Cicero
Vom Redner
Cicero

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LXVII. 269. Feiner Witz liegt auch in der Verstellung, wenn man Anderes sagt, als denkt, nicht aber in der Weise, von der ich obenS. Kap. 65, §. 262. redete, wenn man das Gegentheil sagt, wie Crassus von Lamia, sondern wenn man nach dem ganzen Wesen der Rede in ernstem Tone scherzt, indem man anders denkt als redet. Zum Beispiel unser ScävolaQuintus Mucius Scävola, der Schwiegervater des Crassus, erhielt nach verwalteter Prätur im Jahre 122 v. Chr. Asien zur Provinz. gab dem berüchtigten SeptumulejusSeptumulejus aus Anagnia, einer Stadt Latiums, hatte sich für die Ermordung des Gajus Gracchus das Geld auszahlen lassen, das der Consul Lucius Opimius dem Mörder des Gracchus versprochen hatte. Scävola, seinen bitteren Spott in einen wohlgemeinten Rath einkleidend, sagt. Bleibe du lieber in Rom; hier hast du weit mehr Gelegenheit dich durch schlechte Bürger, an denen Rom einen Ueberfluß hat, zu bereichern als durch Räubereien in der Provinz. aus Anagnia, dem für das Haupt des Gajus Gracchus Geld ausgezahlt worden war, als er ihn bat, er möchte ihn als Präfekten nach Asien mitnehmen, zur Antwort: »Was fällt dir ein, Unkluger? Die Menge schlechter Bürger ist so groß, daß ich dir versichern kann, wenn du zu Rom bleibst, wirst du in wenigen Jahren zu großem Reichtume gelangen.« 270. In dieser Art des Witzes zeichnete sich unser Africanus AemilianusScipio Africanus, der Jüngere, der von seinem Vater Lucius Aemilius Paullus Macedonicus den Namen Aemilianus beibehielt, aber als Adoptivsohn des älteren Scipio den Namen Scipio erhielt. ausNach Ellendt's Muthmaßung floruisse für fuisse., wie FanniusGajus Fannius, ein Schüler des Stoikers Panätius, im Jahre 137 v. Chr. Quästor, darauf Prätor, war der Verfasser von Jahrbüchern (Annalen). in seinen Jahrbüchern berichtet, der ihn mit einem Griechischen Worte είρωνD. h. Spötter. Vergl. Cicer. Acad. II. 5, 15. Brut. 87, 299. nennt; aber nach dem, was Männer, die in diesen Dingen eine bessere Kenntniß haben, behaupten, glaube ich, daß Sokrates in dieser Ironie und Verstellung an Laune und Feinheit Alle bei Weitem überragt hat. Die Ironie ist sehr geschmackvoll, verbindet Witz mit Würde und eignet sich ebenso gut für rednerische Vorträge wie für den feinen Unterhaltungston. 271. Und fürwahr alle diese Arten des Witzigen, die ich besprochen habe, sind eine Würze in gleichem Grade für die gerichtlichen Verhandlungen wie für alle Unterhaltungen. Denn sowie was bei CatoCato Censorius in seiner Sammlung von Sinnsprüchen (αποφθέγματα) S. Cicer. de Officiis I. 29, 104., der viele Sinnsprüche erwähnt hat, von denen ich mehrere als Beispiele anführe, geschrieben steht, mir sehr treffend gesagt zu sein scheint, Gajus Publicius habe zu sagen gepflegt, Publius Mummius sei ein Mann für jede Zeit: so verhält sich auch wirklich hier die Sache: es gibt keine Zeit im Leben, in der sich nicht der Gebrauch heiterer Laune und feinen Witzes gezieme. Doch ich kehre zu dem Uebrigen zurück. 272. Verwandt mit dieser Verstellung ist die Benennung einer fehlerhaften Sache mit einem beschönigenden Ausdrucke. Als zum Beispiel Africanus als CensorS. Kap. 66, §. 268. einen Centurio, der der Schlacht des PaullusLucius Aemilius Paullus führte mit Perses in Macedonien Krieg und machte im Jahre 170 vor Chr. Macedonien zur Römischen Provinz. nicht beigewohnt hatte, aus seiner Zunft stieß, dieser aber sich damit entschuldigte, daß er zur Bewachung des Lagers zurückgeblieben sei, und ihn nach dem Grunde seiner Beschimpfung fragte, so entgegnete er: »Ich liebe nicht die allzu Bedächtigen.« 273. Geistreich ist es auch, wenn man aus der Rede eines Anderen Etwas anders auffaßt, als jener es aufgefaßt wissen will, wie MaximusQuintus Fabius Maximus Cunctator, der im Jahre 210 v. Chr. die Stadt Tarentum, die Markus Livius Salinator verloren hatte, wieder eroberte. Salinator hatte jedoch die Burg fünf Jahre vertheidigt. mit dem Salinator verfuhr. Livius hatte nämlich nach dem Verluste von Tarentum doch die Burg behauptet und von ihr herab viele rühmliche Treffen geliefert. Als nun einige Jahre darauf Maximus diese Stadt wieder einnahm, bat ihn Salinator, er möchte sich erinnern, daß er durch seine Bemühung Tarentum wieder genommen habe. Da erwiderte Maximus: »Wie sollte ich mich dessen nicht erinnern? Denn nimmermehr würde ich es wieder genommen haben, wenn du es nicht verloren hättest.« 274. Es gibt auch Aeußerungen, die etwas ungereimt sind, aber gerade deßhalb oft Lachen erregen, und nicht blos für die niedrige Komik wohl geeignet sind, sondern auch einigermaßen für uns.

                                            Der dumme Mensch,
Kaum hat er gut zu leben, sieh! da stirbt er schon.

Und:

                Was stellt das Weib da bei dir vor? –
Sie ist ja meine Frau. – Bei Gott! dein Ebenbild.

Und:

So lang er noch am Wasser lebte, starb er nieNach Schneider sind die angeführten Verse aus einem Atellanenstücke des Novius (s. zu Kap. 63, §. 255) entlehnt. Die Ungereimtheit der ersten Stelle liegt darin, daß von einem Menschen gesagt wird, er habe einen albernen Streich begangen, daß er gerade da gestorben sei, wo sein Leben angenehm zu werden anfing; die der zweiten Stelle darin, daß Jemand zwischen einem Manne und seiner Frau eine Familienähnlichkeit finden will; die der dritten nach der Erklärung von Schütz darin, daß Jemand bedauert, daß sein Freund – ein Fischer oder Schiffer – seine Lebensart am Wasser verlassen habe und deshalb gestorben sei, zugleich auch darin, daß er hinzufügt: er wäre sonst niemals gestorben, als ob Jemand mehrmals sterben könne..


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