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Da ist ein Gasthaus in jenem Lande, das zwischen Morgen und Abend liegt, steht abseits vom Wege und ist doch nicht zu verfehlen. Es trägt ein Schild über der Tür, und darauf steht in wunderlichen Buchstaben »Zum müden Wanderer«. Da ist schon manch einer eingekehrt und fand Ruhe und Labung. Braucht auch keiner Furcht zu hegen, daß der Wirt nicht zur Stelle sei; der ist immer da, und noch keiner hat ihn schlafend gefunden.
Das war eines Tags zu der Zeit, wenn sich die Dämmerung schwer über die Felder legt, da kamen drei Gesellen zur Tür herein. Zwei von ihnen waren nicht mehr jung, der dritte aber erschien eisgrau und älter, als ein Mensch es sagen und wissen kann. Die traten ein, der eine klein und scheu, der andere mit stolzer Miene und der letzte ruhig und tief wie das Grab, sie traten ein und sagten: »Guten Abend, lieber Wirt, wir sind hier, die drei Regenten. Wir möchten schlafen und ruhen.«
»Ihr könnt schlafen, solange ihr wollt,« antwortete der Wirt.
»Habe Dank! So rüste uns den Abendtrunk.«
Und der Wirt nahm schweigend drei blitzende Kannen vom Bort, eine kleine, eine größere und eine ganz große. Er goß roten, dunkelroten Wein hinein; mit der linken Hand tat er eine Würze dazu, und mit der rechten machte er sein Zeichen darüber. Dann nahm er den kleinsten der drei Becher und trat zu den drei Regenten und sagte: »Ihr werten Herren, wem gebühret der erste Trunk?«
»Den ersten Becher gib mir,« sagte der Kleine und Scheue. »Ich war nur ein kleiner Regent, und mein Zepter mag ich nicht einmal zeigen, es ist nämlich nur aus Holz. Aber als ich noch jung war, wie schwellten mir Hoffnung und freudige Zuversicht die Brust! Mein Reich war nicht groß, aber mit meiner jugendlichen Schar zog ich jeden Morgen von neuem aus, um die ganze Welt zu erobern.«
»Hast du sie erobert?« fragte der Wirt.
»Ach nein! Wenn ich auch vieles besiegte, Dummheit und Faulheit waren nicht zu überwinden, und der Ärger hat mir die Seele zerfressen. Auch bin ich durch Steppen und Wüsten gewandert und dorniges Gestrüpp; nun weiß ich, mein Weg war falsch, und das zerbricht mir die Kraft.«
»Trinke, müder Wanderer,« sagte der Wirt und holte danach den zweiten Becher.
»Gib mir den Trunk!« rief der Gesell mit der stolzen Miene. »Ich war ein König und besaß ein goldenes Zepter, aber ich habe es verloren. Ich habe das größte Volk regiert, und als ich damit begann, wie jauchzte mein Herz! Euch alle werd' ich glücklich machen, sprach ich, zu Ruhm und Ehre werd' ich euch führen!«
»Hast du gesiegt?« fragte wiederum der Wirt.
»Ach nein,« antwortete der König, »ich schritt von Niederlage zu Niederlage. Keinem hab' ich's recht machen können, und das Heer der Nörgler ward immer größer. Jetzt haben sie mir alles verleidet; mein Herz ist laß und mein Fuß von der Wanderung müde, so müde!«
»Hier hast du deinen Trunk,« sagte der Wirt, und sein tiefes, dunkles Auge ruhte voller Mitleid auf dem Könige.
»Den großen Becher gib mir!« sagte der eisgraue Mann mit tiefer Stimme.
Da fragte der Wirt, und dabei neigte er sich tief vor dem Fremden: »Wer bist du, o Herr?«
»Ich habe dereinst die ganze Welt regiert, und tausend Blitze waren in meiner Hand. Ich bin ein alter Gott. Auch ich war einmal jung. Wie war mein Wille damals so stark! Alle Menschen wollt' ich erheben, auf eine stolze Höhe wollt' ich sie führen.«
»Wandeln sie dort?« fragte der Wirt.
»Nein, sie irren noch immer in dunkeln Klüften und waten im Schmutz. Sie wollen sich von mir nicht regieren lassen. Ihre Weisen sagen, ich sei recht alt geworden, und die Klügsten von ihnen behaupten sogar, ich sei eigentlich gar nicht mehr da.«
»Nimm den Becher,« antwortete der Wirt, »er möge dir wohl bekommen!«
Es ward still in dem dämmerigen Gemach. Sie tranken alle, und als sie getrunken hatten, legten sie den Arm auf den Tisch und den Kopf auf den Arm.
»Schlaft, ihr müden Wanderer,« flüsterte der Wirt, »ruht euch aus von der Mühsal des Weges. Wahrlich, Regieren ist schwer, es ist ein Tun, das findet keinen Dank.«
Ganz still ist es jetzt im düstern Gemach, so still, daß man im Holzgetäfel deutlich das Pochen eines kleinen Käfers hört.
Da tritt der Wirt unhörbar zu seinen Gästen, berührt sie einen nach dem andern, und dann sagt er mit weihevoller Stimme: »Sie werden niemals wieder erwachen. Sie schlafen alle drei, am tiefsten der alte Gott.«
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