Cicero
Vom Redner
Cicero

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LXXXIII. 338. Weil aber die Volksversammlung dem Redner gleichsam als die größte Bühne erscheint, so ist es ganz natürlich, daß er durch diese zu einer geschmückteren Art des Vortrages aufgefordert wird. Denn eine zahlreiche Versammlung übt einen mächtigen Einfluß aus, und sowie der Flötenspieler ohne Flöten nicht blasen kann, so kann der Redner ohne eine ihn anhörende Versammlung nicht beredt sein. Und da der Redner oft und vielfältig beim Volke verstoßen kann, so muß er zu vermeiden suchen, daß sich nicht ein Geschrei des Mißfallens gegen ihn erhebe. 339. Ein solches wird entweder durch einen Fehler der Rede hervorgerufen, wenn eine Aeußerung derselben in einem rauhen Tone, mit Anmaßung, auf unsittliche Weise, gegen allen Anstand gethan zu sein oder irgend einen Fehler des Charakters zu verrathen scheint; oder durch der Menschen Aergerniß und Haß, die entweder aus gerechten Ursachen oder aus Verleumdung und bösem Leumunde entstehen; oder wenn die Sache mißfällt; oder wenn das Volk sich wegen einer Begierde oder Furcht in leidenschaftlicher Aufregung befindet. Gegen diese vier Ursachen lassen sich ebenso viel Heilmittel anwenden: bald der Verweis, wenn der Redner in Ansehen steht, bald die Vermahnung, die gleichsam ein gelinderer Verweis ist, bald das Versprechen, daß man uns beistimmen werde, wenn man uns nur erst anhören wolle, bald die Abbitte, was das niedrigste Mittel ist, aber zuweilen nützlich. 340. Nirgends sind geistreiche Einfälle, der Blitz eines Gedankens, ein kurzes, mit Anstand und Feinheit verbundenes Witzwort von größerer Wirkung. Denn Nichts läßt sich so leicht wie die Menge durch einen treffenden, kurzen, scharfsinnigen und lustigen Einfall von einer verdrießlichen, ja oft von einer feindseligen Stimmung abbringen.


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