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Gerechtigkeit

Einmal ging die Gerechtigkeit spazieren. Da traf sie auf der Straße zwei große Knaben, die spielten mit ihrem Wagen und fuhren sich gegenseitig. Da stand am Rande des Weges ein kleiner Bursch von etwa sechs bis sieben Jahren, der schaute mit sehnsüchtigen Blicken zu. Er faßte sich zuletzt ein Herz und fragte die beiden: »Darf ich wohl mitspielen?«

»Ja,« sagten die Großen, »aber dann mußt du ziehen.«

Da war der Kleine zufrieden, und als die Großen sich in den Wagen gesetzt hatten, zog er ihn voller Eifer, daß der Schweiß von der Stirne troff, und wenn er nachließ, dann klatschte die Peitsche.

Das sah die Gerechtigkeit; sie hemmte den Wagen und schalt die Großen aus: »Wollt Ihr wohl heraus, Ihr faulen Knaben! Der Kleine soll sich hineinsetzen, und Ihr müßt ziehen.«

Als das die Großen hörten, sagten sie nichts; denn sie wußten nicht, wie ihnen geschah; aber der Kleine fing bitterlich an zu weinen und rief: »Nun darf ich gar nicht mehr Pferd sein!«

Ein alter Mann hatte dem Dinge zugeschaut, und da trat er an die Gerechtigkeit hinan, klopfte ihr auf die Schulter und sagte: »Lassen Sie das nur, Fräulein. Das ist in der Welt so von Adam her: Die Kleinen müssen die Großen ziehen, und es ist ihnen noch eine Ehre und ein Vergnügen.«

*


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