Cicero
Vom Redner
Cicero

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XXXV. 160. Als Crassus dieses gesagt hatte, trat Stillschweigen ein. Aber obwol den Anwesenden die vorgelegte Frage zur Genüge beantwortet zu sein schien, so meinten sie doch, er habe seinen Vortrag weit schneller beendet, als sie es wünschten. Hierauf sagte Scävola: Warum, Cotta, schweigst du? Fällt euch Nichts bei, worüber ihr außerdem noch den Crassus befragen möchtet? – 161. Ja in der That, erwiderte dieser, eben daran denke ich. Denn seine Worte strömten so rasch dahin, und sein Vortrag entflog so schnell, daß ich ihre Gewalt und ihren Schwung zwar wahrnehmen, aber ihre Spuren und ihren Weg kaum sehen konnte, und als ob ich in ein reich begütertes Haus eingetreten wäre, in dem herrliche Decken nicht ausgebreitet, das Silbergeschirr nicht aufgesetzt, Gemälde und Bildsäulen nicht frei aufgestellt, sondern alle diese vielen und prachtvollen Schätze aufgeschichtet und verpackt wären, so habe ich in dem Vortrage des Crassus die Reichtümer und Kostbarkeiten seines Geistes gleichsam durch Hüllen und Decken erblickt, aber, als ich sie näher zu betrachten wünschte, war es mir kaum vergönnt einen Blick auf sie zu werfen. Und so kann ich zwar nicht sagen, daß ich gar nicht wisse, was er besitze, aber auch nicht, daß ich sie genau erkannt und gesehen habe. 162. Warum thust du nun nicht dasselbe, sagte Scävola, was du thun würdest, wenn du in ein mit Kostbarkeiten angefülltes Haus oder Landgut kämest? Wenn hier Alles, wie du sagst, bei Seite gelegt wäre und du sehr verlangtest es zu sehen, so würdest du nicht Anstand nehmen den Besitzer zu ersuchen, er möchte es hervortragen lassen, zumal wenn er dir befreundet ist; so bitte denn nun auch auf gleiche Weise den Crassus jene Menge seiner Kostbarkeiten, die wir an Einem Orte aufgeschichtet gleichsam durch ein Gitterfenster im Vorbeigehen obenhin erblickt haben, an's Licht zu bringen und jedes Einzelne an seinem gehörigen Platze aufzustellen. – 163. Nein, erwiderte Cotta, dich will ich vielmehr bitten, Scävola; denn mich und den Sulpicius hier hält die Schüchternheit ab den ehrwürdigsten Mann, der solche Vorträge immer verachtete, um das zu befragen, was ihm vielleicht als die Anfangsgründe der Schulbildung erscheinen dürfte; du also, Scävola, erweise uns die Liebe und setze es ins Werk, daß Crassus das, was er in seinem Vortrage zusammengedrängt und sehr eng aufeinandergehäuft hat, vor uns ausbreite und entfalte. – 164. In der That, erwiderte Mucius, vorhin wünschte ich dieß mehr euret- als meinetwegen; denn mein Verlangen nach einem solchen Vortrage von Crassus war nicht so groß, als der Genuß, den mir seine Reden bei den Rechtsverhandlungen gewähren; jetzt aber, Crassus, bitte ich dich auch selbst um meinetwillen, da wir ja so viel Muße haben, wie uns seit langer Zeit nicht zu Theil geworden ist, es dich nicht verdrießen zu lassen das begonnene Gebäude völlig auszuführen. Denn der Umriß des ganzen Baues ist, wie ich sehe, besser und größer, als ich vermuthet hatte, und ich ertheile ihm meinen ganzen Beifall.


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