Cicero
Vom Redner
Cicero

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LIX. 238. Diese Mäßigung muß man nun zuerst beim Scherzen anwenden. Darum kann man sich am leichtesten über solche Dinge zu scherzen erlauben, welche weder großen Haß noch sehr großes Mitleid verdienen. Aus diesem Grunde liegt der ganze Stoff des Lächerlichen in den Fehlern, welche sich im Leben von Menschen zeigen, die weder geachtet noch unglücklich sind noch auch wegen ihrer Handlungen die Todesstrafe zu verdienen scheinen, und eine feine Verspottung solcher Fehler ist geeignet Lachen zu erregen. 239. Einen recht hübschen Stoff zum Scherzen bieten auch Mißgestalt und körperliche Gebrechen; aber wir stellen hier dieselbe Frage auf, die man auch in allen anderen Dingen vorzüglich aufstellen muß: »In wie weit?« Hierbei wird nicht nur die Vorschrift gegeben, daß man nichts Abgeschmacktes sage, sondern der Redner muß auch, selbst wenn er etwas sehr Scherzhaftes vorbringen kann, Beides vermeiden, daß der Scherz nicht in Possenreißerei oder in das niedrig Komische ausarte. Wie dieß zu verstehen sei, werden wir bald leichter einsehen, wenn wir zu den Arten des Lächerlichen selbst kommen. 240. Es gibt zwei Arten des Witzigen, von denen die eine sich mit der Sache, die andere mit dem Worte beschäftigt. Mit der Sache, wenn man Etwas als eine Anekdote erzählt, wie du einst, Crassus, von dem MemmiusGajus Memmius, im Jahre 111 v. Chr. Volkstribun, war ein hämischer Ankläger, ein mittelmäßiger, aber beißender Redner, sowie auch ein beißender Liebhaber. S. Cicer. Brut. 36, 136. und de Orat. II. 70, 283. Günstiger urtheilt über ihn Sallustius Iug. 27 und 30. Er wurde vom Volkstribunen Saturninus ermordet. – Der hier genannte Largius ist unbekannt. – Tarracina war eine Stadt in Latium, früher Anxur genannt., er habe dem Largius ein Stück aus dem Arme gebissen, als er sich mit ihm zu Tarracina um ein Mädchen gezankt hatte. Die Erzählung war schneidender Spott, aber ganz von dir selbst erdichtet. Zum Schlusse fügtest du hinzu, in ganz Tarracina hätten damals an allen Wänden die Buchstaben L. L. L. M. M. geschrieben gestanden. Auf deine Frage, was das bedeuten solle, habe dir ein alter Mann aus der Stadt gesagt: »Largius Linke letzt Memmius MaulgierIm Originale steht: lacerat lacertum Largi mordax Memmius, d. h. es zerfleischt den Arm des Largius der beißige Memmius. Um in der Uebertragung die Anfangsbuchstaben der angegebenen Worte festzuhalten, mußte ich etwas freier übersetzen, indem ich lacerat durch letzt, d. i. verletzt, lacertum durch Linke, mordax durch Maulgier wiedergab.241. Ihr seht, wie witzig, wie artig, wie rednerisch diese Art des Lächerlichen ist, mag man nun eine wahre Geschichte erzählen können, die man jedoch mit kleinen erdichteten Zügen versetzen muß, oder mag man Etwas erdichten. Eine vorzügliche Eigenschaft in dieser Art des Witzes besteht darin, daß man das Geschehene so veranschaulicht, daß die Sitten dessen, von dem man erzählt, seine Sprache, alle seine Mienen ausgedrückt werden, so daß die Zuhörer meinen, die Sache geschehe und ereigne sich eben jetzt vor ihren Augen. 242. In der Sache liegt auch das Lächerliche, was man von einer spaßhaften Nachahmung zu entlehnen pflegt, wie gleichfalls Crassus that, als er sagte: »Bei deinem Adel, bei euerer Familie!«Diese und die folgenden Worte sind aus einer Rede des Crassus gegen seinen Amtsgenossen Gajus Domitius, der aus einem vornehmen Geschlechte stammte, von dem er wahrscheinlich nichts Anderes als Eitelkeit und andere lächerliche Fehler geerbt hatte. Wie wir aus dem Folgenden sehen, scheint Crassus bei den Worten. »Bei deinem Adel, bei euerer Familie« des Domitius Stimme und Miene nachgeahmt zu haben. Was war es Anderes, worüber die Versammlung lachte, als jene Nachahmung der Miene und Stimme? Als er aber sagte: »Bei deinen Bildsäulen« und den Arm ausstreckte und noch einige Gebärden hinzufügteBei den Worten. »Bei deinen Bildsäulen« scheint Crassus den Arm ausgestreckt und ein solches Gebärdenspiel hinzugefügt zu haben, als wollte er wie ein Schutzflehender die Bildsäulen umfassen., mußten wir noch heftiger lachen. Hierher gehört auch, wenn Roscius bei den Worten: »Für dich, Antipho, pflanze ich diese«Diese Worte sagt ein Greis in einem Lustspiele seinem Sohne Antipho. S. Cicer. Tusc. I, 14. Roscius trägt diese Worte des Alten, der damit seinem Sohne sagen will, er werde nicht mehr lange leben, mit stammelnder und zitternder Stimme vor. den Greis nachahmt, Die Altersschwäche selbst sehe ich vor mir, wenn ich ihn diese Worte sagen höre. Diese Art des Witzes ist zwar an sich schon lächerlich. verlangt aber die vorsichtigste Behandlung. Denn die übertriebene Nachahmung, wie das Zotige, gehört in das Gebiet der gemeinen Possenreißer und Gebärdenspieler. Der Redner soll die Nachahmung nur verstohlen anwenden, so daß der Zuhörer dabei mehr zu denken als zu sehen hat; auch soll er Seelenadel und Schamgefühl bewahren, indem er in den Worten das Schmutzige und in den Sachen das Unanständige vermeidet.


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