Cicero
Vom Redner
Cicero

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XXXVIII. Des Antonius unglaubliche und fast einzige und unvergleichliche Geisteskraft scheint, auch wenn sie von dieser Kenntniß des Rechtes entblößt ist, sich leicht durch die übrigen Waffen der Einsicht schützen und vertheidigen zu können. Darum wollen wir mit ihm eine Ausnahme machen; aber alle Anderen werde ich ohne Bedenken durch meine Stimme zuerst der Trägheit, dann aber auch der Unverschämtheit schuldig erklären. 173. Denn sich auf dem Forum umherzutreiben, Tag für Tag in den Gerichten und auf den Tribünen der Prätoren zu sitzen, sich gerichtlichen Untersuchungen über wichtige Privatangelegenheiten zu unterziehen, in denen oft nicht über eine Thatsache, sondern über Recht und Billigkeit gestritten wird, sich in den Rechtssachen der CentumvirnDas Gericht der Centumvirn, 207 v. Chr. eingesetzt, bestand aus 105 Richtern, drei aus jeder der 35 Tribus, der Prätor hatte den Vorsitz. Privatangelegenheiten, wie die hier erwähnten, wurden vor diesem Gerichte verhandelt. breit zu machen, in denen die Rechte in Betreff der Verjährungen, Vormundschaften, Geschlechts- und Blutverwandtschaften, der Anspülungen und UmspülungenAnspülungen, d. h. angeschwemmtes Land, Umspülungen d. h. Inseln, die sich im Flusse durch Anschwemmungen bildeten., der Schuldverpflichtungen und Eigenthumserwerbungen, der Wände und Fenster, des Tropfenfalles, der TestamenteIn den Handschriften steht testamentorum aut ruptorum aut ratorum; aber die Worte aut ruptorum aut ratorum scheinen ein Glossem zu sein; die meisten Herausgeber, auch Ellendt, halten sie für unächt. Es kann ja keine jura ruptorum testamentorum geben. und unzähliger anderer Dinge verhandelt werden, wenn man überhaupt nicht weiß, was Eigentum, was fremdes Gut, was das sei, wodurch Einer Bürger oder Fremder, Sklave oder Freier ist, das zeugt von einer ausgezeichneten Unverschämtheit. 174. Wahrlich eine lächerliche Anmaßung ist es, wenn man in der Leitung kleiner Fahrzeuge unerfahren zu sein eingesteht, sich aber rühmt gelernt zu haben, wie ein Fünfruderer oder ein noch größeres Schiff zu lenken sei. Wenn du dich in einer Privatzusammenkunft bei einem geringfügigen Vergleiche mit deinem Gegner hintergehen lässest und Urkunden deines Clienten versiegelst, in denen Etwas geschrieben steht, wodurch dieser übervortheilt wird: da sollte ich dir irgend einen wichtigeren Rechtshandel anvertrauen? Eher fürwahr dürfte der, welcher ein Schiffchen von zwei Rudern im Hafen verunglücken läßt, in dem Euxinischen Meere das Schiff der Argonauten lenken. 175. Wie? wenn es nicht einmal unbedeutende Gegenstände sind, sondern oft die wichtigsten, in denen über das bürgerliche Recht gestritten wird: welche Stirn muß denn der Anwalt haben, welcher solche Verhandlungen ohne alle Kenntniß des Rechtes zu übernehmen sich unterfängt? Welche Verhandlung konnte zum Beispiel wichtiger sein, als die über jenen Krieger, über dessen Tod eine falsche Nachricht vom Heere nach Hause gekommen war? Sein Vater, dieser Nachricht Glauben schenkend, änderte seinen letzten Willen und setzte irgend einen anderen Menschen nach seinem Gefallen zum Erben ein; darauf starb er selbst. Sein Sohn kam nun nach Hause zurück und machte die Sache bei den Centumvirn anhängig, indem er eine gesetzliche Klage wegen der väterlichen Erbschaft anstellteIn fast allen Handschriften stehen noch die Worte testamento exheres filius, ein offenbar unächter Zusatz.. Bei dieser Verhandlung kam die Frage aus dem bürgerlichen Rechte zur Untersuchung, ob ein Sohn, den der Vater in seinem letzen Willen weder als Erben noch als Enterbten namentlich bezeichnet habe, von der Erbschaft ausgeschlossen werden könne.


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