felde focht,
Soll steigen jetzt als kühner Aar!

Doch wie er auch die Schwingen übt,
Kraftvollen Flugs zur Höhe fliegt,
Die Veste spottet seiner stolz,
Die Mauern ragen unbesiegt.
Der König Dietrich rief zuletzt
Das Sachsenvolk zum Kriegesbund,
Den größten Theil vom Feindesland
Versprechend mit beredtem Mund.

Die Sachsen hören's, rücken flugs
Heran in ungestümem Lauf;
Der Franke, der sie schreiten sieht,
Reißt furchtbethört die Augen auf:
Breitschultrig glänzt ihr Heldenleib,
Von blonden Haaren lang umwallt,
Bewehrt mit Schild und Messern, hüllt
Ein kurzer Mantel die Gestalt.

Kaum schlugen sie ihr Lager auf,
Als auch der heiße Kampf begann;
Wie Hagel schwirrte Pfeil an Pfeil,
Wie Wogen drängte Mann an Mann.
Blut floß in Strömen vor der Schaar,
Verzweifelnd doch focht Hermanfried:
Noch keinen Scheitel kränzt der Sieg,
Als dunkelroth die Sonne schied.

Besorgt erkennt Thüringen's Fürst
Die Macht des Feindes – und im Nu
Schickt er Gesandte tiefgeheim
Dem Frankenkönig Dietrich zu.
Um Frieden flehn sie demutvoll,
Sie spenden Gold und Goldeswerth
Und warnend vor der Sachsenfaust
Erbieten sie ihr treues Schwert.

Der König Dietrich willigt ein
Und spinnt den schimpflichen Verrath,
Indeß die Sachsen ahnungslos
Ausruhn von ihrer Waffenthat.
Ein Krieger nur schöpft Wasser just,
Als an der Unstrut seichtem Strand
Ein Habicht vor ihm niederfliegt,
Den er erfaßt mit flinker Hand.

Da ruft's vom andern Ufer her:
»Gibst du den Vogel mir zurück,
Thu' ich dir ein Geheimniß kund,
Zu deinem und der Deinen Glück!«
Thüringen's Sohn verspricht es ihm
Und leistet einen Eid dabei;
Der Sachse geht es ein und gibt
Ihm augenblicks den Habicht frei.

Da spricht der Andre: »Wisse denn,
Die Könige haben sich versöhnt,
Zieht ihr nicht diese Nacht davon,
Seht ihr euch morgen arg verhöhnt!« –
Der Sachse hört' es, ritt zum Heer
Und meldete die Hinterlist;
Die Führer riethen, heimzuziehn
Und aufzubrechen sonder Frist.

Wie aber scholl des Wortes Schmach
Von nächtiger Flucht in voller Hast,
Da blickte wuthentflammt der Blick
Des greisen Helden Hathagast.
Er schüttelte das finstre Haupt,
Schlug auf den Schild mit grimmer Faust,
Und von den Lippen klang sein Zorn,
Ein Waldbach, der von Felsen braust:

»Im Sachsendienst, Wodan bezeug's!
Ist würdig dieses Haar ergraut,
Es hat der Feind mein Auge stets,
Doch meinen Nacken nie geschaut.
So sterben will ich im Gefecht,
Nicht weibisch vor Verräthern fliehn,
Fall ich allhie auf grünem Feld,
Ist mir der schönste Tod verliehn.

»Der Väter Tugend mahnt zum Kampf,
Zum Kampf gefallner Brüder Blut;
Zeigt jetzt, daß euch des Namens werth
Im Herzen flammt noch Sachsenglut.
Hinauf, hinauf! erstürmt die Burg!
Dies greise Haupt setz' ich zum Pfand,
Glänzt droben nicht im Morgenschein
Der Sachsenaar vom Mauerrand!«

Beim letzten Worte hebt der Greis
Des heiligen Banners goldne Zier,
Und alle Herzen zittern neu
Vor Ruhmsucht und vor Kampfbegier.
Wie Meereswogen brandend dumpf
Dröhnt durch die Nacht der Tritte Hast,
Voran dem Heer voll Jugendkraft
Stürmt nach der Veste Hathagast.

Das Zeichen tönt, der Sachse klimmt
Den steilen Wall behend empor;
Schlag klingt um Schlag, die Mauer klafft
Und nieder kracht der Veste Thor.
Der Feind, erweckt vom Schlachtgetös,
Sieht sterbend sich in Feindes Hand,
Angstvoll flieht König Hermanfried
Mit Weib und Kind in's offne Land.

Der Morgen tagt, vom Thurme glänzt
Der Sachsenadler frei und kühn;
Der Frankenkönig Dietrich bebt,
Als er das Banner sieht erglühn. –
Drei Tage rauscht zu Wodan's Ruhm
Das Siegesfest mit Spiel und Sang:
Die Barden sangen Hathagast
Und weihten ihm den Eichenkranz.

Am vierten aber schritt der Held
Zum Franken in das Lager hin:
Zertrümmert ist Thüringen's Macht,
Spann auch Verrath dein falscher Sinn!
Zwar schuldig bist du – doch Verrath
Uebt nur ein schwächliches Geschlecht,
Und an dem Schwachen, wie du weißt,
Hat sich der Sachse nie gerächt!«



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