Ludwig Rellstab
1812 – Ein historischer Roman
Ludwig Rellstab

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Neuntes Kapitel.

Den Tagen der Freude und des geselligen Verkehrs folgten jetzt Tage des Ernstes, der strengen Dienstbeschäftigung. Denn Rasinski wurde durch höhere Befehle gedrängt, die Bildung seines Korps zu beschleunigen; täglich fanden daher anstrengende Dienstübungen statt; man exerzierte zu Fuß und zu Pferde; es gab Wachtdienste auszuführen, der Felddienst mußte geübt werden, kurz weder Offiziere noch Soldaten behielten Zeit übrig, sich den Zerstreuungen des Lebens zu widmen. Der Kaiser wurde von einem Tage zum andern erwartet, und Rasinski wollte demselben wenigstens ein einigermaßen organisiertes Korps vorführen können. Die mancherlei zarten und anziehenden Verhältnisse wurden daher durch die strenge Hand des Lebens fast zerrissen. In betreff der heißen Wünsche Jaromirs hatte Rasinski diesem zwar sein vorläufiges Versprechen gegeben, und die Liebenden waren überglücklich; doch hielt er es für unumgänglich, zuvor einem ältern Oheim Lodoiskas zu schreiben und dessen Einwilligung nachzusuchen. So lange mußten die Liebenden ihr Glück wiederum als ein Geheimnis bewahren und sich so entfernt voneinander halten, als die Sitte es gebot. Bernhard und Ludwig waren fast stets im Dienst; kaum daß dieser Zeit genug übrig behielt, in einigen einsam gewonnenen Viertelstunden einen Brief an die Seinigen zu schreiben, wodurch er auf die mündliche Mitteilung und die Gabe, welche ihm Rasinski mitgebracht hatte, antwortete. Daß unter diesen Umständen auch für Bernhard nicht daran zu denken war, seine Beobachtungen der verführerischen Alisette fortzusetzen oder Lodoiskas Bild zu malen, ist von selbst einleuchtend.

Eines Abends kam Rasinski ungewöhnlich aufgeregt nach Hause und trat mit den Worten in den Saal, wo Jaromir, die Gräfin und Lodoiska beisammensaßen: »Unser Schicksal ist entschieden. Der Kaiser ist am 29. Mai von Dresden abgereist, wird sich einige Tage in Posen aufhalten und geht dann mutmaßlich, ohne Warschau zu berühren, nach Thorn. Wir haben Befehl erhalten, morgen auszurücken und die Straße nach Kowno einzuschlagen. Ein Tag ist also nur noch der unserige, den wollen wir hier im häuslichen Kreise zubringen. Heute kann ich noch Bruder und Freund sein; morgen bin ich nichts mehr als Soldat« Sein Auge leuchtete feurig bei diesen Worten und erhöhte den Adel des milden Ernstes in seinen Zügen. Doch auf die Frauen machte die Botschaft, welche das Herz der Männer, die der Unentschiedenheit bereits müde zu werden anfingen, mit Freude erfüllte, einen betrübenden Eindruck. Lodoiska erbleichte und zitterte wie ein gescheuchtes Reh; in den Zügen der Gräfin drückte sich wenigstens eine sorgliche Bewegung aus. »Also wirklich schon so bald?« fragte sie, indem sie aufstand und dem Bruder entgegentrat.

»Der Krieg,« fuhr Rasinski fort, »scheint nunmehr unwiderruflich erklärt. Alle Unterhandlungen, welche zuletzt von Narbonne gepflogen wurden, sind gescheitert. Man sagt, es sei insbesondere das Schicksal unsers Vaterlandes, welches den hartnäckigen Apfel des Zwistes zwischen die beiden Weltbeherrscher wirft. Napoleon will uns als freie, selbständige Nation anerkannt wissen; doch Rußland ist nicht gewohnt, den Raub, den es in den blutigen Tatzen hält, loszulassen. Es zeigt die grimmigen Zähne. Laßt sehen, ob der Herkules, vor dessen gehobener Keule Europa bebt, den Kampf mit diesem Ungeheuer siegreich beenden wird!«

Eine edle Röte des Unwillens färbte seine Wangen, indem er diese Worte sprach. Die Schwester stand mit traurigen Blicken vor ihm, strich ihm sanft das Haar aus der Stirn und sprach, indem sie die Hand auf seinen Arm legte: »Du hattest sonst ein freudigeres Vertrauen, als weniger Sterne der Hoffnung am Horizont glänzten. Fasse Mut, Stephan! Wenn wir uns nicht an deiner freudigen Kraft aufrichten können, was soll uns halten und stützen?«

Rasinski lächelte. »Ich habe jetzt bisweilen Stunden, wo ich alles trüb sehe, Schwester; es hält aber nicht lange an, und wo ich der Kraft, der Frische zum Handeln bedarf, fehlt sie mir nicht. Doch laß das jetzt; heute und morgen gehöre ich dir, gehöre ich der lieben Beschränkung des häuslichen Kreises an und will mich wohl darin fühlen. Selbst meine Blicke sollen über die heilige Grenze nicht hinausschweifen, welche die finstern Geister des Lebens wie eine geweihte Zauberlinie von uns zurückscheucht. Denn trete ich heraus aus dem Zauberkreise, so empfängt mich das offene Meer, und die losgelassenen Stürme mögen mit meinem Nachen nach Willkür spielen. Und wir haben auch noch häusliche Geschäfte abzutun,« fuhr er fort und warf einen Blick auf Lodoiska; »wir wollen deinen holden Pflegling nicht versäumen.« Lodoiska senkte das schöne Auge zur Erde nieder und ein leises Rot hauchte die zarten Wangen an. »Ja, meine Kinder,« fuhr Rasinski fort, indem er zwischen Jaromir und Lodoiska trat, »habt ihr auch bedacht, was ihr tun wollt? Wer möchte euere Liebe nicht gern sehen? Ihr seid einander wert; Jaromir ist wacker, er wird ein Herz wie deines, Lodoiska, als das köstlichste Kleinod zu schätzen und zu schirmen wissen. Aber sind das die Zeiten, um den Bund der Liebe zu knüpfen? Darf man auf eine Saat hoffen, die man im Sturmwind streut? Wer schifft sich ein, wenn die See tobt und brandet; wer mag ein Freudenfest begehen in einem Hause, das auf schwankem Boden über dem Abgrunde hängt? Habt ihr ein Maß, die Erfüllung euerer Hoffnung zu messen? Ihr werft euch in den reißenden Strom, ohne zu wissen, ob die nächste Welle euch trennen oder an ein glücklicheres Ufer werfen wird.«

Lodoiska blickte sanft zu Rasinski hinauf und sprach: »Sind es denn nicht eben die Zeiten der Gefahr und der Sorge, die man gemeinsam leichter trägt? Das Glück, den Sonnenschein des Lebens genießt auch der einzelne für sich.«

»Aber der Mann soll kein Wesen an sein Geschick knüpfen, wenn dieses selbst unsicherer ist als die schwankende Welle.«

»Wahrlich!« rief Jaromir lebhaft, »ich darf jetzt nicht um dich werben, denn alles steht auf zu unsicherm Wurf! Und doch ein Band der Hoffnung möchte ich knüpfen!«

Er sprach diese letzten Worte mit so unschuldig bittendem Ausdruck des Gesichts, daß Rasinski sich eines gerührten Lächelns nicht erwehren konnte. Er erwiderte, indem er beide an der Hand faßte: »Wenn ihr ernst bedacht und erwogen habt, was ihr tun wollt; wenn es nicht bloß der Rausch eines flüchtigen Augenblicks ist; wenn du, Jaromir, deinen leichten jugendlichen Sinn so weit beherrschen kannst, um die Prüfung langer ernster Jahre zu bestehen, dann mögt ihr recht haben, den Bund der Treue zu schließen, und nicht die Gefahr, welche ihm von außen her droht, darf euch zurückschrecken. Denn auch ich weiß die würdige Gesinnung im Menschen zu schätzen, welche in ernster Stunde des Lebens, mehr für die Mühen als für die Freuden desselben, liebende Herzen verbindet. Dein Oheim, Lodoiska, hat mir väterliche Vollmacht gesandt, dich Jaromir zu verloben. Wenn du nicht selbst zagst, den Schritt in das ernste Reich der Pflichten zu wagen, so darf ich euere Hände ineinander legen und die Ringe euers Gelübdes wechseln.«

Die schöne Gestalt stand süß bebend und mit dunkler Rosenglut auf den Wangen vor dem ernsten, väterlichen Freunde. Dieser hob ihr das schamhaft gesenkte Antlitz sanft empor und fragte: »Du willst?« Sie sank statt der Antwort stumm an die Brust der Gräfin, welche neben sie getreten war, doch ließ sie die Rechte in Rasinskis Hand, der sie in die dargebotene des von Entzücken trunkenen Jaromir legte. »O wie unaussprechlich glücklich bin ich!« rief er aus, indem er die Hand des bebenden Mädchens an seine Lippen preßte.

»Sie ist nun deine Braut,« sprach Rasinski, »und jede heiligste Pflicht bindet dich an sie. Wirst du den Mut haben, sie zu erfüllen?« – »Bis an meinen Tod!« rief Jaromir heftig und zog das reizende Wesen, welches sich ihm mit der ganzen Hingebung des weiblichen Herzens weihte, an seine Brust. In diesem Augenblick trat Boleslaw ein, der bleich wie der Tod wurde, als er die Umarmung der Glücklichen sah; denn sein Herz hatte eine tiefe, ernste Liebe zu der schönen Lodoiska gefaßt, und er ahnte nicht, daß sie die Braut des Freundes sei. Doch mit einer Fassung, die seinem strengen, zwar leidenschaftlichen, aber doch festen Charakter allein möglich war, bezwang er Schreck und Schmerz zugleich und zeigte ein ruhiges Antlitz, während der Todesstoß ihm die Brust zerriß. Festen Schrittes ging er auf die Anwesenden, deren keiner ihn beim Eintreten bemerkt hatte, zu. »Ich darf dir Glück wünschen?« fragte er und trat zu Jaromir.

»Nein,« rief dieser lebhaft, »denn ich bin im Besitz des seligsten Glücks, welches diese Erde uns bietet!«

Die Freunde umarmten einander herzlich, gegen Lodoiska verbeugte sich Boleslaw ernst, ergriff ihre Hand und sprach: »Seien Sie glücklich, ganz glücklich.« Da zitterte und erblaßte er doch; es wurde selbst seiner jugendlichen Heldenkraft zuviel. »Weißt du schon, Rasinski, daß wir übermorgen ausrücken?« wandte er sich zu diesem, um dem Gespräche schnell eine andere Wendung zu geben. – »Allerdings«, erwiderte dieser. – »Auch daß Oberst Regnard mit seinem Regiment marschiert, und die Dragoner und die drei Kompagnien reitender Artillerie gleichfalls?« – »Mir war nur,« erwiderte Rasinski, »der Befehl bekannt, soweit er mich selbst betrifft. Übrigens muß ich sagen, daß mich diese Begleitung nicht sonderlich erfreut, denn wir werden, je mehr wir sind, nur um so schlechtere Nachtquartiere haben. Ich liebe unser Vaterland, allein was seine gastlichen Städte und Dörfer anlangt, so taugen sie besser, ein feindliches Heer verhungern zu lassen als ein befreundetes zu ernähren.«

Bernhard und Ludwig, welche mit Boleslaw zugleich nach Hause gekommen, aber erst auf ihr Zimmer gegangen waren, traten jetzt ein und vervollständigten den häuslichen Kreis. Auch ihnen wurde das Brautpaar vorgestellt, auch sie widmeten ihm die aufrichtigsten Segenswünsche.

Rasinski zeigte im Laufe des Abends eine sanfte Heiterkeit, die ihn ungemein liebenswert machte. »Wie schade,« rief er im Verfolg des Gesprächs aus, »daß unser Freund Bernhard den Säbel und die Lanze so viel zu führen hat! Es ist ihm wahrlich keine Zeit geblieben, Pinsel und Griffel zu handhaben; sonst hätte er mir ein Bildnis unserer lieben Braut zeichnen müssen.«

Jaromir rief aus: »Und er hatte es mir sogar versprochen! Ihr ganzes Bild wollte er malen.«

»Wenn ich auch nicht die Zeit zu einem Gemälde behalten habe, warum sollte ich nicht wenigstens noch eine Zeichnung versuchen?« fiel Bernhard ein. »Der Abend ist unser; eine, wenngleich flüchtige Skizze ist doch mehr als nichts, und einige Stunden reichen noch vollkommen dazu aus. Es ist eine angenehme Eigenschaft unserer Tätigkeit, daß sie in solchen Fällen nur einen Teil unserer Kräfte in Anspruch nimmt und sowenig uns als andere in der geselligen Unterhaltung stört; wenigstens verlangen wir nur sehr geringe Opfer. Hand und Auge arbeiten, aber das Ohr behält Muße, dem Gange der Unterhaltung zu folgen, und die Seele teilt sich mit Leichtigkeit in beide Beschäftigungen. Erlauben Sie mir daher, hier mein kleines flüchtiges Atelier aufzuschlagen, die Lichter nach meinem Bedürfnis zu stellen; gönnen Sie meinen Augen die sonst nicht ganz artige Freiheit, sich scharf auf den Gegenstand meiner Tätigkeit zu richten, und ich hoffe, noch etwas zustande zu bringen, das wenigstens einen kleinen Ersatz für die größere Ausführung, zu der uns keine Zeit bleibt, gewähren mag. Überlassen Sie sich alle frei dem geselligen Verkehr; oft hat ein Bildnis viel mehr Wahrheit und Lebendigkeit, wenn wir es einem unbefangenen Augenblicke ablauschen, als wenn der Gegenstand sich gewissermaßen feierlich dazu anschickt, auf die Leinwand übertragen zu werden. Und am unglücklichsten pflegt es herauszukommen, wenn gar jemand mit der ängstlichen Mühe versucht, alle Falten und Fältchen seines Gesichts mühseligst zurechtzulegen, um den Ausdruck der Unbefangenheit recht methodisch hineinzuarbeiten, und zur Zugabe noch gar ein unbewußtes Lächeln um die Lippen herumzumeißeln, etwa wie man ein Kleid mit Blonden garniert.«

Freudig stimmten die Anwesenden in Bernhards Vorschlag ein, und es wurde ihm völlig freie Hand gelassen, alle Anordnungen nach seinem Wunsche zu treffen. Er machte nur noch die Bedingung, daß ihm niemand vorzeitig ins Blatt sehen dürfe, weil kein Künstler sich gern bei der Operation des Schaffens belauschen lasse, indem dabei seine Irrtümer und Fehler am deutlichsten ans Licht träten. Hierauf holte er sein Zeichengerät, setzte sich die Lichter in Ordnung, änderte noch einiges in der Art und Weise, wie er zu den übrigen saß, und ging sodann frisch ans Werk.

Die Unterhaltung der übrigen ging ungestört fort; Bernhard nahm sogar den ungezwungensten Anteil daran, wiewohl er im ganzen mehr hörte und nur einzelne Worte dazwischenwarf, um dieser oder jener Ansicht beizupflichten, sie durch eine Bemerkung zu unterstützen, oder einen scharfen Pfeil des Widerspruchs darauf abzuschnellen. Indessen drehte sich das Gespräch nur um allgemeinere Gegenstände, welche zwar eine gewisse Lebhaftigkeit der Teilnahme erweckten, aber doch keine leidenschaftliche Aufregung der Seele verursachten. Darum hatte Bernhard gleich anfangs gebeten, weil er bei eintretenden heftigen Bewegungen des Gemüts unmöglich in der ruhig begonnenen Weise hätte fortzeichnen können; mit großer Geschicklichkeit wußte er diesen Zustand zu erhalten und immer zur rechten Zeit dem Gespräch Zügel anzulegen oder den Sporn zu geben, je nachdem es zu stocken oder in zu lebhaften Fluß zu kommen drohte.

»Ich bin fertig«, rief er, nachdem etwa zwei Stunden vergangen waren, und sprang mit dem Blatt in der Hand auf. Neugierig drängten sich alle hinzu, um seine Arbeit zu betrachten. Er trat einige Schritte zurück und hielt das Blatt, neckend, mit der Rückseite der Gesellschaft entgegen. »Nur keine Spannung, nur keine Erwartung,« rief er; »es ist ein halb mißlungener Scherz, nichts weiter. Hätte ich Zeit, ihn morgen zu wiederholen, so würde ich das Blatt verbrennen, bevor irgend jemand es gesehen hätte; das beteuere ich hier bei meiner Künstlerehre, die ich soeben ein wenig an den Pranger zu stellen im Begriff bin.«

Jetzt drehte er das Blatt um; man sah zwei Zeichnungen darauf. Die erste stellte Lodoiska dar, die zweite Jaromir, beide im Brustbilde, nur leicht, aber geistvoll ausgeführt und sprechend ähnlich. Alles erfreute sich des gelungenen Werks und bewunderte die geniale Ausführung. Insbesondere war Jaromir vor Freude außer sich und rief beglückt aus: »Welch ein herrliches Geschenk, welche doppelte Überraschung! Wie soll ich dir diese Freude jemals danken! Nun kann ich das Bildnis der Geliebten mit mir nehmen und ihr das meinige lassen.«

Ludwig war der einzige, der die Zeichnungen mit sorgfältigerer Aufmerksamkeit betrachtete; nach einigen Augenblicken sprach er lächelnd: »Ich wußte in der Tat anfangs nicht, weshalb du die gotischen Rahmen um die Köpfe gezogen hattest; da ich dich aber kenne, so vermutete ich gleich eine Ursache und glaube, nunmehr sie gefunden zu haben. Der Einfall ist sehr gut, und ich glaube noch besser ausgeführt.«

»Ja, ja, du kennst meine Schliche,« entgegnete Bernhard, »und weißt, daß ich selten hundert Schritte geradeaus gehe. Irgendein Quer- oder Bockssprung aus dem geraden Wege ist mir einmal zum Bedürfnis geworden, denn der Eulenspiegel sitzt mir unabänderlich, seit meiner Geburt, im Nacken.«

Nach diesem Gespräch wurden die übrigen ungemein begierig, das Geheimnis zu entdecken. Sobald man einmal darauf aufmerksam wurde, war es sehr leicht. Bernhard hatte nämlich um jeden Kopf einen viereckigen, scheinbar altmodisch geschnörkelten Rahmen gezeichnet; jede Ecke desselben zeigte ein Gesicht, und zwar die äußerst wohlgetroffenen Bildnisse der Anwesenden. An den beiden obern Seiten waren Rasinski und seine Schwester, unten Ludwig und Boleslaw abgebildet. Überdies hatte er jedem Rahmen einen Knopf gegeben, in welchen sein eigenes Gesicht mit satirischem Ausdruck hineingezeichnet war, als ob es spöttisch auf sein Werk drunten herabsähe. Diese scherzhafte, aber doch sehr angenehme Zugabe zu dem Geschenk wurde mit dem lebhaftesten Beifall aufgenommen. Bernhard erhielt Lobsprüche von allen Seiten, und namentlich Jaromir äußerte seine Freude mit liebender Zutätigkeit. »Ein solches Bild,« rief er aus, »macht mich wahrhaft glücklich, ja es macht mir jetzt mehr Freude, als ob ich das schönste Gemälde von meiner Lodoiska besäße. Denn dieses kann ich ja immer bei mir tragen und mich an seinem Anblick erquicken. So treu ihr liebes Bild mich überall begleiten wird, es ist doch etwas anderes, wenn man es so wirklich mit den Augen sehen kann.«

»Ebenso gewiß,« erwiderte Bernhard, »als es noch etwas anderes und tausendmal Schöneres ist, wenn man die Geliebte selbst vor sich sieht. Nicht wahr?« Lodoiska senkte das schöne Auge ein wenig, da Bernhard sie bei diesen Worten anblickte; doch sie erhob es alsbald wieder und sah mit einem unbeschreiblichen Ausdruck der Liebe zu Jaromir hinauf, als wolle sie damit Bernhards Worte bestätigen.

Soviel Grund jeder einzelne in der Gesellschaft zur ernsten Stimmung hatte, so war doch durch dieses kleine Ereignis ein so angenehmes, heiteres Licht in die dunklere Färbung der Gemüter gefallen, daß man, wenn nicht fröhlich, doch sehr traulich und sanft-heiter gestimmt war.

So bewährte die Kunst also auch hier ihren schönen Beruf, in den rauhen Ernst des Lebens vermittelnd einzuschreiten und seine dunkeln, mühsamen Pfade zu erhellen und zu ebnen. O, nicht genug können wir es der Milde des Schöpfers danken, daß er eine schöne Gestalt aus seinem Himmel herabsendete, deren Beruf es ist, die scharfen Umrisse der Wirklichkeit durch eine sanfte Farbengebung zu verschmelzen und über den tobend herabstürzenden Gießbach der Leidenschaften den schimmernden Staubregenbogen zu breiten, der uns beweist, daß die Strahlen der göttlichen Sonne rein bis in die tiefste, schauerlichste Kluft der Erde hinabdringen.


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