Ludwig Rellstab
1812 – Ein historischer Roman
Ludwig Rellstab

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Vierzehntes Buch.

Erstes Kapitel.

Ein langes Krankenlager hatte Lodoiska in betäubenden Fesseln gehalten; ihr Leben in dieser Zeit war nur einem schweren Traume zu vergleichen, in welchem sie ohne Bewußtsein litt und genoß, je nachdem düstere oder holde Gestalten auf den bewegten Wellen ihrer Brust vorübergleiteten. Die Bilder der Außenwelt fielen nur durch einen trüben Flor, mit dem das dämmernde Halbbewußtsein sie verhüllte, in ihre Seele. Bisweilen erkannte sie die, welche pflegend an ihrem Lager saßen, zumeist aber waren sie ihr fremd, und sie sprach irr und mißkennend aus der Welt ihrer Träume zu ihnen. Es war eine Wohltat für die Unglückliche zu nennen, daß die Krankheit ihr nicht das volle Bewußtsein ihres Zustandes ließ, denn bei der Reizbarkeit ihrer Gefühle würde sie dem Seelenschmerz, der sich nicht auf eine andere Art Luft gemacht hätte, erlegen sein durch innerlich geheimes Untergraben.

Nach einigen Wochen fing die Heftigkeit des Übels an sich zu brechen, und man durfte hoffen, daß nun die Klarheit des Bewußtseins zurückkehren würde. Marie freute sich dessen mit schwesterlicher Rührung, doch die Gräfin sah diese Wiederkehr zur Wahrheit des Lebens mit immer wachsender Sorge, denn der Genesenden mußte mit dem Begreifen der Wirklichkeit um sie her auch die Erkenntnis der Ursache ihres tiefen Leids zurückkehren, und dann war zu fürchten, daß das Übel sich entweder mit tödlicher Heftigkeit erneuern, oder in eine stille, aber desto unvertilgbarere, alle innersten Lebenskräfte verzehrende Schwermut verwandeln werde. Ach, und leider konnte ihr niemand auch nur einen Schein des Trostes geben, denn seit jenen unglückseligen Zeilen Jaromirs waren keine Briefe von dem Heere angelangt, mit Ausnahme einiger flüchtigen Worte von Rasinski, die ein durchgehender Kurier mitgebracht hatte; diese aber sagten nichts, als daß alle Freunde noch am Leben seien, und waren sichtlich in großer Eile geschrieben, nur um den Augenblick nicht vorübergehen zu lassen, der sich zu einem Gruß in die Heimat darbot. Die Gräfin dagegen hatte sogleich nach Empfang des Unglücksbriefes von Jaromir ihrem Bruder geantwortet und ihn um die genaueste Auskunft über die Ursache seiner schonungslosen Anklage gebeten. Eine Antwort auf ihren Brief konnte sie freilich jetzt noch nicht erwarten; allein das plötzliche Verstummen aller übrigen, denn auch Marie hatte keine Zeile erhalten, erfüllte sie mit düstern Ahnungen.

»Was werden wir dem armen Mädchen sagen,« sprach sie daher eines Morgens zu Marien, während die Kranke schlummerte; »wenn sie nun erwacht und uns fragt: ›Sprecht, war es ein Traumbild, was mich mit so tödlichem Gift der Angst und Schmerzen durchdrang? oder gibt es auf dieser Erde so fürchterliche Wahrheit?‹ Was werden wir ihr antworten, wenn dieser sanfte Schlummer sie wieder in das helle Bewußtsein ihrer unschuldigen Seele hinüberführt?«

»Ich glaube nicht,« sprach Marie, »daß sie die Wahrheit erfahren darf; wir müssen versuchen, sie mit einem Gewebe milder Täuschung zu umspinnen, bis ihr Herz wieder stärker geworden ist und dies scharfe Gift zu fassen vermag. Der unglückselige Brief darf ihr nicht vor Augen kommen; wir müssen sie glauben machen, daß es eine Täuschung ihrer Krankheit ist, ihn erhalten zu haben.«

»Das wäre möglich, wenn wir ihr andere Briefe zeigen könnten,« erwiderte die Gräfin; »so wird sie höchstens auf die Vermutung geraten, Jaromir sei tot, und dieser Gedanke, diese Furcht quält die Arme vielleicht noch schrecklicher. Ach, ich sehe kein Heil aus diesen dunkeln Verwirrungen, und ich hoffe auch keins, denn längst habe ich mich daran gewöhnen müssen, daß die Blüten meiner Freuden sich nur öffnen, um durch rauhe Stürme des Geschicks herabgeschüttelt zu werden, damit jeder Schritt der rauh forteilenden Zeit sie tiefer in den Boden trete!«

Das düstere Gespräch wurde durch den Eintritt eines Dieners unterbrochen, der die Auflösung der Zweifel in der Hand trug; denn er brachte Briefe von Rasinski. Hastig griff die Gräfin danach und erbrach sie, um so schnell als möglich Gewißheit zu erlangen. Sie fand den Brief ihres Bruders, in welchem derselbe Jaromirs ganzes trauriges Geschick erzählte, und den, welchen der Unglückliche nach seiner Genesung an Lodoiska geschrieben hatte, um in seiner tiefsten Reue sich die Buße der gänzlichen Verbannung aus ihrem Herzen aufzulegen. Die Gräfin hatte schweigend bis zu Ende gelesen, während Marie mit fragenden Blicken an ihr hing und ihre Mitteilung erwartete; und doch wagte sie es nicht, sie zu unterbrechen, weil sie wußte, daß ihr Schweigen kein vergeßliches, noch weniger ein teilnahmloses war, sondern zu der starken selbständigen Eigentümlichkeit der Gräfin gehörte, mit der sie so lange alle Gefühle verschlossen in sich trug, bis sie sich Meisterin derselben wußte und ihren festen Entschluß gefaßt hatte. Eine Röte des Unwillens flog öfter über die Züge der Lesenden dahin und wechselte dann mit einem wehmütigen Lächeln. Endlich nahm sie auch Jaromirs Brief und las ihn unverwandten Auges. Da aber traten selbst dieser festen Frau verdunkelnde Tränen ins Auge, und sie sprach halb vor sich hin: »Er ist doch unglücklicher als schuldig!« Dann gab sie Marien die Briefe hinüber und ging, während diese las, im Gemach auf und nieder.

»O diese Françoise Alisette!« rief sie fast laut aus. »Wer hätte ihr eine so giftige Verschlagenheit zugetraut! So lernt man denn niemals die Tiefen der Brust ergründen! Für leichtsinnig hätte ich sie halten mögen, aber doch würde ich ihr keinen kalten, flatternden, sondern nur jenen schwärmerischen Leichtsinn des Herzens zugetraut haben, der sich selbst mehr täuscht als andere – und dennoch! – Sie sei vergessen und verachtet!«

Marie hatte geendet. Den Brief Rasinskis hatte sie unter fliegendem jungfräulichen Erröten, gemischt mit sittlichem Unwillen gegen die Verführerin, gelesen, doch Jaromirs reuige Buße drängte ihr mitleidige Tränen ins Auge. »Arme Lodoiska,« sprach sie, »mit welchen Schmerzen sollst du noch gefoltert werden! Doch dein liebendes Herz wird alles überwinden und vergeben.« – »Das darf sie nicht,« sprach die Gräfin entschlossen; »Jaromir ist ihrer nicht mehr wert. Sie muß sich selbst achten! Könnte sie ihm vergeben, er dürfte sich nicht vergeben lassen.« Indem schlug die Kranke die Augen auf; sie glich einer lieblichen blassen Rose; ihr sonst so feuriges dunkles Auge hatte die Flamme verloren, aber den milden Glanz behalten; mit holder Zutraulichkeit wandte sie den Blick zu der mütterlichen und schwesterlichen Pflegerin und sprach: »Ich habe recht sanft geschlummert, mir ist recht leicht und wohl geworden.«

Die Gräfin beugte sich über sie und hauchte einen milden Kuß auf ihre Stirn. »Das freut mich, Liebe«, sprach sie, und fast hätte sie durch den Ton ihrer Stimme ihre innerste Bewegung verraten. Marie trat mit einem holdseligen Lächeln zu der Kranken und fragte: »Ist dir nun wohl, ganz wohl?« Und sie nahm liebkosend ihre Hände und blickte ihr gerührt ins Auge. »O ja, ich glaube, ich bin ganz gesund«, erwiderte Lodoiska, doch man sah an ihrem Blick, daß sie etwas anderes dachte als sprach; sie schien sich auf irgend etwas Vergessenes mit quälender Unruhe zu besinnen. »Ich weiß nicht, Marie,« sagte sie, indem sie die Freundin forschend anblickte, »es beunruhigt mich etwas, als hätte ich einen schweren Frevel begangen, den ich nicht beichtete.« – »Du, einen Frevel?« antwortete Marie. »Nein, der Gedanke blieb dir noch von den verwirrten Träumen deiner Krankheit zurück. Das holde Licht der Gesundheit wird dies finstere Nachtgevögel bald ganz verscheuchen.« – »Ich fürchte, das wird es nicht,« antwortete Lodoiska; »mir will scheinen, als stehe ein schauerlich Gespenst in meiner Seele, das nicht wanken und nicht weichen will! Ich weiß nur nicht, was es in seine schwarzen Schleier einhüllt; aber es dringt immer näher auf mich ein und ängstigt mich.«

Da trat die Gräfin mit entschlossenem Schritt an das Lager, nahm die Hand der Kranken und fragte sie sanft, aber mit ernster Stimme: »Meine Tochter, ist dir Wahrheit oder Täuschung lieber? Wirst du jetzt die herbe Wahrheit, die dich niederwarf, als sie überraschend vor dich hintrat, zu tragen vermögen, wenn eine Mutter sie dir sanft enthüllt?« Lodoiska sah die Gräfin mit ängstlich prüfenden Blicken an, als suche sie das Geheimnis zu erraten; eine erwartungsvolle Stille herrschte in dem Gemach. Endlich sprach sie mit Ergebung: »Von dir kann ich alles hören und will ruhig bleiben und dulden, denn du bist ja so gut.«

Die Gräfin setzte sich an das Lager, legte die Rechte sanft umfassend um Lodoiskas Nacken und ergriff mit der Linken ihre Hand. »Ich will dir sagen, was dir doch nicht verschwiegen bleiben kann«, begann sie. »Erinnerst du dich noch der letzten Worte, die dir Jaromir schrieb?« – »O Gott!« rief Lodoiska ängstlich; »also wäre das kein Traum gewesen! Und die Furie verfolgt mich noch immer?« – »Nein, nein, liebstes Herz,« beruhigte die Mutter sie liebkosend; »es war ein halber Traum, eine halbe Wahrheit. Jaromir klagte dich 623 an, in der Wahnverwirrung seines schuldigen Herzens; jetzt aber ist er zur Erkenntnis gekommen; sein war die Schuld, sein ist nun die Reue und Buße.«

»Wie?« rief Lodoiska aus, der jetzt alle Erinnerungen mit den brennendsten Farben wieder in der Seele erwachten, die aber nicht verstand, was die letzten Worte der Gräfin andeuten sollten; »so glaubt er wieder an meine Liebe und zertritt mein Herz nicht mehr? O dann bin ich ja so glücklich! Er hat mich tief verwundet, aber alles, alles sei ihm vergeben. Ach, meine Mutter, wie glücklich machen mich deine Worte!« Sie erhob die ermatteten Arme, um sie um den Hals der liebsten Mutter zu schlingen, aber sie war zu entkräftet; doch die Gräfin folgte dem zärtlichen Wink, beugte ihr Antlitz zu der Liebenden nieder und ließ es sanft von ihren schmeichelnden Händen an die wallende Brust drücken. Selige Tränen benetzten das Angesicht der Kranken; aber eine düstere Bestürzung drang in die Brust der Mutter und Mariens ein, die ihr die neue Täuschung rauben sollten.

Doch die Gräfin erkannte die Notwendigkeit; sie hatte ihren Entschluß gefaßt; sie führte ihn aus. Nachdem Lodoiska ruhiger geworden war, fuhr sie fort: »Dein liebendes Herz vergibt; aber darf Jaromir, der die Schuldlose so tief kränkte, die Vergebung empfangen?« – »Ach, das Gefühl seines Unrechts wird seine Buße sein, und Buße versöhnt!« – »Wenn er nun aber selbst schuldig wäre, wenn er – « – »Verläßt er mich?« rief Lodoiska außer sich, und mit so heftiger Bewegung, daß der Gräfin bange wurde, die wilden Träume ihrer Krankheit möchten zurückkehren. »Nein, liebstes Kind,« sprach sie; »aber er hat schwer gegen dich gefehlt, so schwer, daß du ihm nicht vergeben darfst, er sich nicht vergeben lassen kann.«

»O Mutter, ich weiß nicht, was er verbrochen, doch ein Härteres gab es nicht für mich, als daß er mein Herz verkannt, es des Verrats anklagte. Der Allbarmherzige vergibt jedem Bereuenden, und ich soll nicht dürfen?« Auf ihrem Angesicht glänzte eine so himmlische Güte, als sie diese Worte sprach, eine so fromme Verklärung leuchtete aus ihren Blicken, daß die Gräfin ihre strenge Gesinnung überwunden fühlte. »Ja, du darfst ihm vergeben, du darfst es,« sprach sie gerührt; »du hast es getan, noch ehe du seine Schuld kanntest – jetzt erfahre sie.«

Sie gab ihr den Brief des Bruders. Lodoiska betrachtete ihn einige Augenblicke, dann sprach sie: »Nein, lies du ihn nur, wenn ich ihn hören soll; am liebsten weiß ich gar nichts, es ist ja genug, wenn er bereut. Würde er denn so grausam gegen mich sein, wenn ich gefehlt hätte?« Das reine Herz Lodoiskas ahnte Jaromirs Schuld nicht; ihre Seele wußte nichts von den vielen Verbrechen, mit denen der befleckte Verkehr des Lebens den Mann bis zur Gleichgültigkeit vertraut macht. Doch die Gräfin erkannte die Notwendigkeit, ihr alles zu entdecken. »Wahrheit sei zwischen dir und ihm,« sprach sie; »dann vergib, wenn du kannst und willst. Aber wissen mußt du; denn selbst die Vergebung wäre ja sonst nur eine halbe, und Jaromir dürfte sie nicht annehmen, denn er müßte wähnen, sie sei nicht wahrhaft und vollkommen, weil du dir nicht zugetraut habest, die Schuld zu kennen, die du verzeihen wolltest.«

So begann sie den Brief Rasinskis langsam vorzulesen, indem sie sorgfältig die Kranke dabei im Auge behielt, um zu sehen, ob ihre Kräfte dadurch auch nicht zu heftig angegriffen würden. Doch es war nicht der Fall, Lodoiska blieb ruhig; auf ihren Lippen schwebte nur ein wehmütiges Lächeln, welches der Freundlichkeit ihrer Pflegerinnen galt, und aus den Augen flossen ihr leise Tränen herab, die sie über Jaromirs Fall und Schmerz vergoß, welche beide Rasinski mit einfachen Farben der Wahrheit schilderte.

Der Brief war zu Ende. Lodoiska blieb einige Augenblicke schweigend und still weinend auf ihrem Lager sitzen, während Marie sich liebkosend bemühte, sie zu trösten. »Jaromirs Brief laß mich selbst lesen«, sprach die Kranke endlich und unterstützte ihre Bitte durch einen in das tiefste Herz dringenden wehmütigen Blick. Die Gräfin reichte ihn ihr; sie las mit häufig durch Tränen verdunkeltem Auge, las ihn ein-, zwei-, dreimal. »O mein Gott,« rief sie endlich aus, »wie unermeßlich hat der Unglückliche gelitten, und wie tief gebüßt! Und ich sollte ihm nicht vergeben? Ach, er liebt mich ja noch, er liebt mich heißer als jemals! Alles, alles sei vergessen! Er darf meinen liebenden Arm nicht zurückweisen!«

Eine selige Freude rötete ihre bleichen Wangen und leuchtete sanft aus ihrem Auge; sie war wie neugeschaffen durch den großmütigen Entschluß der Liebe, der ihrer schönen Seele nicht einmal einen Kampf gekostet hatte. Das düstere Gespenst der Krankheit schien plötzlich verscheucht zu sein und zu fliehen. Sie ließ nicht nach mit Bitten, bis die Gräfin ihr gestattete, die Zeilen der Versöhnung und Vergebung sogleich zu schreiben; selbst die Besorgnis ihrer Pflegerinnen, daß die Kraft ihr fehlen werde, war unbegründet, denn die drängende Heftigkeit ihres Wunsches und Willens hatte sie so aufgeregt, daß offenbar Versagen jetzt schlimmer war als Erfüllen. Aufrecht auf dem Lager sitzend schrieb sie an Jaromir:

»O, mein Geliebter! Die Liebe vergibt alles; sie kann nur weinen und bluten – ich zürnte Dir niemals. Schaudernd sank ich nieder, als Dein hassendes Herz mich verstoßen wollte. Du zeigst mir eine Brust voll Reue, und ich weiß nichts mehr von Schuld; ein Herz voll Liebe, und ich weiß nichts mehr von meinem Schmerz. Nein, Geliebter, fordere nicht, daß ich selbst die Blüten meines Lebens zertrete. Umgib Deine Brust nicht mit dem kalten Erz des Stolzes!

»Freund meiner Seele! Der Richter Deines Fehls ist nur die Liebe, und ihr sanfter Spruch lautet: Alles, alles sei vergessen! Willst Du taub sein gegen ihre süße Stimme – o, so werden Nacht und kalter Schauer mein Herz umgeben, bis es erstarrt und bricht – und ewig verloren ist das selige Glück, auf das es noch jetzt gehofft! Jaromir! Höre die reine Stimme der Liebe! Deine Lodoiska.«

Als Lodoiska vollendet hatte, reichte sie das Blatt der Gräfin dar. Diese las es mit tiefer Rührung; es war ihrer Sinnesart entgegen, allein sie erkannte die heiligen Rechte eines liebenden Herzens, das nur sich selbst fragt und hört. Marie fühlte wie Lodoiska; sie würde sich nicht so demütig, ja fast möchte man sagen so unterwürfig, aber doch ebenso liebend und vergebend gezeigt haben. Da der Schritt nun einmal getan war, zeigte die Gräfin auch ihren vollen tätigen Eifer, alles zur Vollendung zu führen. Sie schrieb sogleich an ihren Bruder, schlug Lodoiskas Brief in den ihrigen ein und fuhr mit beiden zu dem französischen Gesandten, um die Beförderung durch dessen Bureau zu veranlassen, weil auf diese Weise Briefe am richtigsten und schnellsten zur Armee gelangten. Sie wählte sonst diesen Weg nicht; allein, sei es, daß sie zuviel Wichtigkeit darauf legte, gerade diesen Brief möglichst schnell und zuverlässig befördert zu sehen, sei es, daß eine Ahnung sie antrieb, die vielleicht durch einige Andeutungen Rasinskis erweckt war, welcher seinen Brief am Abende des ersten Rückzugstags von Moskau abgesandt hatte, wo sein voraussehender Blick freilich schon manches Unheil wahrsagte, kurz, sie glaubte diese Vorsichtsmaßregeln anwenden zu müssen.

Als Lodoiska wußte, daß ihr Brief auf dem Wege zu dem Geliebten sei und nun mit jeder Stunde ihm näher und näher komme, kehrte Hoffnung und Vertrauen in ihre Brust zurück. Jeder Tag sah sie frischer erblühen, und schon nach Verlauf der ersten Woche konnte sie das Lager verlassen. So schienen denn Glück und Freude wieder in den stillen Kreis der Frauen zurückzukehren, wo so lange nur bange Sorge und tiefer Gram gewohnt hatten.


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