Cicero
Vom Redner
Cicero

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XLVIII. Da sehe und fühleMit Unrecht hat Ellendt die Worte: atque sentio als unächt eingeklammert. ich mich, erwiderte Antonius, ganz und gar betroffen, nicht allein weil man Dinge von mir verlangt, deren ich unkundig und ungewohnt bin, sondern auch weil unsere jungen Freunde mir jetzt nicht das zu vermeiden gestatten, wovor ich mich bei den gerichtlichen Verhandlungen so sehr zu hüten pflege, dein Nachfolger, Crassus, im Reden zu sein. 208. Doch ich will um so dreister auf euer Verlangen eingehen, weil es, wie ich hoffe, bei der gegenwärtigen Unterredung ebenso der Fall sein wird, wie es bei meiner öffentlichen Rede zu sein pflegt, daß man keinen geschmückten Vortrag von mir erwartet. Ich gedenke ja nicht von der Kunst zu reden, die ich nie erlernt habe, sondern von meiner Gewohnheit, wie denn auch das, was ich in meinen Leitfaden aufgenommen habe, von derselben Art ist, nicht durch gelehrten Unterricht mir mitgetheilt, sondern beruhend auf Erfahrung und wirklichen Rechtshandlungen. Findet dieses nun bei euch, so gelehrten Männern, keine Billigung, so müßt ihr euere eigene Unbilligkeit entschuldigen, da ihr mich um Dinge befragt, die ich nicht weiß, und meine Nachgiebigkeit loben, wenn ich euch nicht aus eigenem Entschlusse, sondern auf euer Verlangen ohne viele Umstände Rede stehe. – 209. Hierauf sagte Crassus: Fahre nur fort, lieber Antonius. Denn es hat keine Gefahr damit, du möchtest Etwas anders vortragen, als höchst einsichtsvoll, und so wird es Niemand von uns bereuen dich zu dieser Erörterung aufgefordert zu haben. – Nun gut, erwiderte er, so will ich denn fortfahren und das thun, was meines Erachtens bei allen wissenschaftlichen Untersuchungen zu Anfang geschehen muß. Vor Allem nämlich möge der Gegenstand der Untersuchung klar und deutlich dargelegt werden, damit der Vortrag nicht unsicher umherzuschweifen und auf Abwege zu gerathen genöthigt werde, wenn die, bei denen eine Meinungsverschiedenheit obwaltet, nicht ein und dasselbe unter dem Gegenstande, von dem gesprochen wird, verstehen. 210. Würde etwa zum Beispiel die Frage aufgeworfen: Was ist die Kunst des Heerführers? so müßte man nach meiner Ansicht zuerst festsetzen, was ein Heerführer sei. Wäre nun festgesetzt, er sei ein Mann, der mit der Verwaltung eines Krieges betraut sei; so würde ich hierauf eine Erklärung hinzufügen von dem Heere, dem Feldlager, den Marschzügen, der Lieferung von Schlachten, der Bestürmung der Städte, der Zufuhr, der Anwendung und Vermeidung des Hinterhalts und den übrigen Dingen, die zur Verwaltung des Krieges gehören. Wer die Kenntniß von diesen Gegenständen in seinen Geist und seine Wissenschaft aufgenommen hat, den würde ich für einen Heerführer erklären und als Beispiele Männer, wie die beiden AfrikanerDer ältere und der jüngere Scipio Africanus; über jenen s. zu Kap. 9. und über diesen zu II, Kap. 37. und MaximusFabius Maximus, mit dem Beinamen Cunctator, der berühmte Heerführer der Römer und Dictator im zweiten Punischen Kriege (222 und 218 v. Chr.)., anführen; den Epaminondas und Hannibal und andere Männer der Art würde ich namhaft machen. 211. Beträfe aber unsere Frage den Begriff von einem Manne, der auf die Verwaltung des Staates seine Erfahrung, seine Wissenschaft und seinen Fleiß verwendet; so würde ich folgende Erklärung geben: Wer die Mittel kennt, durch die das Beste des Staates gewonnen und vermehrt wird, und dieselben anwendet; der muß als Denker des Staates und Stimmführer im öffentlichen Rathe betrachtet werden, und rühmend würde ich anführen den Publius LentulusPublius Lentulus war im J. 161 v. Chr. mit Gnäus Consul., jenen Ersten im Senate, Tiberius GracchusS. zu Kap. 9. Anm. 96., den Vater, Quintus MetellusQuintus Metellus Macedonicus, der als Prätor im J. 147 v. Chr. den Andriscus oder Pseudophilippus besiegte; im J. 142 war er mit Appius Claudius Pulcher Consul. Als Redner und Staatsmann zeichnete er sich aus., Publius AfricanusDer jüngere Scipio Africanus ist hier gemeint. S. Anm. 2., Gajus LäliusS. zu Kap. 9. und unzählige Andere sowol aus unserem als aus anderen Staaten. 212. Wäre aber die Frage, wer in Wahrheit ein Rechtsgelehrter genannt werden könne; so würde ich denjenigen dafür erklären, welcher der Gesetze und des unter Privatpersonen im Staate üblichen Herkommens kundig ist, um Rechtsbescheide zu geben, gesetzmäßige Anklagen zu erheben und Rath gegen die Ränke der Widersacher zu ertheilen, und aus dieser Klasse würde ich den Sextus AeliusS. zu Kap. 45., Manius ManiliusM. Manilius, im J. 148 v. Chr. Consul, ein ausgezeichneter Redner und Rechtsgelehrter., Publius MuciusS. zu Kap. 37. kennen.


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