Ludwig Rellstab
1812 – Ein historischer Roman
Ludwig Rellstab

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Drittes Kapitel.

»Das war Rettung aus dem Rachen des Löwen!« rief jetzt der Postillon. »Wir haben noch glücklich die Galerie erreicht.« Diese Worte erfüllten die von Entsetzen Erstarrten mit neuem Leben. »Wir sind nicht verschüttet?« rief Ludwig freudig. – »Die Lawine muß dicht hinter uns heruntergeschossen sein,« antwortete der Postillon, »denn die Eissplitter und der Schneestaub haben uns ja fast blind gemacht. Aber eine Achse oder gar alle zwei wird es gekostet haben, denn ich spüre wohl, daß wir etwas hart an die Felswand geraten sind. Es war aber auch kein Spaß, im vollen Galopp in das enge Loch einzufahren, und noch dazu im Finstern!«

Ludwig hörte die letzten Worte des Postillons nicht mehr, weil er fühlte, daß Bianka an ihm niedersank und er die Ohnmächtige in seinen Armen auffing. »Um des Himmels willen, Schwester,« rief er, indem er sie mit beklommener Seligkeit sanft an sich drückte; »Schwester, was ist dir?« – Sie antwortete nicht; überhaupt ließ sich kein Laut vernehmen. Ludwig bebte schaudernd zusammen. Hatte der entsetzenvolle Augenblick allen zugleich das Leben geraubt? Indem erhellten Funken das Dunkel. Es war der Postillon, welcher Feuer anschlug; bei dem zuckenden Lichtschimmer sah er, daß Bianka bleich, mit geschlossenen Augen und Lippen in seinen Armen lag, und auch die Pflegerin, wie es schien, bewußtlos auf den Sitz des Wagens zurückgesunken war. »Licht, Licht!« rief er hastig. – »Gleich, Signore!«

Die Laterne war angezündet und erhellte das düstere Felsgewölbe der Galerie mit einem trüben Schimmer. Der Postillon hob sich in die Höhe und fragte: »Es hat doch niemand Schaden genommen? Aber der Teufel, wo ist denn der Bediente?« Erst jetzt bemerkte Ludwig, daß dieser fehle; er mußte gestürzt sein. »Wir müssen ihn aufsuchen«, rief er, und ließ die teuere Last, die er in seinen Armen hielt, sanft auf den Sitz des Wagens nieder. Dann sprang er hinaus, um mit dem Postillon gemeinschaftlich den Verunglückten aufzusuchen. Dies war schnell geschehen, denn sie fanden ihn dicht am Eingange der Galerie besinnungslos auf dem felsigen Boden liegen. An der Stirn blutete er zwar ein wenig, doch war die Verletzung nicht bedeutend, auch schien er sonst nicht verwundet zu sein. Der Postillon wusch ihm mit einer Handvoll Schnee, den der Wind an den Seitenwänden der Galerie angetrieben hatte, die blutende Stirn, während Ludwig ihn aufzurichten und zu erwecken bemüht war. Der Alte fand die Besinnung schnell wieder. »Wo bin ich?« fragte er mehr erstaunt als erschöpft. Ludwig nahm sich nicht die Zeit, ihm zu antworten, sondern eilte, die Laterne in der Hand, zu Bianka zurück. Sie schien, sanft in den Wagen zurückgelehnt, nur leicht zu schlummern, so still und lieblich waren ihre Züge. Als ihr der Schimmer des Lichts, das Ludwig auf den Rücksitz des Wagens gestellt hatte, ins Auge fiel, öffnete sie es, schloß es aber, geblendet, ebenso rasch wieder und atmete tief auf. Ludwig ergriff ihre Hand und nannte leise, aber mit Innigkeit ihren Namen; sie schlug das Auge groß auf. Dann fragte sie fremd, noch halb in ihre Träume versunken: »Wer ruft mich denn?«

»Dein Bruder, Bianka«, sprach Ludwig tief gerührt.

»Bruder! Bruder!« rief sie noch bewußtlos ängstlich aus, neigte sich bebend vorwärts und lehnte sich sanft gegen Ludwigs Brust, der sie in seliger Überwältigung an sein Herz und einen leisen Kuß auf ihre Stirn drückte. Da fuhr sie, plötzlich erwachend, auf, sah ihn mit scheu staunenden Blicken an, und indem sie sich jungfräulich beschämt seinen Armen entwand, sprach sie: »Mein Gott! Die Betäubung – ich weiß nicht, was ich getan habe!« Indem fiel ihr Blick auf die Pflegerin, die noch besinnungslos mit zurückgesunkenem Haupt in der Ecke des Wagens saß. Ein Ausdruck des Schreckens überflog bei diesem Anblick ihre Züge; sie öffnete die Lippen zu einem Ausruf, aber er erstarb in einem gepreßten Seufzer. Da bewegte sich die Ohnmächtige und sprach einige fremdartige Worte aus. »Sie lebt! Sie lebt!« rief Bianka freudig und umschlang den Nacken der Zurückgesunkenen, indem sie sie liebend emporrichtete. »O meine Margarete, erkennst du mich?«

Ihre Umarmung war so innig, daß Ludwig ahnen mußte, es finde hier ein näheres Verhältnis als das zwischen Herrin und Dienerin statt. Doch bevor er sich einer bestimmten Mutmaßung bewußt wurde, richtete Bianka die ängstliche Frage an ihn: »Aber wo ist – um des Himmels willen –« Ludwig erriet, was sie wollte, und unterbrach sie durch die Nachricht, daß der Diener keinen Schaden genommen habe. Indem kam dieser mit dem Postillon heran. Bianka machte eine rasche Bewegung ihm entgegen; der Diener verbeugte sich mit Ehrfurcht und sprach ernst: »Ich freue mich, daß die gnädigste Herrschaft keinen Schaden genommen hat; auch ich bin der Gefahr noch glücklich genug entgangen.«

Man sah in Biankas Zügen, daß eine seltsame Bewegung in ihrem Innern vorging; sie schien auf das heftigste mit einem Wunsche zu kämpfen, den sie schwer bezwang. Der alte Diener war jedoch nicht sonderlich aufmerksam auf sie und meinte kurz abbrechend: »Jetzt müssen wir vor allen Dingen sehen, was der Wagen für Schaden genommen hat.« Dabei ergriff er die Laterne und leuchtete damit gegen die Achsen. Bianka sprach matt: »Ich kann mich noch gar nicht fassen, – ich weiß ja auch noch nicht, was uns begegnet ist, und wo wir jetzt sind.« Dabei neigte sie sich zärtlicher gegen die Brust ihrer Begleiterin, die jedoch ungleich kälter und gemessener gegen sie war, als ob sie sehr auf ihrer Hut sei, die Schranken des Standesverhältnisses vorwitzig zu überschreiten.

Ludwig erklärte in wenigen Worten, was vorgegangen war und wo man sich befinde. »Der Wagen ist nicht viel besser als in tausend Stücke zerschellt«, berichtete jetzt der Postillon, der gemeinschaftlich mit Paul, dem Diener, die Räder und Achsen untersuchte. »Die Herrschaft wird wohl ein wenig aussteigen müssen.«

Ludwig half den Frauen aus dem Wagen. »Wird uns der Unfall lange aufhalten?« fragte Bianka besorgt, indem sie zu den beiden Männern trat, die eben die Hinterachsen und Räder besahen.

»Je nun, Signora,« antwortete der Postillon, indem er die rote Mütze ehrerbietig abzog, »bis zum nächsten Posthause, vielleicht auch bis Brieg schleppen wir uns allenfalls hinunter; aber dort wird der Stellmacher wohl einen oder anderthalb Tage zu tun haben. Die rechte Vorderachse ist mitten voneinander geborsten und das Rad hält mit Not und Mühe noch die Speichen in der Nabe. Die Deichsel hat der Henker auch geholt; daß der Kasten schmählich zerfahren ist, will ich nicht einmal rechnen. Hinten geht's noch so leidlich, aber das rechte Rad hat auch gelitten.«

Bianka warf während dieses Berichts unruhige Blicke auf ihre Begleiterin und auf Paul. Der letztere fing endlich an: »Es wird sich noch machen lassen, gnädigste Gräfin; ich denke, wenn man Schmied und Rademacher gut bezahlt, so kommen wir mit einigen Stunden Aufenthalt davon. Freilich aber wäre jetzt keine Zeit zu verlieren.«

»Ja, mein Freund,« fing der Postillon an, »so können wir nicht vorwärts; ein paar junge Bäume müssen wir erst abschlagen: einen, um ihn unter die Achse, den andern, um ihn gegen die Deichsel zu binden. Es ist nur verwünscht, daß wir hier schwerlich passendes Holz finden, denn wenn ich mich jemals gut hier oben umgesehen habe, so wächst auf dieser Höhe noch kein Stamm, wie wir ihn brauchen; es ist nichts als krummes, verkrüppeltes Knieholz. Eine halbe Stunde weiter unten möchte es eher angehen.«

»So laß uns dahin,« erwiderte Paul; »denn vorwärts müssen wir, die Herrschaft hat große Eile.« Der Postillon stand unschlüssig. Ludwig glaubte, er wolle nach Art der Italiener erst sehen, wie hoch man ihm den außerordentlichen Dienst bezahlen werde, und versprach ihm daher eine ansehnliche Belohnung, wenn er den Wagen bald wieder instand setze. Doch der kleine Schwarzkopf mit dem Zigeunergesicht zog eine bedenkliche Miene und sprach: »Das ist freilich leicht gesagt, Monsignore, aber nicht leicht ausgeführt. Wenn um die jetzige Zeit erst die Lawinen zu stürzen anfangen, so ist man keine Viertelstunde sicher. Eine nach der andern setzt sich in Bewegung. Ja, wenn wir harten Frost hätten! Aber ich spüre Tauwetter, und da mag der Teufel trauen. Es könnte leicht sein, daß ihr hier lange vergeblich auf unsere Rückkehr wartetet. Bei Tage kann man sich eher vorsehen, auch hört gegen Morgen die Gefahr auf, denn was die Sonne am Tage locker geschmolzen hat, ist bis dahin heruntergestürzt, und sie muß dann erst neue Massen lostauen. Aber jetzt, bei Nacht, da ist das Ding nicht zu wagen!«

Ludwig ahnte, wie peinlich die Verzögerung der Reise für Bianka sein müsse, obwohl sie der dringendsten Gefahr bereits entronnen war. Er sprach daher entschlossen: »Ich begleite euch, wir wollen die Gefahr teilen.«

»Das wäre ganz gut, Monsignore,« antwortete der Postillon, ohne seine bedenkliche Miene zu ändern, »wenn wir's mit ein paar Galgenvögeln zu tun hätten, die am Wege hinterm Busch lauern. Aber die Lawine fragt nicht danach, ob wir zwei, oder drei, oder zwanzig sind. Sie macht reinen Tisch mit allen, die ihr in den Weg kommen!«

»So laßt's uns doch wenigstens versuchen, Freund«, sprach Ludwig, indem er die Laterne ergriff. »Ich will voran.« Bianka sah ihn mit einem dankbaren Blicke an, der ihn noch mehr in seinem Entschluß bestärkte. »Habt ihr ein Beil? « fragte er. – »Beil und Stricke liegen im Kasten unterm Bock«, erwiderte Paul, öffnete denselben und nahm das Beil heraus. »So komm, mein Freund, « sprach Ludwig fest zu dem Postillon; »der Bediente mag bei den Damen bleiben.« – »Nun so möge Sankt Borromäus uns beistehen«, rief der Postillon halb seufzend, halb verdrießlich.

Paul trat vor: »Wenn jemand gehen soll, Herr Graf, so bin ich es. Sie selbst bleiben dann zum Schutz der Damen zurück.« Bianka war unschlüssig, ob sie Ludwig bitten sollte, das Wagestück zu unterlassen. Doppelte, gleich mächtige, aber einander widerstreitende Pflichten und Gefühle kämpften in ihrer Seele. Seine Entschiedenheit ließ ihr keine Wahl. »Ich gehe selbst,« rief er mit freudigem Tone, »es bleibt, wie ich gesagt habe.« Mit diesen Worten ergriff er die Laterne und schritt vorwärts. Der Postillon folgte ihm. »Gott möge dich beschützen, mein Bruder«, rief ihm Bianka nach. Der Postillon nahm ihm jetzt, als des Weges kundiger, die Laterne aus der Hand. Kaum waren sie fünfzig Schritte gegangen, als er rief: »Santo Borromeo! Ich glaube, die Galerie ist gesperrt! Seht nur, Signore, der Ausgang ist ja ganz mit Schnee verrammelt. Die Lawine muß sich geteilt haben und von beiden Seiten der Galerie herabgestürzt sein. So sitzen wir wie die Maus in der Falle. Denn daß die Tür hinter uns zuschlug, haben wir, Gott sei's geklagt, nur zu deutlich gemerkt!«

Es war, wie der Postillon es sagte. Wenige Schritte vorwärts reichten hin, um Ludwig zu überzeugen, daß der Ausgang völlig verschüttet war. »Was fangen wir jetzt an?« fragte er, erschrocken, sich in der Höhle als Gefangener zu wissen. – »Was wir anfangen? Wir gehen zurück zu den Damen, denn hier können wir nicht heraus, bis wir herausgeholt werden«, erwiderte der Postillon. »Aber wird man uns befreien?« – »Pah! davor ist mir nicht bange. Sie müßten taub sein in Sempione und im nächsten Posthaus, wenn sie diese Lawine nicht gehört hätten. Und wenn ich morgen früh nicht mit meinen Pferden zurück bin, so suchen sie schon nach, wo ich stecke.«

Etwas beruhigt durch diese Antwort trat Ludwig den Rückweg zu den Damen an und berichtete ihnen, in welcher Lage man sich befinde. Bianka hörte ihn mit banger Seele an, doch mit ergebenem Gemüt richtete sie das Auge empor und sprach: »Wir müssen dulden, was Gott uns sendet; er selbst will jetzt unser Geschick entscheiden. Es sei denn – ich bin auf alles gefaßt!«

Der Postillon, der nichts Außerordentliches in dem Falle sah, wollte sie beruhigen. »Es hat keine Not, Signora, man wird uns schon herausholen, morgen mittag sind Sie frisch und gesund in Brieg, darauf verlassen Sie sich. Indessen wollen wir doch suchen, ein Zeichen zu geben. So viel Luft werden wir uns wohl durch den Schnee machen können, daß der Knall einer Muskete ins Freie fahren kann. Wenn sie uns im Posthause hören, das keine halbe Stunde mehr von hier entfernt ist, so läuten sie die Notglocken, und mit Tagesanbruch werden Leute genug hier sein, um uns herauszugraben. Denn höher als fünfzehn bis zwanzig Fuß bleibt der Schnee auf der schmalen Straße nicht liegen.«

Nach diesen Worten machte der muntere, gewandte Italiener sich gleich daran, um die Deichsel auszuheben, mit der er sich ein Luftloch durch den Schnee bohren wollte. Indem er aber damit beschäftigt war, hörte man einen fernen dumpfen Knall. Bianka fuhr zusammen. »Was bedeutet das?« fragte sie.

»Ihr werdet's gleich hören«, rief der Postillon und nahm die Stellung eines Aufhorchenden an. »Da habt ihr's! Sagt' ich's nicht? Es ist eine zweite Lawine.« Der Knall ließ sich verstärkt zwei-, dreimal rasch hintereinander hören, dann folgte ein lang anhaltendes schollerndes Getöse, wie wenn eine große Last von Steinen in den Abgrund rollte. Es kam immer näher; jetzt rasselte es dicht über den Häuptern der Lauschenden, als sollte die Decke der Galerie eingeschmettert werden. Bianka schmiegte sich ängstlich an Margareten an; auch die Männer verrieten Schrecken durch ihre erblassenden Wangen. Der Postillon aber lachte und rief: »Hier regnet's nicht durch!« – Das Getöse nahm nach und nach ab und verlor sich dann in ein dumpfes Sausen in der Tiefe, als ob ein ferner Strom wild über Felsentrümmer dahinbrause.

»Hab' ich nicht recht gehabt?« fragte der Postillon. »Wenn uns nicht zum Glück der Ausweg versperrt gewesen wäre, so möchten wir jetzt schwerlich den Eingang wiederfinden.« Bianka dankte Gott durch ein stummes Gebet, daß Ludwigs großmütiges Wagestück vereitelt worden war.

Indessen hatte der Postillon die Deichsel ausgehoben und band mit Pauls Hilfe ein Ortscheit gegen den Bruch derselben. Als sie auf diese Art hinlänglich instand gesetzt war, um damit den lockern Schnee zu durchbohren, machten sich beide auf, um an dem talwärts gerichteten Ende der Galerie eine Öffnung, ungefähr wie einen Schornstein, durchzuarbeiten. Ludwig und die Damen folgten ihnen, denn der Erfolg war zu wichtig für sie, als daß sie nicht die Arbeit fortwährend hätten beobachten sollen. Das Öffnen eines Luftloches geschah mittels einer trichterförmigen Bohrung, indem Paul und der Postillon die Deichsel fortwährend in kurzen Bogen umdrehten. Nach wenigen Minuten stürzte aus der erweiterten Öffnung eine große Last Schnee herab. »Aha!« rief der Postillon, »wir haben genug miniert, die Decke ist eingestürzt.« Zugleich beugte er sich unter das Loch und rief: »Wahrlich, der Mond scheint gerade zu dem Fenster herein. Wenn ich jetzt schießen will, muß ich ihn ordentlich aufs Korn nehmen.« Ludwig hatte die Büchse gleich mitgenommen und einstweilen geladen.

»Wir wollen noch ein paar starke Pfropfen aufsetzen,« meinte der Postillon, »damit es besser knallt«, und holte einige Stücke altes Papier aus der Tasche, die er fest zusammenkaute und mit dem Ladestock einstampfte. »So; jetzt aber,« sprach er, »muß ich ein wenig emporgehoben werden, damit ich mit der Mündung möglichst ins Freie lange, sonst hört man den Schuß nicht weit genug.« Ohne Umstände ließ er sich auf Pauls und Ludwigs Schultern heben und schoß nun sein Feuergewehr ab. Es gab einen im Gewölbe stark widerhallenden Knall, und deutlich hörte man, wie die Berge ihn fortpflanzten. »Bravo, Bravissimo!« rief der Postillon, sich selbst lobend. »Aber jetzt heißt's da capo, sonst versteht man's nicht.« Er lud und schoß aufs neue, und zum drittenmal. »So,« rief er, »nun hat's gute Wege, jetzt werden wir nicht vergessen werden. Damit aber die Luft hier etwas besser werde, wollen wir an der andern Seite auch ein wenig nachhelfen.« Er ging mit seiner Deichselstange nach dem andern Ende der Galerie und bohrte ein ähnliches Loch in den Schnee. Indessen nahmen die Frauen und Ludwig wieder im Wagen Platz, um in Geduld den Anbruch des Tages zu erwarten. Schon nach wenigen Minuten hörten sie den fernen Schall eines Glöckleins. Es war die Glocke, mit der von Posthaus zu Posthaus das Zeichen gegeben wird, daß jemand auf der Straße in Not ist. So war denn ihre Rettung gesichert, und sie hätten ruhig die Stunde derselben erwarten dürfen, wenn nicht durch die Verzögerung die Gefahren welche den Reisenden drohten, gleich der steigenden Flut des Meeres immer mächtiger angewachsen wären. Noch zweimal ließ sich der Donner stürzender Lawinen, doch in größerer Ferne, vernehmen und mischte so die Schauer zerstörender Naturereignisse in die bangen Empfindungen, welche Biankas Brust erfüllten. Für Ludwig war jede Minute des längern Verweilens an der Seite der Geliebten in diesem vertraulich dunkeln Zufluchtsort ein köstlicher Gewinn. So ungleich wägt das Schicksal seine Gaben in derselben Schale zu!


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