Cicero
Vom Redner
Cicero

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VII. Inhalt des zweiten Buches.

I. Vorwort. Cicero zeigt, a) Crassus und Antonius seien wissenschaftlich gebildete Redner gewesen, obwol der erstere vorgegeben habe, daß er die Griechen gering schätze, der letztere, daß er sie gar nicht kenne (I, 1 – 4.); b) Niemand könne sich ohne die wissenschaftliche Erlernung der Redekunst, ja sogar ohne die Kenntniß der gesammten Philosophie in der Beredsamkeit auszeichnen (I, 2. II, 6.); c) deßhalb habe er sich bemüht die Unterredung dieser beiden großen Redner über die Beredsamkeit schriftlich aufzuzeichnen (II, 7. III, 11.).

II. Abhandlung. Quintus Catulus und Gajus Julius Cäsar kommen zu Crassus und nehmen an dem Gespräche Theil. Antonius, aufgefordert seine Ansicht über die Beredsamkeit vorzutragen (III, 12. – VII, 28.), zeigt

1) im Allgemeinen: a) die Beredsamkeit sei keine Wissenschaft (VII, 29. – VIII, 31,); b) doch könnten gewisse Regeln über sie ertheilt werden (VIII, 32.); c) Nichts sei herrlicher, als ein vollkommener Redner (VIII, 33. – IX, 38.).

2) Darauf bestimmt er den Beruf des Redners selbst (X, 39 – 42.). Derselbe umfaßt: a) die gerichtlichen (genus judiciale), b) die berathschagenden (genus deliberativum) Reden; denen von Manchen noch hinzugefügt werden c) die Lobreden (laudationes) (X, 42. – XI, 47.). Diese drei Arten der Reden hat die Redekunst zu berücksichtigen. Alle anderen Gegenstände, die der Redner zuweilen zu behandeln hat, als Zeugnisse, Aufträge, Verweise, Aufmunterungen, Tröstungen (XI, 48 – XII, 60), ferner die Geschichtschreibung, von der eine ziemlich ausführliche Charakteristik gegeben wird, (XII, 51 – XV, 64), endlich die unbestimmten Fragen (quaestiones infinitae) (XV, 65 – XVI, 68) bedürfen nicht besonderer Kunstregeln. Wer in der gerichtlichen Beredsamkeit tüchtig ist, wird sich in den eben angeführten Gegenständen auch ohne besondere Kunstregeln zurecht finden (XVI, 69 – XVII.).

3) Nachdem Antonius die Haupttheile der Redekunst angeführt hat (XIX, 77 – XX, 84), schickt er folgende Bemerkung für den Unterricht in der Redekunst voraus: a) Man muß untersuchen, was Jeder leisten könne (XX, 85 – XXI, 88); b) man muß zeigen, wen man nachahmen soll, und zugleich hinzufügen, daß man die vorzüglichsten Eigenschaften des Vorbildes sich anzueignen suchen müsse (XXI, 88 – XXIII, 98); c) man muß den zu behandelnden Gegenstand gründlich überlegen und sorgfältig erforschen (XXIV, 99 bis 103); d) und alsdann muß man den eigentlichen Streitpunkt festsetzen, wobei es sich fragt, α) was geschehen ist oder geschieht oder geschehen wird, β) oder von welcher Beschaffenheit es ist, γ) wie es benannt wird. Bei der Beschaffenheit und Benennung der Sache handelt es sich oft um die Auslegung von Schriftstellen und um Beseitigung von Zweideutigkeiten (XXIV, 104 – XXVI, 113).

4) Eigentliche Lehre von der Beredsamkeit. Antonius handelt

A. zuerst von der Erfindung (inventio, εύρεσις). Die Verpflichtung des Redners ist eine dreifache: a) er soll seine Zuhörer belehren, b) ihre Zuneigung gewinnen, c) ihre Gemüther rühren (XXVII, 114 – 115).

a) Der Redner soll seine Zuhörer belehren und von der Wahrheit der Sache, die er vertheidigt, überzeugen. Lehre von der Beweisführung. Den Stoff dazu bieten: aa) Sachen, welche nicht vom Redner erfunden werden, sondern, als gegebene Thatsachen, nur zweckmäßig zu behandeln sind, als: Urkunden, Zeugnisse, Verträge, Uebereinkünfte, peinliche Untersuchungen, Senatsbeschlüsse, richterliche Entscheidungen, obrigkeitliche Verordnungen, Rechtsgutachten u. dgl.; hier muß man also über die Behandlung der Beweise nachdenken; bb) das, was der Redner aus den gegebenen Thatsachen zu machen weiß mittelst der Erörterung und Beweisführung; hier muß man also über die Erfindung der Beweise nachdenken. Für die einzelnen Arten der Rechtsstreitigkeiten bietet die Redekunst fertige Beweise, Fundstätten (loci) der Beweise (Beweisquellen) (XXVII, 116 – XXIX). Zu einer gründlichen Beweisführung ist erforderlich: α) daß der Redner die erwähnten Fundstätten in Bereitschaft habe; aber mit Nutzen kann sie nur der Redner anwenden, welcher seinen Geist durch Uebung, Hören, Lesen und Schreiben tüchtig ausgebildet und sich umfassende Sachkenntniß angeeignet hat (XXX, 130, 131); – β) das Wesen der zu behandelnden Sache ist zu erforschen, indem man untersucht, ob es eine Thatsache sei, oder was sie für eine Beschaffenheit habe, oder welchen Namen sie führe; darauf ist der Hauptpunkt der Sache festzustellen. Alle Streitsachen müssen auf die Bedeutung und das Wesen im Allgemeinen zurückgeführt werden; denn alle besonderen Streitfälle lassen sich auf gewisse allgemeine Begriffe zurückführen. Das Studium der Philosophie ist daher dem Redner sehr zu empfehlen (XXX, 133 – XXXVIII, 161); – γ) man muß wissen, daß alle Beweisgründe entweder aus dem inneren Wesen und der natürlichen Beschaffenheit der Sache genommen oder von Außen her hinzugenommen werden (XXXIX und XL); – δ) es ist nicht hinreichend zu erfinden, was man sagen soll, sondern man muß auch das Erfundene zu behandeln verstehen; die Behandlung muß aber mannigfaltig sein, damit der Zuhörer weder die Kunst bemerke noch mit Ueberdruß erfüllt werde. (XLI.)

b) Der Redner soll die Zuneigung seiner Zuhörer gewinnen. Er soll daher sich bemühen die Gemüther der Zuhörer so viel als möglich zum Wohlwollen sowol für sich als für den, dessen Sache er führt, zu stimmen. Vorschriften über die Mittel, durch die die Gemüther zum Wohlwollen gestimmt werden. (XLII und XLIII.)

c) Der Redner soll die Gemüther seiner Zuhörer rühren. Hierzu ist nöthig, daß der Redner die Gesinnungen und Neigungen der Zuhörer erforsche (XLIV), und daß er selbst von den Empfindungen, die er bei Anderen hervorrufen will, durchdrungen sei(XLV – L). Außerdem muß der Redner auf folgende Punkte seine Aufmerksamkeit richten: α) er muß überlegen, ob die Sache verlange, daß die Gemüther der Zuhörer in Bewegung gesetzt werden (LI, 205); – β) er muß untersuchen, auf welche Weise die verschiedenen Leidenschaften erregt oder beschwichtigt werden können (LI, 206 – LII, 211); – γ) oft muß er in seinem Vortrage Heftigkeit und Sanftheit mit einander mischen. Den Ton der Leidenschaft darf er nicht sogleich anstimmen und auch nicht wieder schnell verlassen. Die Gemüthsbewegungen müssen zuweilen durch Erregung entgegengesetzter Gemüthsbewegungen entkräftet werden (LIII, 212 – 216); – δ) von wesentlichem Nutzen ist hierbei der Witz, über den Gajus Julius Cäsar einen ausführlichen und gründlichen Vortrag hält; und zwar aa) zeigt er, der Witz sei eine Naturgabe, Kunstregeln ließen sich über denselben nicht aufstellen; was er für eine Bedeutung für den Redner habe, zeigt er an dem Beispiele des Crassus (LIV, 216 – LVII, 234); – bb) spricht er ausführlich über das Wesen des Witzes. Mit Uebergehung der Fragen, was der Witz sei und wie er entstehe (LVIII), betrachtet er folgende Punkte: α) das Gebiet des Lächerlichen (LVIII, 236); β) er zeigt, daß es dem Redner zukomme Lachen zu erregen (LVIII, 236); γ) in wie weit es dem Redner gezieme Lachen zu erregen (LVIII, 237 – LIX, 239); δ) was es für Arten des Lächerlichen gebe. Es gibt zwei Arten des Witzigen, von denen die eine in der Sache, die andere in dem Worte liegt; in der Sache, wenn man Etwas als eine Anekdote erzählt, oder wenn man die Manieren eines Andern auf spöttische Weise nachahmt (LIX, 240 – LX, 243); in dem Worte, wenn durch die Spitze eines Ausdrucks oder Gedankens Lachen erregt wird (LX, 244 – 247). Jetzt folgt eine genauere Erörterung des Gegenstandes: a) Am Meisten gefällt das Witzige, wenn durch Sache und Wort zugleich das Lachen erregt wird; b) die Quellen, aus denen das Lächerliche abgeleitet wird, sind zugleich auch die, aus denen sich das Ernste ableiten läßt; c) besonders sinnreich ist der aus Zweideutigkeiten entspringende Witz; d) nicht alles Lächerliche ist witzig, und Vieles, was ganz besonders Lachen erregt, geziemt sich nicht für den Redner. Aufzählung und Beleuchtung der einzelnen Arten des Witzigen sowol hinsichtlich der Sache als hinsichtlich des Wortes (LXI – LXXI).

d) Antonius, seinen Vortrag wieder aufnehmend, zeigt, daß der Redner nach genauer Untersuchung der Rechtssache und nach sorgfältiger Erforschung der Beweisgründe der Sache und der Mittel, durch welche die Richter gewonnen und erschüttert werden, festsetzen müsse, was für gute und was für schlimme Seiten die Sache habe, die guten Seiten möglich ausschmücken und erheben, die schlimmen verdecken. Genauere Erörterung des Verfahrens hierbei. (LXX – LXXV.)

B. Von der Anordnung des Stoffes und der Beweisgründe (ordo, collocatio, τάξος, διάταξις). Antonius zeigt

a) im Allgemeinen: α) Der Redner müsse auf die Auswahl der Beweisgründe große Sorgfalt verwenden; die Beweisgründe sind nicht sowol zu zählen als abzuwägen; (LXXVI.) – β) der Redner muß in allen Theilen seines Vortrages auf die Gemüther seiner Zuhörer einzuwirken suchen; oft lassen sich auch Abschweifungen von der Sache anbringen, um die Leidenschaften zu erregen; (LXXVII, 310 bis 312.) – γ) der stärkste Beweis muß die erste Stelle einnehmen, aber auch für den Schluß ist Hervorragendes aufzusparen, das Mittelmäßige aber in die Mitte zu bringen (LXXVII, 313 – 315).

b) handelt er von den einzelnen Theilen der Rede:

α) von dem Eingange (exordium, προοίμιον) (LXXVII, 310); er muß mit großer Sorgfalt ausgearbeitet und dem Gegenstande der Verhandlung angepaßt werden; er muß sanft sein und aus der Sache selbst entlehnt werden; am Besten wird er erst zuletzt ausgearbeitet (LXXVIII); er muß dem Verhältnisse der Sachen entsprechen; er ist entweder von dem Angeklagten oder von dem Gegner oder von der Sache oder von denen, vor welchen die Sache verhandelt wird, herzuleiten (LXXIX); er muß mit der nachfolgenden Rede eng verbunden sein (LXXX, 325).

β) von der Erzählung (narratio, διήγησις); sie muß kurz, aber nicht zu kurz sein, ferner deutlich (LXXX, 326 – 329); zuletzt wird die übrige Einrichtung der Erzählung erwähnt (LXXX, 329 – LXXXI, 330).

γ) von der Feststellung der Hauptfrage (propositio, πρόθεσις) (LXXXI, 331).

δ) von der Beweisführung (confirmatio, κατασκευή).

ε) von dem Schlusse der Rede (peroratio, επίλογος) (LXXXI, 332).

Bemerkungen über die Ertheilung von Rathschlägen und über die Lobreden (LXXXI, 333 – LXXXV).

C. Von dem Gedächtnisse (memoria, μνήμη):

a) von der Kunst des Gedächtnisses (LXXXVI);

b) von dem Nutzen und der Wichtigkeit des Gedächtnisses (LXXXVII, 355);

c) auch für ein gutes Gedächtniß ist die Kunst des Gedächtnisses sehr nützlich (LXXXVII, 356 und 357):

d) wird gezeigt, worin die Kunst des Gedächtnisses bestehe (LXXXVII, 357 – LXXXVIII, 360).

III. Schluß der ersten Unterredung. Entschuldigung des Antonius wegen seines Vortrages (LXXXVIII, 361); – Catulus spricht dem Antonius seinen Dank für seinen gehaltreichen Vortrag aus; – Crassus verspricht über die Darstellung und den äußeren Vortrag zu reden (LXXXIX und XC).


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