Cicero
Vom Redner
Cicero

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XLVI. Wie? An den Bäumen, an denen der Stamm, die Aeste, die Blätter endlich nur die Bestimmung haben ihren natürlichen Zustand zu erhalten und zu bewahren, ist doch nirgends ein Theil, der nicht schön wäre. Verlassen wir die Natur und betrachten wir die Künste! 180. Was ist an einem Schiffe so nothwendig als der Bord, der hohle Schiffsraum, das Vordertheil, das Hintertheil, die Segelstangen, die Segel, die Mastbäume? Und doch haben diese Dinge auch für das äußere Ansehen eine solche Schönheit, daß sie nicht bloß zur Sicherheit, sondern auch zum Vergnügen erfunden zu sein scheinen. Säulen tragen Tempel und Hallen; und doch ist ihr Nutzen nicht größer als ihr erhabener Anblick. Jenen herrlichen Giebel des Capitols und der anderen Tempel hat nicht Schönheit, sondern die Noth selbst gebaut. Denn man war nur darauf bedacht gewesen, wie das Wasser von beiden Seiten des Daches abfließen könnte; aber von der für den Tempel nützlichen Einrichtung war die Schönheit des Giebels die Folge, ohne den, wie es scheint, das Capitolium, auch wenn es im Himmel ausgestellt würde, wo kein Regen fällt, kein würdiges Ansehen haben würde. 181. Auf gleiche Weise ist es bei allen Theilen der Rede der Fall, daß mit dem Nutzen und ich möchte beinahe sagen mit der Nothwendigkeit die Lieblichkeit und Anmuth in unmittelbarer Verbindung steht. Denn die Schlußpunkte und Satztheilzeichen sind durch die Beschränkung des Athems und durch die Beengung des Atemholens veranlaßt worden; aber diese Erfindung ist so angenehm, daß, wenn auch Einem ein unendlich langer Athem gegeben wäre, wir dennoch nicht wünschen würden, daß er die Worte in ununterbrochener Folge fortlaufen ließe. Denn auch unseren Ohren gefällt, was zu dem Zwecke erfanden ist, daß das Reden der Lunge des Menschen nicht allein erträglich, sondern auch leicht sein könnte.


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