Ludwig Rellstab
1812 – Ein historischer Roman
Ludwig Rellstab

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Sechstes Kapitel.

Ein rauher, eisiger Wind erhob sich gegen Abend. So dicht sich die ermüdeten Krieger um die Feuer lagerten, dennoch erstarrten ihnen fast die Glieder da, wo sie nicht der Flamme zugewandt waren. Mit Sehnsucht wurde die Morgenröte als das Ende dieser Qual erwartet. Endlich ertönte der Ruf der Trompeten und Trommeln zum Aufbruch. Doch gerade jetzt erst hatte der Schlaf angefangen, die Übermacht über Kälte und Hunger zu gewinnen, und jetzt mußten sich die durch Marsch und Wachen Übermüdeten mit Gewalt emporreißen. Viele waren selbst durch starkes Rütteln und Anrufen nicht in Bewegung zu setzen, so lähmten ihnen Kälte und Ermüdung die Glieder. Als sie endlich auf den Füßen standen, schwankten sie mit versagenden Knien einige Schritte, fielen aber bei der geringsten Unebenheit des Bodens taumelnd, wie betäubt wieder zu Boden. Rasinski trat auf eine Erhöhung, wo er die Feuer seines Biwaks übersah. »Hierher, Freunde,« rief er mit fester Stimme, »hier versammelt euch um mich! Auf, auf, zu Pferde!« Ihn schüttelte selbst noch der Nachtfrost, doch er bezwang die Natur mit seiner festen Willenskraft, um den Mut der Leute zu beleben.

Als die Stelle des Antretens genugsam durch viele Herangekommene bezeichnet war, ging er an den einzelnen Lagerfeuern umher, wo einige Säumige und Schwächere noch verweilten, und sprach ihnen Mut zu. »Rafft euch zusammen, Kinder! Die Nacht war rauh, aber der Tag wird besser sein. Wenn ihr erst in Bewegung seid, werdet ihr euch auch erwärmen. Das Frühstück war mager, aber ich habe es ohne Vorzug mit euch geteilt, und ihr seht, ich bin wohlauf. Verliert nur den Mut nicht; der zuerst Verzagende ist der zuerst Verlorene. Wir haben ja schon manchen bösen Tag zusammen überdauert, wie sollte euch heute der Mut sinken! Ein Pole verzagt nicht!« So zusprechend ging er durch die Reihen; sein Wort, ja schon ein bloßer Blick belebte den gesunkenen Mut der Leute. Bald saßen alle zu Pferde und begannen den Marsch.

»Es wird heute spät Tag werden,« sprach Bernhard zu Ludwig; »der Himmel muß dicht in graue Wolken gehüllt sein, denn es ist kein Stern zu sehen. Wie ist dir die Nacht bekommen?« – »Sie war hart; aber man lernt jeden Tag mehr überwinden«, erwiderte Ludwig. – »Ich glaube auch, der Mensch ist ein Gewächs, das sich leicht an alle Zonen gewöhnt. Wir rücken heute, deucht mir, in die kalte ein, wenigstens wenn ich meinen Rücken, der nachts gegen die Windseite lag, zum Thermometer mache, so müssen wir stark unter den Gefrierpunkt gefallen sein. Mein Leib und Gesicht dagegen hat die ganze Nacht in der heißen Zone geruht.«

»Suche nur deine Augen zu schonen, Lieber, du klagtest schon neulich darüber«, sprach Ludwig sanft. – »Was Wunder! Ich habe auch niemals gehört, daß Rauch von frischem Holze und heller Feuerglanz ein Konservativ für die Pupille wären. Indessen ist es wahr, meine Augen sind gewissermaßen meine Hobelbank, mein ernährender Pflug; ja sogar noch etwas Besseres, nämlich die Werkzeuge, mit denen ich den Honig aus dem Leben gewinne, was sonst, gleich der Lindenblüte, die doch nächst den Kräutern des Chamounytales den besten Honigseim absorbiert, etwas bitter schmecken möchte. Aber sind deine Augen dir das nicht etwa auch?« – »O gewiß,« sprach Ludwig wehmütig, denn er dachte an die holde Gestalt seiner Geliebten; »doch für dich ist das Kleinod dennoch teuerer.« Hierbei legte er dem Freunde die Rechte auf die Schulter, streifte dann am Arm hinab und faßte seine Hand, die er mit inniger Liebe drückte. »Der Wind ist verteufelt rauh!« rief Bernhard im unwilligen Zorn, um seine Rührung über den Freund zu verbergen, dessen Liebe nur an ihn dachte in dieser Zeit des Erduldens. »Ich wittere so etwas, als stecke Schnee in der Luft.« In der Tat wehte ein scharfer, eisiger Wind aus Nordwest her den Marschierenden entgegen. Nach einer Stunde hatte er schon das Angesicht bis zum Schmerz erkältet, doch schien er noch an Heftigkeit zuzunehmen.

Endlich dämmerte der Tag; aber was er enthüllte, konnte das stille Grauen der Nacht nur erhöhen. Dichtes schweres Gewölk zog über den Himmel dahin und schien mit jedem Augenblick sich tiefer zu sammeln. Über den Spitzen der die Straße begleitenden Fichtenwälder streifte der Nebel schon ganz nahe hin, so daß er die Gipfel der höchsten Bäume fast berührte. Er senkte sich mehr und mehr. »Es ist noch Hoffnung, daß wir einen klaren Tag bekommen«, sprach Ludwig zu Rasinski. – »O ja«, antwortete dieser rasch und zuversichtlich, glaubte aber das Gegenteil, weil er den Unterschied des russischen und des deutschen Winters kannte.

Die Dünste fielen nicht in Tropfen nieder; sie sanken nicht vor der steigenden Sonne herab, um einen heitern Himmel zu enthüllen, sondern sie verdichteten sich mehr und mehr und schwebten, in langsamen Kreisen ziehend, in der Luft. Es wurde einige Zeit windstill; in diesen wenigen Augenblicken aber stieg die Kälte auffallend, und darauf erhob sich der Wind wieder mit erneuerter Kraft und streifte mit eisig kalten Flügeln überhin. Plötzlich schienen die schwebenden Dünste gleichsam zu zerrinnen und sanken als dichter Reif herab. Aus höhern Luftregionen fielen einzelne große Schneeflocken nieder, und ehe man noch Zeit gehabt hatte, über die schnelle seltsame Veränderung zu erstaunen, schien der ganze Dunstkreis in Schneeflocken aufgelöst, die, vom Winde getrieben, wirbelnd und stäubend die Atmosphäre erfüllten. Mit Entsetzen sah der Soldat sich plötzlich vom Winter ringsum überfallen. Als habe er arglistig einen Hinterhalt gelegt, so schnob er von allen Seiten heran und warf das unermeßliche Netz über seine Beute hin. Der Schnee fiel so dicht und scharf, daß man ihn wie stechend auf der Wange empfand, bis diese in verklammender Erstarrung fühllos wurde.

Mit einem stummen Grauen zogen die Scharen der Krieger dahin. Das feste Land schien in wenigen Minuten in ein starres, pfadloses, unbegrenztes Meer verwandelt. Wie sollte sich der Ausweg aus dieser Wüste zeigen; wo man keine Sonne, keinen Stern, keine fernen Berggipfel oder Türme mehr entdecken, keine Straße gewahren konnte? Die Krieger, welche seit zwanzig Jahren von den Pyramiden Ägyptens und der Syrischen Wüste bis an die Mündung des Tajo, von den Gebirgen Kalabriens bis zu dem brausenden Belt, von den Pyrenäen bis an den Fuß des Ural die Erde kämpfend durchzogen waren und der Gefahr überall ein trotziges Auge gezeigt hatten, sie empfanden jetzt zum erstenmal das kalte Gespenst des Entsetzens in ihrer Brust und starrten mit ahnungsvollem Erbeben in das wirbelnde Chaos über ihrem Haupte hinauf, woher die flockigen Gewölke aus unabsehbarer Höhe wie ein schmerzlicher Insektenschwarm herniederstäubten. Das mit Schnee bedeckte und mit unheimlicher Schnelle gewebte Leichentuch deckte rings die Erde; es hüllte Flur und Wald in seine kalte Umarmung ein, und was es berührte, schien der Tod mit ewiger Erstarrung zu lähmen. Wie ein sich immer erneuendes Zaubergespinst spannte es sich zugleich vor die Füße und webte jeden Schritt in die arglistigen Schlingen seiner losen Fäden ein. Nicht eherne, unzerreißbare Fesseln legte es um den Fuß, aber es erschöpfte in der tausendfach wiederholten Anstrengung, das leichte Band zu sprengen. Langsam war die Folter, aber das Opfer gewiß; es stürzte nicht unter einem zermalmenden Keulenschlage, sondern es sank allmählich unter einer Bürde zusammen, die, von Sekunde zu Sekunde nur um Atome wachsend, endlich aber doch jedes Maß der Kräfte weit überragte.

Bernhard suchte das stumme Grauen, welches er in seiner eigenen Brust empfand und in den Zügen aller seiner Kameraden las, wegzuscherzen. »Ich wollte, die Fabel im Herodot hätte recht,« sprach er, »wo es heißt, in Szythien verdichtete sich die Luft häufig durch herabflatternde Federn so, daß ein Reiter die Ohren seines Pferdes nicht mehr sehen könne. Nicht übel wär's für das Biwak, wenn wir Eiderdaunen genug vorfänden, um uns ein warmes Nest zu machen!« Rasinski, der ernst blieb, aber die mutige Haltung seiner Züge nicht verlor, freute sich, daß Bernhard seinem Bestreben, eine rüstige Stimmung aufrechtzuerhalten, entgegenkam. »Haben die Alten das wirklich geglaubt?« fragte er lächelnd. – »Herodot nicht so ganz; wenigstens hat der alte Graubart etwas von der Wahrheit gewittert«, antwortete Bernhard. »Er konjekturiert, es möge wohl Schnee sein, wovon die Thrazier fabelten, denn er habe es auch einmal schneien sehen!« – »Einmal! Der glückliche Ionier!« rief Ludwig fast unwillkürlich aus. – »Es ist mir auch so lieber,« antwortete Rasinski absichtlich laut, »ich würde schlechte Soldaten haben, wenn es Eiderdaunen schneite! Sie wären unser Kapua. Mit den Kriegern, die sich durch den Schnee der Alpen die Bahn gebrochen hatten, schlug der alte Afrikaner die Römer vom Tizinus bis Kannä!« – »Nun das Kapua haben wir vor der Hand nicht zu fürchten,« warf Bernhard hin »hier sieht's nicht nach Orangenhainen aus.«

Indessen verdichteten sich die Schneemassen mit jeder Minute. Nicht zufrieden mit denen, die er aus den Gewölken herabschüttelte, jagte der Sturm sie auch von dem Boden empor und stäubte sie so den Kriegern ins Angesicht. Von allen Feldern und Hügeln trieb er die wirbelnden Säulen heran und füllte die Schluchten und gesenkten Stellen aus, durch die sich die Straße zog. »Man sollte glauben, so viele Tausende würden sich bald eine feste Bahn treten,« sprach Ludwig, »aber wir finden vor uns fast keine Spur und hinter uns lassen wir auch keine zurück, so schnell verweht sie der Sturmwind und bedeckt sie der neu fallende Schnee.«

Der Zug stockte. Anfangs glaubte Rasinski, es sei nur ein Aufenthalt von einigen Augenblicken, wie dies bei langen Marschkolonnen öfter eintritt. Doch bald merkte er, daß ein ernsthaftes Hindernis obwalten müsse, denn die Stockung dauerte länger und länger. Ein Adjutant kam endlich auf seinem ermatteten Pferde mühselig durch den Schnee herangaloppiert und redete Rasinski an. »Ich bringe Ihnen den Befehl, mein Oberst, sofort die Hälfte Ihrer Pferde zu stellen, um sie vor die Geschütze zu spannen. Sie können nicht mehr vorwärts in dem tiefen Schnee. Vor uns liegt ein Defilee, wo der Sturm ihn mannshoch zusammengeweht hat. Die Sappeurs müssen uns erst Bahn machen.« – »Die Kavallerie soll absitzen?« fragte Rasinski mit betroffenem Erstaunen.– »Es ist eine harte Notwendigkeit, aber der Befehl geht durch alle Regimenter. Sogar die Gardedukorps müssen anspannen und zu Fuß gehen. Sättel und Gepäck bleiben auf den Pferden; die Leute können sie begleiten.«

Rasinski sah ein, daß er sich nicht weigern könne; doch kostete es ihn eine schwere Überwindung, seine des Gehens ungewohnten Leute ihrer Pferde zu berauben. Allein er ließ nichts von diesen Empfindungen merken, sondern behandelte diesen Fall, wie alle, mit Ernst, aber als etwas Gewöhnliches. Ohne Zögern kommandierte er daher: »Erste und zweite Schwadron! In Sektionen, rechts schwenkt! Marsch!« und ließ sie aus dem Regiment hinaus in die Straße reiten. Jetzt schwenkten sie in halben Sektionen ein und folgten nun unter Rasinskis Führung dem vorreitenden Adjutanten. Sie mußten ihre Pferde je zu zwölf und zwölf an die Kanonen der nächsten Batterie spannen, was freilich in der Not nur mit Seilen und schlechten Bruststelen geschehen konnte. Die Leute gingen zu Fuß nebenher. »Ihr tut heute die Arbeit,« sprach Rasinski; »morgen werden euere Kameraden sie tun.«

Bernhard und Ludwig gehörten zu der ersten Schwadron; sie hätten ihre Pferde gleichfalls hergeben müssen, doch weil sie Rasinski zunächst zu seinem Ordonnanzdienst bestimmt hatte, behielten sie dieselben. Beide aber empfanden, daß die Zeit, wo ein Vorzug möglich und erlaubt war, vorüber sei. Das strenge Gesetz der Not, die alles gleichmacht, fing an einzukehren. Noch einige solche Tage und es gab nur noch Kameraden, keine Offiziere und Soldaten mehr. Sie ritten daher zu Rasinski heran und baten ihn, das Los ihrer Kameraden teilen zu dürfen. – » O, wenn ich's euch ersparen könnte!« sprach dieser leise mit dem Ausdruck des Schmerzes. »Aber morgen müßtet ihr tun, was ihr heute wollt; darum habt ihr recht.« Sie ritten daher gleichfalls weiter nach der Spitze der Kolonne vor und meldeten sich bei dem Artillerieoffizier, der die Batterie kommandierte. Er wies sie an, ihre Pferde vor eine Haubitze legen zu helfen, deren höchst elendes, ermattetes Gespann der Hilfe am meisten bedurfte.

Auf diese Weise wurde es möglich, die Artillerie fortzuschaffen. Aber dennoch nur mit der größten Mühe; denn die Räder schnitten bis an die Achsen in den Schnee ein, der sich in einen mit dem Sande des Bodens gemischten zähen Mulm verwandelte, ohne sich festzufahren. Peitschenhiebe und Flüche schallten durch die Lüfte. Vor manchem Geschütz sah man zwanzig, dreißig Pferde! Und dennoch mußte die Kraft der Menschen den erschöpften Tieren zu Hilfe kommen. Äußerst langsam rückte die schwere unbewegliche Masse vorwärts. Nicht allein an der Artillerie lag es, sondern Pferde und Menschen ermüdeten gleich, in dem immer höher steigenden Schnee. Nach wenigen Stunden trat schon die äußerste Erschöpfung ein. Die Ordnung in den Regimentern löste sich auf, je nachdem die Leute mit geschwächten Kräften zurückblieben. Bald marschierten viele nicht mehr auf der Straße fort, teils weil man sie in dem Gestöber und in den verwehten Spuren verlor, teils weil jeder einen bessern Pfad aufzufinden suchte. So oft sich daher eine höher gelegene Stelle zeigte, an welcher der Sturm das Feld vom Schnee gereinigt hatte, drängten die Massen darauf zu, um nur eine kürzere Zeit der Erleichterung zu haben. Aber sie wurde von vielen furchtbar gebüßt;, denn hinter der Erhöhung folgten oft tiefe Erdspalten oder doch steile Einsenkungen, die, durch den Schnee trügerisch gefüllt, dem ebenen Boden gleich zu sein schienen. Die Krieger stürzten plötzlich bis an den Leib, bis an die Schultern hinab; andere folgten, weil das kalte Stäuben der Flocken, die ihnen der Sturm ins Gesicht trieb, sie blendete, unwillkürlich nach und stürzten über den Kameraden hin, oder drückten ihn noch tiefer in das kalte Grab hinein. So sah man oft drei, vier plötzlich übereinander hinsinken und im Schnee verschwinden. Wenige arbeiteten sich empor; den meisten versagte die Kraft; das Gewehr oder die Waffe, mit der sie sich zu helfen suchten, entsank den erstarrten Händen; sie wollten einige Augenblicke rasten, um Atem zu schöpfen. Dann lähmte die Kälte ihnen die Glieder, sie riefen wohl mit ersterbender Stimme um Hilfe, aber niemand hörte sie im Geheul des Sturms, oder das eigene Elend der meisten war schon so hoch gestiegen, daß sie, wie in einem allgemeinen Schiffbruch, nur an die eigene Rettung dachten. Die ersten Opfer, die auf diese Weise fielen, erfüllten die Brust mit schneidendem Jammer. Als aber die Zahl sich mehrte, als sie mit der einbrechenden Dunkelheit in die Hunderte, in Tausende stieg, da stumpfte sich der scharfe Schmerz ab und nur noch ein mitleidiger Seufzer galt denen, welche in der kalten, grausenden Umarmung erstarrten und vergeblich die Hände nach Rettung ausstreckten. Sterbend wandte sich ihr Blick dem Vaterlande, den vorübergehenden Kameraden zu, noch ein leises Ächzen entquoll der erschöpften Brust, dann hüllte Nacht ihr Auge ein, und die Qual war von ihnen genommen. Andere sanken vor Ermattung und Erstarrung zu Boden, auch ohne in jene trügerischen Tiefen zu stürzen. Eine leichte Hülle wurde ihre Gruft, der fortwährend fallende Schnee überdeckte sie mit seinem Leichentuch. Anfangs bezeichnete noch eine leise Erhöhung die Stelle, wo der Tote lag, aber bald stellte sich die unterschiedlose Wüste wieder her und jede Spur seines Daseins war verschwunden.

Jetzt wurde es völlig Nacht; aber kein leuchtendes Sternbild erhellte sie. Nur düsterer umwölkte sich der Himmel und schüttete fortwährend das eisige Verderben über die Erde aus. Der Sturm erhob sich rauher, kälter. Das Auge unterschied kaum noch die Bahn für die nächsten Schritte; wer sich zur Seite entfernte, wer zurückblieb, der verschwand in der Tiefe der Finsternis. Strauchelte sein Fuß, so verschlang ihn die unabsehbare Schneewüste, und sein sterbendes Auge starrte nur in die dunkle Sturmnacht hinein. Kein Freund, kein treuer Kamerad ruft ihm ein Lebewohl zu; keine Hand reicht sich ihm zum Abschiede. Vergebens sehnt sich die brechende Brust zu den Lieben, zu der Heimat hinüber! Nicht um sie glücklich zu erreichen, denn zu dieser überschwenglichen Hoffnung hat das Herz nicht mehr die Kraft; nur einen letzten Gruß der Liebe möchte es empfangen, nur nicht so fürchterlich allein in der schauerlichen Umarmung des Todes erstarren! Vergebens! Dein brechendes Auge starrt umsonst hinauf zum Himmel, das krampfhafte Beben deiner sterbenden Brust rührt ihn nicht mehr! Taub ist er dem Jammer der Verzweiflung, taub dem Flehen der Todesangst. Flüche und Gebete schlagen gleich machtlos von seiner ehernen Wölbung zurück. Geschlossen sind die Pforten der Gnade; das gigantische Rad der Vergeltung rollt zermalmend über die Erde.


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