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516. Der falsche Racker.

Auf einem Hofe in der Landschaft Stapelholm war jedesmal, wenn die Magd in den Keller kam, der Rahm von der Milch genascht. Die Magd sagte: »Niß hat's getan«, und alle glaubten es. Er war aber ganz unschuldig daran, denn der große Kater hatte es getan. Der hatte sich immer durchs Fenster geschlichen, das das Mädchen zu schließen vergaß. Als nun der Herr einmal Geräusch im Keller hörte, dachte er den Niß zu fangen, der diesmal auch wirklich drinnen war. Aber er hatte sich hineingeschlichen und eben den Kater gegriffen und unter eine Milchbütte gesetzt, um seine Unschuld zu beweisen. Der Herr öffnete vorsichtig die Tür nicht weiter, als daß er sich eben durchdrängen konnte, der Niß wollte in dem Augenblick durchschlüpfen, streifte aber die Kappe ab und ward gesehen. »Hess ik di, du falsche Racker!« rief der Herr und faßte ihn bei der Schulter. »Ja«, antwortete Niß, »du hest mi wull, awer falsch bün ik nich! Süh man ünner de Melkbütt na!« Als der Herr ihn nun los ließ und die Bütte aufhob, sprang der Kater hervor; Niß hatte unterdes seine Kappe wieder aufgenommen und war verschwunden. Aber den falschen Racker dachte er. Wo nun von der Zeit an der Bauer ging und stand, so riefs immer hinter ihm, wenn er was sagte: »Du falsche Racker!« Er kam dadurch besonders in Verlegenheit, weil er Vorsteher in der Gemeinde und Bauervogt war. Es war bald nicht mehr zum Aushalten. »Was fange ich einmal an?« sagte der Mann zu seiner Frau, »so geht's nicht mehr, wir müssen ausziehen!« »Das hülfe auch was!« antwortete die verständige Frau, »aber im Guten ist bei dem Niß viel auszurichten, laß mich nur machen!« Wo die Frau von nun an den Niß merkte, suchte sie ihn auf alle Weise einmal zum Reden zu bringen. Als sie es endlich erlangt hatte, so entschuldigte sie ihren Mann und bat den Niß um Verzeihung, und wenn er einen Wunsch habe, möge er es sagen, es solle auch alles geschehn, wenn er ihrem Mann nur wieder gut sein wollte. Da sagte der Niß: »So laß ihn den alten kranken Johann wieder ins Haus nehmen, der schon bei seinem Vater gedient hat, und verpflegt ihn gut bis an sein Ende.« Der hatte den Niß früher immer gut gehalten und er war Nachts oft bei ihm in der Kammer gewesen. Die Frau sagte die Bitte zu, Johann kam ins Haus, ward verpflegt und der Niß war ruhig. Endlich aber kam es mit dem Alten zum Sterben und er verlangte nach dem Prediger. Als dieser nun mit dem Helligsten in die Kammer trat, da sah er den Niß unten auf dem Sterbebette sitzen.

Von D. St. durch Storm.

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