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Die eherne Mauer.

Auf dem Neuenburger Schlosse, roth umstrahlt vom Abendschein,
Sprach der Kaiser Barbarossa bei dem Grafen Ludwig ein:

»Schwager! deine Burg ist stattlich, lacht ins Aug' mir recht zum Trutz,
Aber eins doch fehlt der Veste, starker Mauern Eisenschutz!«

Ludwig drauf: »So leichter Tadel kann mir nicht zu Herzen gehn,
Nur drei Tag' – und um das Schlößlein soll die stärkste Mauer stehn!« –

Schalkhaft lächelt Kaiser Friedrich: »Schwager! Ehre deinem Wort!
Doch so gut auch kannst du reißen mir ein Stück vom Himmel dort!

»Gingen auch des röm'schen Reiches Werkleut alle dir zur Hand,
Alle Steinmetz', alle Maurer brächten nicht den Wall zu Stand!« –

»»Sollst es sehn mit eignen Augen! – Jetzt doch folge mir zu Tisch:
Duftig perlt der Wein im Becher, in der Schüssel dampft der Fisch!«« –

Während Friedrich noch geschwätzig sich ergetzt beim heitern Schmaus,
Sendet rings in seine Gaue Ludwig schnelle Boten aus!

Läßt entbieten die Vasallen, all die Mannen seiner Macht
In dem vollsten Schmuck der Waffen, in der reichsten Rittertracht. –

Als die dritte Nacht gekommen – tiefes Dunkel hüllt das Schloß –
Horch! da braust von allen Enden rasch herbei der Rittertroß.

Von den Bergen trabt es klirrend, schnaubend stiebt es durch das Thal:
Des Befehls gewärtig nahen die Vasallen, blank in Stahl.

Ludwig mustert flugs die Edeln, ordnet sie nach Schmuck und Rang,
Um den Graben vor dem Schlosse reihn sie sich in dichtem Drang.

Und vor Jeglichem der Ritter hält ein Knapp das Wappenschild,
Hinter ihm sodann ein Zweiter einen Helm als Adelsbild.

Mit der Streitaxt, mit dem Schwerte sind die Freiherrn all bewehrt,
Nach der Neuenburg das Auge, das entblößte Haupt gekehrt.

Als der Mauerkrone Zacken, als der kleinen Thürme Zier
Schwingen Grafen hoch zu Rosse das entfaltete Panier.

Fertig steht die eherne Mauer, als das erste Sonnenroth
Auf den blanken Eisenpanzern wie ein Meer von Flammen loht.

Landgraf Ludwig schlägt vor Wonne sich den Harnisch, daß es klirrt,
Eilt zum Kaiser dann ins Zimmer, und erweckt ihn lustverwirrt:

»Auf! mein Schwager, tritt ans Fenster, daß dein Auge Wunder schaut,
Denn die Mauer, die du wünschtest, hab ich glanzvoll aufgebaut.«

Widerstrebend folgt der Kaiser, – sieht Vasall rings an Vasall,
Sieht die Helm' und Schwerter blitzen als lebendgen Mauerwall.

Staunend drückt er Ludwigs Rechte, klopft die Schulter ihm und spricht:
»Meiner Treu! so starke Mauer sah ich noch mein Lebtag nicht!«



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