Ludwig Rellstab
1812 – Ein historischer Roman
Ludwig Rellstab

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Fünftes Kapitel.

Um den leichten Schreck zu verwischen, schlug Benno vor, die alte Burg genauer zu besichtigen, was, zumal da er sich zum Führer erbot, dankbar angenommen wurde. Nachher unterhielt man sich mit allerlei geselligen Spielen, schoß mit der Armbrust, warf Reifen und schlug Federball, in welchem letztern Spiele Lodoiska sich ganz besonders geschickt und anmutig zeigte. Die Sonne senkte sich schon gegen die Berge hin, ihre Strahlen gewannen schon die leichtrötliche Färbung, durch welche die Landschaften in der spätern Nachmittagszeit in einer so warmen Beleuchtung erscheinen. Nicht ganz mit Unrecht fürchtete man für die Rückfahrt jene schnelle Abkühlung, welche in Gebirgstälern stattfindet, – sobald die Berge sie erst ganz mit ihren Schatten bedecken. Der Wunsch aufzubrechen wurde daher vielfach ausgesprochen, wiewohl man sich ungern gerade in der schönsten Zeit von dem romantischen Punkte trennte, wo man die Nachmittagsstundcn so angenehm zugebracht hatte. Auch wendete Arnheim ein, daß nichts reizender sein werde, als in der Zeit, wo der Purpur des Abends sich mit dem Silberlichte des Mondes mische, ohne Ruderschlag auf den Wellen des Stromes hinunterzutreiben. Es erhoben sich daher mehrere Stimmen gegen die beschleunigte Abfahrt, und endlich kam man dahin überein, daß man sich teilen wolle. Wer die Abendkühle fürchtete, sollte auf der ersten Gondel sogleich zurückfahren, die übrigen wollten eine Stunde später folgen; alle jedoch waren der Meinung, daß man zusammen das Abendessen einnehmen müsse. Nach dieser gütlichen Ausgleichung der verschiedenen Ansichten wanderte die größere Hälfte der Gesellschaft den Berg hinunter; die andere, zu welcher das Königspaar, Marie, Lodoiska, der Rittmeister, Benno und einige andere gehörten, entschlossen sich auf des letztern Vorschlag, einen Spaziergang höher an die Berge hinaufzumachen, von dem man sich noch manchen überraschenden Blick in das Tal versprach. Ein Fußpfad, welcher kaum für zwei Raum hatte, führte in schlängelnden Windungen bergansteigend durch die Waldung.

Der Weg hatte etwas ungemein Reizendes; versteckt, sich gleichsam heimlich durch den Wald schleichend, zog er sich unvermerkt höher und höher gegen den Gipfel hinan. Zwischen dem Gitter des bewegten Laubes hindurch sah man nach oben den Himmel schimmern, unten den blinkenden Strom glänzen. Weitere Öffnungen des Gebüsches überraschten durch schöne Blicke in das Tal, die mit jeder Wendung des Pfades wechselten. Allmählich wurde es immer einsamer und stiller, der Pfad verschwand fast in dem hoch emporschießenden Grase, die Laubwaldung hörte auf, und die tiefern Schatten eines dunkeln Tannenwaldes nahmen die Wanderer auf. Jetzt hatte man in der Tat die Wildnis des Gebirges erreicht. Einen Pfad gab es nicht mehr, aber man ging weich auf der Moosdecke, welche den Boden überspann, dahin, und die Luft war erfüllt mit dem balsamischen Geruch kräftiger Kräuter. Die volle Gebirgserdbeere wuchs hier im reichen Maße und ließ die dunkelrote Frucht aus der Blätterhülle hervorschimmern; einzelne hohe Büsche von Farnkräutern schossen neben den zerstreuten Felsblöcken auf, unter denen das Quellwasser hervorrieselte. Ein hohes Wehen und Rauschen zog durch die Gipfel der Tannen; die ganze Natur blickte den Menschen hier mit einfach erhabenen Zügen an. Benno, welcher der Gegend aufs genaueste kundig war, schlug mit Sicherheit eine von der bisherigen abweichende Richtung ein, um zu einem hohen malerischen Felsblock zu gelangen, dessen gewaltige Masse hier oben auf einer freien Grasebene gelagert war. Schon sah man ihn in der Entfernung von wenigen hundert Schritten liegen; er glich fast einem ungeheuern Sarkophag, dessen eine obere Ecke jedoch, weit vorspringend, sich kühn über die Grundfläche hinausstreckte. Auf der Spitze derselben schwankte eine junge Tanne, die ihre zähen Wurzeln um den Stein geklammert hatte. Unsere Wanderer glaubten sich ganz einsam auf dieser Höhe, als ihnen zu ihrer Verwunderung ein weißes Windspiel entgegensprang, sie anfangs von weitem anbellte, dann aber sich zutraulich näherte und Lodoiskas Liebkosungen durch ein freundliches Anspringen und ein schmeichelndes Hinaufdrücken des Kopfes gegen ihren Schoß erwiderte.

Munter vorausspringend verschwand das leichtfüßige Tier hinter dem Felsblock. »Vermutlich rastet dort ein Jägersmann,« sprach Benno, »denn hier oben gibt es für den Jagdlustigen oft eine reiche Ausbeute.«

Man war indessen ganz nahe an den Felsen gekommen und ging, um zu sehen, ob man wirklich nicht allein sei, um denselben herum». Auf der andern Seite fand man, wie Benno richtig vermutet hatte, zwei Herren in Jagdkleidung, die jedoch, von der Arbeit des Tages ermüdet, im festen Schlafe lagen und weder durch das Gebell des Windhundes noch durch die Annäherung der Gesellschaft daraus erwachten. »Es müssen Badegäste sein,« sprach Benno leise, »denn ich habe sie schon gestern in Teplitz gesehen. Sie wohnen vermutlich im Goldenen Löwen, denn dort gingen sie nach der Morgenpromenade hinein, und ich sah sie, obwohl ich über eine Stunde in dem Hause gegenüber verweilte, nicht wieder herauskommen.«

Indem fiel in der Nähe ein Schuß; das Windspiel schlug laut an, die Jäger fuhren aus dem Schlafe empor. Sie schienen sehr erstaunt, eine so zahlreiche Gesellschaft von Herren und Damen in ihrer Nähe zu sehen; rasch sprangen sie daher auf und begrüßten die Angekommenen, indem sie sich zugleich wegen der Lage, in der man sie getroffen, entschuldigten. Es waren Franzosen. Als große Liebhaber der Jagd hatten sie die Einladung eines böhmischen Edelmanns, dessen Bekanntschaft sie auf der Reise von Prag nach Teplitz gemacht hatten, auf seinem Territorium zu jagen, mit Freuden angenommen, waren aber von ihm abgekommen und ruhten hier oben aus, um Kräfte zur Fortsetzung ihres Vergnügens zu sammeln. Der eben gefallene Schuß mußte von ihrem Freunde herrühren, denn man erblickte bald darauf seinen schönen Hühnerhund. Es dauerte auch nicht lange, so sah man ihn unter den Bäumen hervortreten und gerade auf die Gesellschaft zuschreiten. Es war der Baron Sedlazek, ein reicher Gutsbesitzer der Umgegend, den Erlhofen, Arnheim und Benno sehr wohl kannten. Man begrüßte einander mit der erhöhten Teilnahme, welche ein Begegnen am ganz unvermuteten Orte erzeugt, und der Baron bat um Erlaubnis, sich mit seinen beiden Freunden, die er als die Herren von St.-Luces und Beaucaire vorstellte, der Gesellschaft anschließen zu dürfen, was natürlich höflich angenommen wurde. Marie hatte währenddessen zufällig entfernt gestanden und daher die Namen der Ankömmlinge nicht gehört; sonst würde sie freilich aufs heftigste erschrocken sein, da sie wußte, wie nahe sie mit dem Schicksal ihres Bruders zusammenhingen. Von Ansehen kannte sie keinen derselben.

Man trat jetzt gemeinschaftlich den Rückweg nach dem Schlosse an. Die beiden Fremden wußten sich mit französischer Gewandtheit und Galanterie den Damen zu nähern und waren bald so bekannt mit ihnen, als wären sie die ältesten Freunde. Da man sich im Hinabgehen vereinzeln mußte, hielt der ältere der Fremden, St.-Luces, den Rittmeister ein wenig zurück und fragte ihn mit der gewöhnlichen geselligen Neugier nach Stand und Namender Anwesenden. Auch Beaucaire drängte sich zu hören heran. Die Namen Erlhofen, Benno, selbst die der Gräfin und Lodoiskas schienen sie ziemlich gleichgültig zu lassen; als aber Arnheim Marien nannte, fiel der ältere Fremde ihm überrascht in die Rede: »Wie? Rosen? Aus Dresden? Haben Sie gehört, Beaucaire?«– »Allerdings«, erwiderte dieser mit einer Miene, deren seltsamer Ausdruck dem Rittmeister auffiel. »Kennen Sie die junge Dame?« fragte er erstaunt.–»Ein wenig, verehrtester Freund,« erwiderte St.-Luces, »ein wenig. Ich habe sie in Dresden, wo ich mich vor einigen Monaten aufhielt, mehrmals im Theater gesehen, und, da mir ihr angenehmes Äußere auffiel, sie mir nennen lassen. Dies ist unsere ganze Bekanntschaft.« Dabei warf er jedoch so seltsame Blicke zu Beaucaire hinüber, daß der Rittmeister wohl merkte, es müsse hier eine andere Beziehung obwalten, die seine Neugier nicht wenig spannte. Denn er mochte sich's gestanden haben oder nicht, er hatte eine lebhafte Neigung für Marien gefaßt, und diese unvermutete Bekanntschaft, welche St.-Luces mit ihrem Namen zeigte, regte allerlei eifersüchtigen Verdacht in ihm auf.

»Sagen Sie mir doch,« fuhr dieser indessen fort, »ist diese junge Dame allein oder mit ihren Verwandten hier?« – »Soviel ich weiß nur mit ihrer Mutter,« entgegnete Arnheim, »welche jedoch ihrer Kränklichkeit wegen zu Hause geblieben ist.«

»Also ihr Bruder ist nicht mit hier?«

»Ihr Bruder? Ich weiß von keinem. Es ist indessen nicht unmöglich, daß er hier gewesen, ist oder erwartet wird; da ich erst seit einigen Tagen die Ehre habe, das Fräulein zu kennen, so kann ich über ihre nähern Familienverhältnisse durchaus keine Auskunft geben.«

»Also dürfte man den Bruder noch erwarten?« fragte St.-Luces mit einem Eifer, welcher zeigte, daß ihm daran gelegen war.

»Darüber würde die Dame Ihnen wohl selbst am besten Auskunft geben können«, erwiderte der Rittmeister, dem das gegenseitige Anblicken beider Fremden, ihre bedeutenden Augenwinke immer auffallender und unangenehmer wurden. Sie fragten indes nicht weiter, und Arnheim suchte sich von ihnen loszumachen, was ihm um so leichter wurde, da beide ziemlich weit zurückblieben und leise, aber emsig miteinander sprachen. Um so angelegentlicher bestrebte er sich dagegen Marien zur Seite zu kommen, um ihr zu sagen, daß sie von jenen Fremden gekannt sei, und womöglich zu erfahren, wie es mit jener Bekanntschaft die von ihrer Seite durchaus nicht geltend gemacht worden war, zusammenhängen möge. Bei einer Wendung des Pfades gelang es ihm, durch einen kecken Sprung den Abhang hinunter die vor ihm Gehenden abzuschneiden und Mariens Nachbar zu werden. »Sie sind die einzige Dame der Gesellschaft,« sprach er, nachdem einige unbedeutende Worte hin und wieder gewechselt waren, »welche den beiden Fremden nicht unbekannt ist. Sie behaupten schon in Dresden das Glück gehabt zu haben–« – »Daß ich nicht wüßte,« entgegnete Marie ein wenig schnell; »sie scheinen mir französische Offiziere zu sein, mit denen ich durchaus nicht in Bekanntschaft gestanden habe.« – »Vielleicht in keiner nähern,« antwortete Arnheim; »doch war dem ältern Herrn Ihr Name bekannt, und er versichert, Sie öfters im Theater gesehen zu haben.«

»Unmöglich,« entgegnete Marie, »ich bin seit länger als einem Jahre nicht im Theater gewesen, und niemals, wenn französische Garnison in Dresden stand.« Ihre Antwort war so lebhaft, daß Arnheim ihr mißfällig gewesen zu sein fürchtete; und in der Tat fühlte sich Marie auch fast beleidigt, da sie bei ihrem tiefgewurzelten Haß gegen die Feinde ihres Vaterlandes es fast für einen Frevel gehalten haben würde, mit französischen Offizieren Umgang gehabt zu haben, selbst wenn sich in jener Zeit nicht so leicht eine üble Nachrede an Bekanntschaften dieser Art geknüpft hätte. »Ich darf beteuern,« sprach Arnheim, »daß ich nur wiederhole, was mir die Herren selbst gesagt haben.«

»Ich glaube Ihnen das sehr gern,« entgegnete Marie milder, weil sie glaubte, Arnheim fühle sich verletzt; »aber Sie wissen, es liegt in der Art der Franzosen, überall gewissenlos zu verfahren, selbst mit dem Rufe eines Mädchens. Die Bekanntschaft dieser Herren mit mir ist möglich, wenn sie mich auf der Straße oder beim Spaziergange gesehen haben; sie besteht aber, ich versichere es Ihnen nochmals, nur von ihrer Seite.«

Arnheim, dem es lieb war, daß keine seiner Vermutungen sich bestätigte, brach das Gespräch ab, welches Marien so sichtlich verletzte. Und so war von den beiden Fremden weiter nicht mehr die Rede.

Der Weg abwärts ließ sich rascher zurücklegen als aufwärts; man erreichte denn auch bald den Schreckenstein wieder, wo man noch eine kurze Zeit verweilte und dann, als die untergehende Sonne eben den hellen Himmel mit rosigem Duft überhauchte, und der bleiche Vollmond gegenüber im lichten Äther schwebte, die Gondel wieder bestieg, um auf den Wellen des schönen Stromes bis an das Städtchen hinunterzutreiben. Die Gesellschaft überließ sich dem Genuß der Wasserfahrt und des in der Tat entzückenden Abends. Die gefürchtete Kühle war nicht eingetreten, sondern nur laue Lüfte kräuselten die Wellen. Die Häupter der Berge waren auf der einen Seite von purpurnem Dämmerschein umflossen, auf der andern zog sich das flüssige Nebelsilber des Mondlichts duftend um die schwarzen Gipfel. Die Elbe spiegelte Himmel und Ufer in sanft wallenden Linien klar zurück; aus dem Wasser herauf stieg ein kühler, erfrischender Hauch. Man saß still, fast ohne zu sprechen, in dem selig beruhigenden, alle wehmütigen Gefühle des Herzens erweckenden Genuß verloren. Da erklangen unvermutet die leise angeregten Akkorde einer Gitarre.

Alles horchte auf. Ein eigentümliches Gefühl ergriff die Brust bei diesen Klängen, die so sehr an italienische Sitte mahnten; denn wer hätte nicht, sei es durch Schilderungen oder durch eigene Erfahrung, schon jene südlichen Empfindungen gekannt, die durch die schaukelnde Barke und das Lied des Gondeliers in uns erweckt werden. Es war, als ziehe der Strom mit seinen Ufergebirgen plötzlich unter einem italienischen Himmel dahin, als sei es die Welle der Brenta oder des Po, von der man sich geschaukelt fühle. Der schöne, blondgelockte Benno war es, der die Saiten gerührt hatte, um eine Ballade vorzutragen, welche er auf eine Sage von dem Schreckenstein gedichtet hatte. Die Schiffer saßen lauschend am Steuer und richteten die Blicke auf den Sänger; die übrigen Hörer winkten, erfreut durch die Überraschung, einander mit den Augen Stille zu. Man hörte jetzt nichts als das leise Flüstern der Wellen an dem Kiel des Schiffes. Der Mond warf seine Strahlen auf Bennos Angesicht, der, einem begeisterten Improvisator gleichend, das große blaue Auge gegen das Licht aufschlug und dann mit wohlklingender Stimme die in Verse gebrachte Sage vortrug, wonach ein tyrannischer Vater den Geliebten seiner Tochter, als dieser bei Nacht den steilen Fels hinaufklimmte, tückisch lauernd in den Abgrund gestürzt haben soll. Die Geliebte in ihrem Schmerz stürzt sich nach in den Strom, und die ewig fortziehenden Wellen desselben bilden die Gruft des liebenden Paares und kühlen die Glut ihrer Schmerzen. Benno sang mit sanfter, angenehmer Stimme und tief empfundenem Ausdruck.

Am Schluß des Liedes saß alles, wie zuvor, in tiefem Schweigen. Wen hätte die traurige Mär nicht erschüttert? Wer hätte nicht in der eigenen Brust Anklänge gefunden für die heiligen Gefühle der Unglücklichen? Selbst St.-Luces und Beaucaire hatten so viel geselligen Takt, die Stille nicht sogleich zu unterbrechen, obwohl sie neugierig auf den Inhalt des Gesanges, dessen Worte sie nicht verstanden hatten, waren.

Indessen war man nahe an der Stadt, und das lebhaftere Treiben am Ufer sowie einige kreuzende Nachen mit Lustfahrenden aus dem Städtchen unterbrachen die heimliche Ruhe, welche bisher in der Landschaft geherrscht hatte. Nach und nach entfesselte sich nun auch die so lange verstummt gebliebene Rede wieder, und man kam in lebhaftem Gespräch am Landungsplätze an. Dort hatte sich der Teil der Gesellschaft, welcher vorangeschifft war, versammelt und empfing die Ankommenden mit freudiger Begrüßung. In ungeordnetem, fröhlichem Durcheinanderschwirren begab man sich in den Gasthof, wo der hell mit Kerzen erleuchtete Saal die Gesellschaft wieder aufnahm und den angenehmen Anblick einer mit Früchten, kalten Speisen und Wein wohlbesetzten Tafel darbot, an welcher man sich vor der Rückfahrt noch einmal gesellig sammelte und durch Scherz und belebtes Gespräch den heitern Tag beschloß. Endlich, als es fast Mitternacht war, mußte man sich doch trennen und zur Heimkehr anschicken. Erlhofen konnte die Gelegenheit zu einer wohlgesetzten Rede nicht ungenutzt verstreichen lassen. Er erhob sich auf seinem Platze, füllte sein Glas und sprach: »Nach einer kurzen, aber, so hoffe ich, rühmlichern Regierung, als je ein zeptertragender König geführt – denn während meiner Herrschaft wurde keine Minute anders als zur Beglückung meiner Untertanen verwendet –, nach einer solchen kurzen Titusthronverwaltung nehme ich die mir anvertraute Krone wieder vom Haupte und lege das Zepter dabei nieder. Kein Aufruhr hat mich gestürzt, nicht die Hand des Todes raffte mich hinweg; aber mein Reich verschwindet noch spurloser von der Erde als das des Königs Priamus; denn meine Untertanen zerstreuen sich, nur einem unwiderruflichen Spruch des Schicksals gehorchend, weithin in alle Welt. Der mit einem Zepter verlängerte Arm streckt sich gigantisch über weite Länderstrecken und Millionen Bewohner derselben, schützend und strafend aus; man raube ihm die zwei Fuß Herrscherstab, und er verkürzt sich um zwanzigmal soviel Meilen, er schrumpft ein zu einem liliputanischen Stumpf, der froh ist, wenn er sich eine Fliege von der Nase jagen kann. Wie schmerzlich empfinde ich's daher, teuere Freunde und Untertanen, daß ich jetzo gleich diese entsetzliche Amputation werde erdulden müssen! Noch bin ich euer Gebieter, noch halte ich euch mit dem Bande unsers Freudengesetzes zusammen; wenige Körner Sandes verrinnen, und das Band ist gesprengt, und ihr fahret auseinander, oder vielmehr zusammen, nach Hause, versteht sich. Jetzt erst beginnen die mühseligen und gefahrvollen Wege, und jetzt gerade überläßt der Abfall euers Herrschers euch dem Zufall, der so leicht zum Falle werden kann auf der holperigen Straße nach Teplitz. Nun denn, meine Untertanen, fahret hin! – aber fahret wohl!« Damit leerte er sein Glas, bot der Monarchin den Arm und führte sie hinab an den Wagen. Wie zuvor stieg man nach geordneten Paaren ein, und eins nach dem andern rollte in der schönen Mondnacht dahin, die ihren sanft verhüllenden Schleier über Täler und Gebirge warf.

Der Tag der Freude war verrauscht, die herzliche Lust verklungen. Nur ein leises Echo bebte noch in mancher Brust nach und erfüllte sie mit süß weh- mütigen Empfindungen.


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