Cicero
Vom Redner
Cicero

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XXVI. 118. Aber weil der Redner der Gegenstand unserer Untersuchung ist, so müssen wir in unserem Vortrage das Musterbild eines ganz fehlerfreien und in jeder Beziehung vollendeten Redners entwerfen. Denn wenn auch die Menge von Streitsachen, die Mannigfaltigkeit der Rechtsverhandlungen, der gemischte und ungebildete Volkshaufe auf unserem Forum selbst den fehlerhaftesten Rednern einen Platz einräumt, so dürfen wir darum doch nicht den eigentlichen Gegenstand unserer Untersuchung aus den Augen lassen. Und so verhält es sich auch mit den Künsten, bei denen es nicht auf einen unentbehrlichen Nutzen abgesehen ist, sondern auf eine freie Ergötzung des Gemüthes. Wie sorgfältig und, ich möchte sagen, wie mäkelnd ist hier unser Urtheil. Denn es sind keine Rechtshandlungen und Streitigkeiten, welche die Menschen zwingen könnten, wie auf dem Forum nicht gute Redner, so auch im Theater schlechte Schauspieler zu dulden. 119. Der Redner muß daher sorgfältig darauf sehen, nicht daß er diejenigen befriedige, die er befriedigen muß, sondern daß er denen bewundernswürdig erscheine, denen ein freies Urtheil zusteht. Und wollt ihr es wissen, so will ich vor vertrauten Freunden mit klaren Werten meine Ansicht aussprechen, die ich bis jetzt immer verschwiegen habe und zu verschweigen für gut hielt. Mir erscheinen selbst diejenigen, welche sehr gut reden und dieses mit großer Leichtigkeit und sehr geschmackvoll leisten können, dennoch beinahe unverschämt, wenn sie nicht mit Schüchternheit auftreten und beim Beginne der Rede Verlegenheit verrathen. 120. Doch kann dieser Fall eigentlich nicht eintreten; Denn je tüchtiger Einer im Reden ist, um so mehr befürchtet er die Schwierigkeit des Redens, den schwankenden Erfolg der Rede und die Erwartung der Menschen. Wer aber Nichts zu Stande bringen und zu Tage fördern kann, was der Sache, was des Rednernamens, was der Aufmerksamkeit der Menschen würdig ist: den halte ich, wenn er sich auch beim Vortrage beunruhigt fühlt, dennoch für unverschämt. Denn nicht dadurch, daß man sich schämt, sondern dadurch, daß man das nicht thut, was nicht geziemend ist, müssen wir dem Vorwurfe der Unverschämtheit entgehen. 121. Wer sich aber nicht schämt, wie ich es bei gar Vielen sehe, den halte ich nicht allein des Tadels, sondern auch der Strafe würdig. Ich wenigstens pflege es an euch zu bemerken und mache auch an mir selbst sehr oft die Erfahrung, daß ich im Anfange der Rede erblasse und in meinem ganzen Innern und an allen Gliedern erzittere. Als ganz junger Mensch aber verlor ich zu Anfang einer AnklageIn der Anklage des Carbo 119 v. Chr. Crassus war damals 21 Jahre alt. so alle Fassung, daß ich dem Quintus MaximusWahrscheinlich Q. Fabius Maximus Eburnus (116 v. Chr. Consul). Damals führte er als Prätor den Vorsitz im Gerichte. von Herzen dafür dankbar war, daß er sogleich die Richterversammlung entließ, sobald er mich von Furcht entkräftet und geschwächt sah. 122. Hier drückten Alle ihren Befall aus, indem sie sich zunickten und mit einander redeten. Denn Crassus besaß eine wunderbare Schüchternheit, die jedoch seinem Vortrage nicht nachtheilig, sondern vielmehr dadurch, daß sie seine innere Gediegenheit empfahl, vortheilhaft war.


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