Cicero
Vom Redner
Cicero

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XL. Denn wenn ein Ding keinen eigenen Namen, kein eigentliches Wort hat, wie der FußPes, πούς (Fuß), Segeltau, durch das die Segel gespannt wurden (bei uns Schoten). auf dem Schiffe, das NexumNexum (Band), ist eine rechtliche Verbindlichkeit, die per aes et libram, d. h. durch Anschlagung eines as an eine Wage, geschah, durch welche eine Sache so übergeben wird, daß der Empfänger auf die Sache ein gewisses Recht erhält, aber nicht Besitzer derselben wird., das mit der Waage geschieht, die ScheidungDivortium, das eigentlich von der Trennung eines Flusses in mehrere Arme gebraucht wird. bei einer Frau; so zwingt die Noth anderswoher zu nehmen, was man nicht hat. Aber auch bei dem größten Reichtume an eigentlichen Ausdrücken finden doch die Menschen an den uneigentlichen, wenn sie mit Verstand gewählt sind, ungleich größeren Gefallen. 160. Dieß kommt, glaub' ich, daher, theils weil es von Scharfsinn zeugt, wenn man das vor den Füßen Liegende überspringt und Anderes aus der Ferne herbeiholt, theils weil der Zuhörer dadurch mit seinen Gedanken zu anderen Vorstellungen geführt wird, ohne jedoch vom Ziele abzuirren, und darin liegt eine große Ergötzlichkeit, theils weil durch ein einzelnes Wort ein Gedanke, ein vollständiges Gleichniß ausgedrückt wird, theils weil jede mit Verstand gemachte Uebertragung den Sinnen selbst nahetritt, vorzüglich dem Gesichte, das der schärfste Sinn ist. 161. Ausdrücke, wie: der GeruchOdor humanitatis; odor, Geruch, Witterung, Empfindung. seiner Bildung, die Weichheit der Menschenfreundlichkeit, das Gemurmel des Meeres, die Süßigkeit der Rede, sind von den anderen Sinnen hergenommen; aber die von dem Gesichte entlehnten sind ungleich lebhafter, indem sie Gegenstände, die wir nicht wahrnehmen und sehen können, vor die Anschauung des Geistes hinstellen. Es gibt nämlich keinen Gegenstand in der Natur, dessen Wort und Benennung wir nicht bei anderen Gegenständen anwenden könnten. Denn woher man ein Gleichniß ableiten kann – und das kann man von allen Dingen –, ebendaher läßt sich auch ein Gleichniß mit übertragener Bedeutung ableiten, das die Rede versinnlicht. 162. Hierbei müssen wir aber vor Allem Unähnlichkeiten vermeiden, wie in dem Ausdrucke: »Des Himmels gewaltige Schwibbogen.« Wenn auch Ennius, wie man erzählt, eine Himmelskugel auf die Bühne hatte bringen lassen, so kann doch eine Kugel keine Aehnlichkeit mit einem Schwibbogen haben.

                        Leb' Ulixes, noch ist dir's vergönnt!
Mit dem Aug' erhasche noch das letzte Strahlenlicht.Die Stelle ist aus des Pacuvius' Niptren nach der Muthmaßung Bothe's (Trag. Latinor. Fragmm. p. 278). Uebrigens führt Cicero dieses Beispiel nicht als eine unpassende, sondern als eine passende Uebertragung an, im Gegensatze zu dem vorhergehenden.

Er sagte nicht genieße, nicht suche; denn diese Ausdrücke würden eine Zeitdauer bezeichnen, wie von Einem, von dem man hofft, er werde noch länger leben; sondern erhasche. Dieses Wort ist dem vorhergehenden Ausdrucke: noch ist dir's vergönnt angepaßt.


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