Cicero
Vom Redner
Cicero

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XLIII. 191. Seht ihr nicht, daß der Römische Ritter Gajus AculeoS. zu Buch II. Kap. 1., der in meinem Hause wohnt und von jeher gewohnt hat, ein Mann, der an Scharfsinn seines Gleichen sucht, aber sonst in den Wissenschaften gar nicht unterrichte ist, das bürgerliche Recht so gründlich versteht, daß ihm, wenn ihr unseren Scävola hier ausnehmt, keiner der größten Rechtskenner vorgezogen wird? 192. Alles liegt ja hier vor Augen und beruht auf der täglichen Erfahrung, auf dem Verkehre mit Menschen und auf den gerichtlichen Verhandlungen und ist in nicht eben vielen und bändereichen Schriftwerken enthalten. Denn dieselben Gegenstände sind erstlich von Mehreren behandelt und herausgegeben und dann mit Veränderung weniger Worte auch von denselben Schriftstellern öfter wiederholt. 193. Hierzu kommt aber auch noch Etwas, wodurch die Auffassung und Erlernung des bürgerlichen Rechtes erleichtert wird, worüber freilich gar Viele ganz anderer Ansicht sind, nämlich die außerordentliche Annehmlichkeit und Ergötzlichkeit, die in der Erlernung dieser Wissenschaft liegt. Denn findet Einer an der Beschäftigung mit der AlterthumskundeIch habe nach der Muthmaßung antiquitatis studia übersetzt, ohne die Richtigkeit derselben vertreten zu wollen, zumal da das Demonstrativ haec hier nicht paßt. Die Lesart der Handschriften: sive quem haec aliena studia delectant ist offenbar verderbt. Eine sehr scharfsinnige Muthmaßung ist die Madvig's: haec Aeliana studia. Aelius Stilo war nämlich ein Zeitgenosse des Crassus (darauf bezieht sich das Demonstrativ haec), Lehrer des M. Varro, ein sehr gelehrter Mann. Andere Muthmaßungen s. b. Ellendt. Gefallen, so bietet ihm sowol das ganze bürgerliche Recht, als auch die Bücher der Oberpriester und die Gesetze der zwölf Tafeln ein reiches Abbild des Alterthums, weil man die vor Alters gebrauchten Ausdrücke kennen lernt, und gewisse gerichtliche Verhandlungen die Gewohnheit und Lebensart unserer Altvordern klar an den Tag legen. Oder hat Einer eine VorliebeNach der Lesart Einer Handschrift complectitur; mehrere Handschriften haben centempletur; in den meisten und besten fehlt das Verb. für die Staatswissenschaft, die nach Scävola's Ansicht nicht dem Redner, sondern einer Wissenschaft anderer Art angehört; so wird er sie ganz in den zwölf Tafeln enthalten finden, in denen alle nützlichen Einrichtungen des Staates bestimmt und eingetheilt sind. Oder findet Einer an jener allmächtigen und preiswürdigen Philosophie Gefallen, so hat er – ich will es dreist heraussagen – in dem, was in dem bürgerlichen Rechte und in den Gesetzen enthalten ist, die Quellen aller seiner Untersuchungen. 194. Denn aus diesen erkennen wir einerseits, daß man die sittliche Würde vor Allem erstreben müsse, weil jaNach der Muthmaßung Wesenberg's (Emend. in Cic. Tusc. III. p. 18.) quoniam virtus atque honestus labor für quom verus et justus atque honestus labor. Ellendt liest: quum verus et justus [atque honestus] labor honoribus et praemiis [splendore] decoratur. die Jugend und die ehrenwerthe Thätigkeit durch Ehren und Belohnungen geschmückt wird, andererseits daß die Laster und Verbrechen der Menschen mit Geldbußen, Beschimpfungen, Kerker, Schlägen, Verbannung, Tod bestraft werden, und wir lernen nicht aus endlosen und mit Wortkämpfen angefüllten Streitschriften, sondern durch das Ansehen und den Wink der Besetze unsere Sinnlichkeit bezähmen, alle Begierden zügeln, das Unsrige bewahren, von fremdem Gute Sinn, Augen und Hände fernhalten.


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