Ferdinand Gregorovius
Corsica
Ferdinand Gregorovius

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Das Gelübde des Petrus Cyrnäus.

Historische Novelle von Salvatore Viale.

  – Revenge, sent from the infernal kingdom,
To ease the gnawing vulture of mind,
By working wreakful vengeance on thy foes.
Shakespeare.

Die Spanier, die Genuesen, der Papst und endlich Galeazzo von Mailand hatten kaum aufgehört, unter sich und mit den Corsen um den Besitz der Insel zu streiten, als die Herren von Cinarca einen Bürgerkrieg erregten, welcher unter uns jede Grundlage des Rechts zerstörte. Dies geschah, weil ihr Stolz durch eine Handlung offner Unparteilichkeit von Seiten des Vicekönigs Gianantonio Cotta beleidigt worden war. Hieraus folgte natürlich, daß während des Stillschweigens der Gesetze und der Ungewißheit der Staatsgewalt alle Feinde der Regierung die Herren spielten, und daß die Banditen und die Verurteilten im Buschwald gleichsam Recht und Urteil sprachen.

Es war in dieser Zeit, und gerade im Sommer des Jahres 1468, daß ich, Pietro da Felce, an Person wie an Habe von einem mächtigen Feind beleidigt, gezwungen war, mir unter den Banditen einen Verteidiger und Kämpen zu suchen. Groß war damals die Zahl der sogenannten »Könige des Feldes,« und aller Haupt war der berühmte Gigante. Dieser Mann war einer der wenigen Banditen mit weißem Bart, die man Veteranen nennen kann; und wahrlich, schon im Alter von dreiundvierzig Jahren hieß er der Decan der Banditen auf der Insel. Zwar sagte das Gerücht schon lange, er sei krank; doch je lauter dasselbe in der Pieve ward, desto weniger ward es geglaubt; viel eher schien die Nachricht von der Krankheit des Gigante den öffentlichen Schreck zu steigern, als zu mindern. Erinnerten sich doch viele, daß er, wenn einer seiner Feinde aus Furcht vor ihm sich im Haus verrammelte, sich selber in eine Höle duckte und sich todt stellte, um jenen heraus zu locken und dann unversehens abzuthun. Daher pflegte bei der Nachricht von Gigante's Krankheit immer eine neue Frevelthat zu erfolgen.

Dieser Hauptbandit führte auch den Namen Settejàcari (vom arabischen Wort jàcaro, welches Jacke heißt); aber weil seiner Namen so viele waren, als die Formen, in die er sich verwandelte, hatte er auch den hirtenüblichen Namen des Leitstiers angenommen und ließ sich Tintinnajo nennen. So nannten ihn nämlich seine Landsleute, weil er einst dem Stier seines Feindes die Glocke abgenommen und mit deren Geläute jenen in den Hinterhalt gelockt hatte. In Wahrheit, dieser Ursprung des Namens, den ich später erfuhr, war der einzige Grund, der mich vom Tintinnajo entfernte. Ich ging nun bei mir zu Rate. Indem ich unter den Banditen einen Mann von anerkannter Klugheit und Redlichkeit auswählen wollte, richtete ich endlich meine Gedanken auf Galvano da Chiatra.

Galvano war mein Verwandter; schon früher hatte er mich, eine hülflose Waise, mit Rat und That unterstützt, ehe er bei der Regierung in Ungnade fiel und ich selber häuslichen Unglücks halber nach der Romagna wanderte. Er war zuerst aus Vaterlandsliebe Bandit oder Rebell geworden, d. h. aus Haß gegen die Fremdherrschaft; mit der Zeit aber hatte er sich, sei's zu seiner eigenen Verteidigung, oder aus Verwandtenpflicht und Gemeinschaftlichkeit des Schicksals an jene Verbannten angeschlossen, welche sich Parrocchiani nannten, nach dem Erzpriester von Alesani. Nach dem Tode Paganello's und nach der Verbannung der Parrocchiani behauptete Galvano ganz allein den Namen und die Hoffnungen seiner Partei gegenüber den Genuesen. Weil er nun immer zum Herzog von Mailand gehalten hatte, durchstreifte er das Land unter dem Namen Galeazzino; aber wegen einer Maske, mit der er oft sein Gesicht bedeckte, nannten ihn die Genuesen die »eiserne Maske.« Außerdem hatte er sich durch eine fürchterliche Flinte schrecklich gemacht, die man, wie ich nachher erfuhr, Sansone nannte. Und groß war seine Fertigkeit, sie zu handhaben und mit ihr das Ziel zu treffen. Diese Flinte war eine von den tragbaren Bombarden, die auch Musketen genannt wurden, und welche durch Feuerskraft einer kleinen Bleikugel eine unglaubliche Gewalt gaben. Es war aber dieses Geschoß mit vielen andern in die Hände der Unsern gefallen, als die Catalanen bei Loreta vernichtet wurden, und zur Zeit des Bündnisses der vier Pievi gegen die Bisogni oder die barfüßigen und unbesoldeten Kriegsleute des Königs von Aragon.

Ich ging also in der Stille nach dem Gebirg S. Alessio, welches über der Pieve Alesani aufsteigt und ihr den Namen gibt. Ich klomm bis zum Gipfel des Bergs, wo unter dicht verwachsenen Eichen, welche Sturm und Alter gebeugt hatte, keine Spur eines lebenden Wesens sich zeigte, außer hie und da das einsame Lager eines Wildschweins und die zerstreuten Federn der Falkenmause, oder die Knochen vom Raub der Adler. Wie ich nun tief in das Dickicht eindrang, erstaunte ich, Galvano in der Gesellschaft eines ältlichen Mannes vor mir zu sehen, welcher nach dem Anstand und der Würde der Person, nach der Feinheit der Kleidung und des Benehmens zu schließen, von nicht gewöhnlichem Stande war. Die Physiognomie dieses Mannes, ganz und gar leutselig und doch ernst, und in so großem Widerspruch mit jenem Ort und seiner Gesellschaft, hatte in meinen Augen etwas unsaglich Fremdes und Rätselhaftes. Wahrlich, ich glaubte, er sei eher ein Schutzflehender wie ich, als ein Banditengenoß. Ich wagte weder Galvano mich zu nähern, noch ihm einen Gruß zu bieten, ehe nicht der Unbekannte auf einen Wink von ihm sich zurückzog.

Da erst ging ich mit herzlichem Vertrauen auf Galvano zu; ich erzählte ihm viele Dinge, die ich hier nicht wiederholen mag noch darf; ich wies ihm besonders den Zusammenhang meines Streites mit der öffentlichen und berühmten Feindschaft der Commune von Petricaggio nach; ja ich teilte ihm sogar meinen anfänglichen Plan mit, mich an Gigante zu wenden. Hierauf setzte ich ihm der Reihe nach all das Unheil auseinander, das ich seit lange an meiner Ehre und Habe erlitten hatte, nämlich heimliche Verläumdungen, öffentlichen Schimpf, Ausreißen der Grenzpfäle, Verwüstung der Gehege, Vertilgung des Viehs, Todesdrohungen gegen meine Hirten und Insaßen, und ähnlichen Schaden.

Galvano hörte die Geschichte meiner Leiden mit unglaublichem Gleichmut an, ich sage besser mit einem verächtlichen Lächeln, das mich in Erstaunen setzte. »Mein Neffe,« so sagte er, »wir leben in gar schwierigen Zeiten. Du siehst es: nach Paganello's Tode und nach der Vertreibung der Parrocchiani war der Bandit Gigante allerdings eine Zeitlang mein Begleiter; doch seit lange schon habe ich seine Spur verloren; ja seit einigen Monaten weiß ich nichts mehr von ihm. Du siehst also, ich bin hier ohne andere Gesellschaft als die meines magern Hundes, meiner treuen Flinte und dieses heiligen Scapuliers, der einzigen Hinterlassenschaft. die ich gegenwärtig von meinem Vater besitze; und in dieser Einsamkeit muß ich außer beständiger Pein und Not noch die ganze Last meiner Privatfeindschaften und diejenige aller meiner todten oder verbannten Genossen tragen. Ich will dir nicht sagen, wie viel Gefahren ich in diesem meinem ruhelosen Leben erduldet habe, immer auf der Flucht, hier und dort, von Berg zu Meer; und du weißt gar wol, wie die Streifereien der Häscher und die anlandenden Galeren der Genuesen so Küste wie Berg, so Verweilen wie Flucht unsicher machen. Kurz und gut, in diesem Zustand der Unsicherheit und Einsamkeit, und mürbe von Mühsal und Jahren, möchte ich mich lieber den Gefahren der Flucht aussetzen; ich möchte lieber, wenn es Gott gefällt, Corsica und Italien für immer verlassen. Folge also dem Rat, den ich als redlicher Verwandter dir gebe: um dieser Kleinigkeiten willen, die dich kränken, wende dich an die gewöhnliche Justiz, oder verzeih deinem Feinde; willst du aber weder das eine noch das andere, so folge meinem Beispiel und verlasse zum zweitenmal das Vaterland.«

Ich erstaunte, daß er all die wirklichen Leiden und Verluste, um die ich klagte, Kleinigkeiten nannte, und noch einmal und mit mehr Feuer setzte ich ihm alles aus einander. Ich gebrauchte alle Gründe, mit welchen die Leidenschaft ihre eigenen Ausbrüche zu färben und zu rechtfertigen pflegt; ich sagte ihm, daß Verzeihen oder Auswandern mir nicht allein den größten Schaden bringen, sondern auch meine Familie noch größeren Gefahren aussetzen würde; denn wiche ich der Uebergewalt eines andern, so sei ich nicht allein dem Spott aller meiner Landsleute oder Freunde und Feinde preisgegeben, sondern ich und meine Nächsten müßten den Hohn der Feigsten ertragen, welche immer die Ersten seien, gegen einen schwachen Flüchtling oder einen Ungerächten gemeine Sache zu machen. »Also,« sagte ich, »wenn ich an meinem Feinde nicht die schuldige Rache nehme, kann ich in meinem Dorf weder mit Sicherheit und Ehre wohnen, noch dasselbe verlassen. Was aber die Zuflucht zur Justiz betrifft, wo ist diese heute in Corsica? Und was kann ich von unsern Behörden gegen einen reichen und mächtigen Feind hoffen? Du kennst die traurige Lage des Königreichs in diesen verworrenen Zeiten; sie ist der Art, daß wenn ich einst deinem Rat folgte, und ich will nicht sagen Corsica, sondern mein Haus und mein Dorf verließe, ich das allein thäte, um mich den Feinden dieser Regierung, den freien Verteidigern des Vaterlands anzuschließen.«

»Dies,« unterbrach mich Galvano, »ist ein anderer Gegenstand, welcher mit unserer Sache wenig oder nichts zu thun hat. Weil du aber auf die öffentlichen Zustände zu sprechen kommst, so will ich dir sagen, daß ich dich mit solchem Leim leicht fangen könnte. Ich erinnere mich wol, daß ich in deinen Jahren mit diesem Gerede von Vaterlandsliebe in den Buschwald gelockt ward; sie ist im Grunde nichts als Eigenliebe oder persönlicher Haß gegen diesen und jenen; ich merkte es leider erst, als es zu spät war umzukehren. Aber ich ward rechtschaffener als meine Genossen, denn wenigstens lachte ich seither immer hell auf, wenn sie mir von Vaterlandsliebe sprachen. Du siehst, Pietro, daß ich weder selbst betrogen sein, noch andere betrügen will. Halte dich also, wenigstens für jetzt, an meinen ersten Rat: kehre friedlich in dein Dorf zurück, und noch einen Monat lang bemühe dich auszuweichen, nichts zu wissen, und wo möglich den Trotz und die Herausforderung deines Feindes zu ertragen. Mittlerweile wirst du Muße haben, mit reiflicher Ueberlegung dich zu entschließen; denn jetzt ist dein Blut in Wallung, und ich weiß nicht, ob dir der Kopf auf dem rechten Flecke sitzt. Hast du dann nach dreißig Tagen dein Gefühl nicht geändert, so erwarte ich dich hier unfehlbar am dreißigsten Tage, und sei sicher, wir werden dann ein Heilmittel ausgefunden haben.«

Nach meiner Rückkehr nach Felce dauerte in mir der Groll gegen meinen Feind fort; aber entschlossen, den Rat meines Ohms treu zu befolgen, bemühte ich mich, so viel als möglich einsam und unbemerkt zu leben. Ich floh den Anblick und die Begegnung meines Feindes, selbst meiner Mitbürger. Und obwol diese erzwungene Einsamkeit und die ungewöhnliche Unthätigkeit mich nachdenklicher und empfindlicher machten, fand ich doch die Kraft, den unaufhörlichen Uebermut meines herausfordernden Feindes zu ertragen. Sein Haß gegen mich war, wie ich glaube, von einem versteckten Aufstachler schlau genährt worden, einem Menschen, der meine Worte und Handlungen ihm hinterbrachte. Ich spreche von einem jener Uebelstifter, die sich zwischen zwei Feinde drängen und die Handlungen des einen übertreiben und verschlimmern, aus verstelltem Eifer für den andern und mit dem heimlichen Plan, beiden zu schaden. Als nun mein Feind, durch solche Einflüsterungen aufgestachelt, mein Schweigen und meinen offenbaren Stumpfsinn sah, fand er doch das Mittel, mich in Harnisch zu jagen. Er bediente sich ich weiß nicht welches Vorwandes, um seinen alten und neuen Groll gegen einen würdigen Geistlichen zu wenden, meinen teuersten Blutsverwandten; er wußte wol, daß ich diese neue Beleidigung als eine persönliche betrachten müsse, weil sie in der That aus Haß gegen mich wider einen unschuldigen Vetter gerichtet war. Wie ich nun jenen tugendhaften Greis um das Beneficium einer erblichen Kaplanei gebracht sah, und sogar eines Sonntags in der Kirche seinen Namen laut von der Tafel ablesen hörte mit öffentlicher Drohung, oder mit dem Todtengruß des Pater noster, als ich sah, wie er gezwungen war, sich außerhalb seiner Pieve einen Zufluchtsort und das Brod zu erbitten, da freilich ging mir die Geduld aus, und am festgesetzten Tage suchte ich Galvano auf, am bezeichneten Ort auf dem Berge Sant' Alessio.

Ich trug ihm, und nicht ohne gerechte Uebertreibung, meine zweite Klage vor, ich erzählte ihm, wie die Frevel meines Feindes meinen Vetter und mich selbst zur Flucht aus dem Dorf gezwungen; ich fügte hinzu, wie die wiederholten Beleidigungen eines solchen Menschen gegen einen seiner Neffen eine offenbare Nichtachtung seiner selbst bekundeten, und wie er wenigstens aus Verwandtenpflicht an meiner gerechten Rache Anteil nehmen müsse.

Galvano hörte aufmerksam und ruhig meine neue Klage an, aber bei dem letzten Vorschlag zog er die Augenbrauen zusammen. »Ei,« rief er, »sprich die Wahrheit, kamst du her, daß ich allein mich mit deiner Rache belade? Bin ich in deinen Augen so elend und verworfen, daß du mich wie ein feiles Werkzeug deines Hasses, oder, wie man sagt, wie deine Lanze zu gebrauchen wähnest?«

»Nein,« antwortete ich, »ich kam nur, um von dir Rat und Hülfe zu erbitten; und wenn du in diesem Fall sie verweigerst, so werde ich den Weg zu Gigante finden, und sei es wie es sei, ich bin entschlossen, auf jede Weise mich selbst zu rächen.« – »Bist du,« antwortete Galvano, »wirklich fest in diesem Entschlusse, so brauchst du, wie ich glaube, wenig Rat. In Wahrheit, was hindert dich, dem Beispiel deines Gegners zu folgen und ihm Gleiches für Gleiches zurückzugeben?«

Hier begann der Bandit mir alle Arten, andern zu schaden, aufzuzählen, wie sie die bösesten Menschen anwenden, d. h. Felder und Weinberge verwüsten, die Einmieter bedrohen, die Ackersleute, die Zeugen, die Richter einschüchtern, den Feind und seine Partisanen bedrohen und angeben, eigene Freunde und dessen Feinde zu seinem Schaden in die Verschwörung ziehen.

»Ich nun,« fuhr er fort, »könnte dich, wenn ich wollte, in allen diesen Stücken thatsächlich oder durch meine Vertrauten unterstützen, und wisse, daß ich deren nicht wenige unter den Reichen und Betitelten zähle, die mir im Notfall helfen würden. Denn da wir Banditen alle nötig haben, so müssen wir es dahin bringen, daß auch Alle unser im Guten oder Schlimmen einigermaßen benötigt sind. Daher mangelt es uns keineswegs an freiwilliger Freundschaft und gefälligem Anhang, noch an edlen Gevatterschaften und, wenn es Not thut, an gelahrten Secretären. Ja, zwischen zwei streitenden Parteien hält der Bandit immer das Gleichgewicht, und der Neid der Familien ernährt uns. Doch um auf unsern Gegenstand zurückzukommen, glaube meinen Jahren und meiner Erfahrung: alle jene Vergeltungen, alle jene Angriffe, die ich dich lehrte, sind ein ewiges Hin und Her, das dich früh oder spät nötigt, zu sterben oder sterben zu machen. Und sage mir dreist, hast du den Mut, zwischen diesen Gefahren zu stehen? Hast du den Mut, wenn du, statt zu sterben, ein Mörder werden solltest, alle die Folgen davon zu ertragen? Denke ernstlich nach, Pietro: diese Frage ist nicht zufällig, ich thue sie mit Absicht, denn bist du von jetzt ab zu jenem Schluß bereit – sag' mir – wäre es dann nicht besser, daß du begännest, wo du aufhören müßtest? So wirst du wenigstens die Freiheit der Wahl zwischen beiden Entschlüssen haben.«

Es war kaum vierundzwanzig Stunden her, daß die Ränke meines Verfolgers mich und meinen Verwandten zur Flucht aus der Heimat gezwungen hatten; daher faßte mich jene wiederholte und dringende Frage Galvano's gerade im heißesten Zorngefühl, in der wildesten Rachlust, und ich bekenne, daß ich in jenem Augenblick dem heftigen Vorschlag des Banditen bejahend antwortete.

»Ich nehme dich beim Wort,« sagte er; »und weil du das Herz hast, den mutigsten und kürzesten Entschluß zu fassen, so verdienst du mein Vertrauen und meine Hülfe. Auf! nimm deine Lanze, komm mit mir und glaube mir, es wird der morgende Tag nicht untergehen, bevor dir genug geschah, nein, nicht einmal der heutige.«

Indem er so sprach, blieb er einen Augenblick stehen, wie in Gedanken, und nachdem er den Mond genau betrachtet hatte, wie die Banditen pflegen, fuhr er fort: »Nein, so lange dieser Vollmond dauert, kann man nichts thun, aus Liebe zum Octavarium des heiligen Pancrazius. Du mußt dir merken, daß dieser Heilige der Advocat und Beschützer der Verbannten ist, und ich im besondern achte diese Woche wegen eines feierlichen Gelübdes heilig. Vor dem Neumond, der auf den ersten Tag nach der Octave fällt. würde ich mir ein Gewissen machen, irgend wen zu schädigen, wäre es selbst ein Catalan oder ein Genuese; ja ich würde nicht einmal gestatten, daß ein anderer in meiner Begleitung einem Menschen ein Haar krümmt. An einem dieser Tage – es sind jetzt gerade drei Jahre – verwundete mich der Pfeil eines Spaniers zwischen den beiden Knochen des rechten Beins, ohne mich sehr zu beschädigen. Hätte er nun aber zufällig einen oder den andern Knochen zerbrochen oder zersplittert, so würde die Wunde tödtlich gewesen sein; denn sie würde mich gegen mich selbst zu einem schlimmen Dienst gezwungen haben. In ähnlichen Fällen sah ich, wie einer meiner Genossen dem andern solchen Dienst leistete, versteht sich, auf seine Bitte.« Während er dies sprach, ließ er aus seinem Aermel den blanken und schon etwas abgenützten Knauf eines kleinen Dolches hervor blicken. – »Seit jenem Gelübde,« fuhr er fort, »mache ich an diesen Tagen gleichsam Ferien, oder vielmehr Abstinenz. Und das sollst auch du mir dem Heiligen zu Liebe halten. Ich werde diesen kurzen Waffenstillstand benutzen, um dich zu belehren und für dieses neue Kriegsleben ein wenig geschickt zu machen. Vertraue dich, Pietro, meiner Schule, und binnen acht Tagen hoffe ich dich in einen neuen Menschen verwandelt zu sehen. Ja, weil du meinen Freund Gigante aufsuchen wolltest – ja wol, in wenig Tagen besuchen wir ihn, und, merk' es dir gut, hier auf eben dieser Stelle.«

So sprach der Bandit und dann warf er seine Kapuze und den Ranzen über die Schulter und fügte hinzu: »Erinnere dich, daß deine, ich wollte sagen unsere Rache bis zum Neumond vertagt ist. Aber du mußt sie von jetzt an als vollzogen ansehen, d. h. du mußt von jetzt an als guter Rekrut und Kamerad mit mir leben und handeln.«

Kaum hatte er diese Worte gesagt, so veränderten sich mit einemmal sein Wesen und seine Sprache; ja seine Gesichtszüge wurden andere, so daß es schien, er nahm nun den Namen und das Antlitz des Galeazzino und der eisernen Maske an und mit ihm alle schrecklichen Eigenschaften jener Kämpfernamen. Er schien mir fürwahr in einen andern Menschen verwandelt, als er den Sturmhelm auf das Haupt geschnallt und die Visirmaske herunter gelassen, die Muskete ergriff und mit kurz abgebrochenem und herrischem Ton mir befahl, voran zu marschiren gegen den Berg Punta a tre Pievi.

Während ich nun, wortlos, mit gesenktem Haupt die Straße einschlug, lief seine Dogge Brusco, schon an solche Wanderungen gewöhnt, und als wüßte sie die Gedanken seines Herrn, knurrend voraus, und sie litt nicht, daß ich ihm auch nur einen Schritt voran that.

Ich hatte von Manchem die Waghalsigkeit, die Freiheit und die Macht der »Männer vom Buschwald« rühmen hören, und obwol ich ein wenig wider Willen dem unerwarteten Befehl Galvano's gehorchte, so hatte ich doch aus jugendlicher Lebhaftigkeit eine Lust daran, einige Tage lang dieses wilde, zügellose und von aller öffentlichen Meinung und allem Gesetz freie Leben nicht allein kennen zu lernen, sondern selbst zu leben. Außerdem war ich ja den Nachstellungen meiner Dorfgenossen entgangen, und ich fühlte mich sicherer in der Gesellschaft dieses fürchterlichen und verzweifelten Mannes. Frei also in meinem Gefühl und in meinem Haß, empfand ich nicht einmal, in welche schreckliche Abhängigkeit ich mich eben gegeben hatte; ich tröstete mich mit dem Gedanken, daß ich nicht allein meinen Feind nicht mehr zu fürchten brauche, sondern daß ich ihm furchtbar werden müsse, sobald er erfuhr, welchen verzweifelten Entschluß ich gefaßt hatte.

Noch nie zuvor hatte ich mich so unabhängig gefühlt, noch nie so sehr als Herr meines ganzen Wesens, als wie ich vom Gipfel der Rotonda und des Calleruccio mit einem Blick die ganze Küste der Insel umfaßte, von den Ebenen von Salenzara bis zur Spitze des Cap Corso. Ich war nun zum zweitenmal aus meinem heimatlichen Tal getrieben, und ich betrachtete mit Erstaunen jene weite und herrliche Ansicht. Von dieser Entfernung aus sah ich hinab in die Nebel und Schlünde meiner Pieve, und kaum unterschied ich die Häuser von Petricaggio, klein wie eben so viele Bienenstöcke.

Galvano ruhte mit mir über dem Gipfel von Calleruccio. Er hatte seinen Ranzen, seinen Helm und das Visir auf die Erde abgelegt, und nachdem ich nun ein wenig Odem geschöpft, weigerte ich mich nicht, ihm zu Liebe den Mantelsack und jene Rüstung auf mich zu laden und die Bergsteile hinabzutragen. Aber ich hatte noch nicht eine halbe Meile zurückgelegt, als ich, schweißtriefend und atemlos, zu ihm sagte: »Ich begreife nicht, wie ein Bandit, der doch flink zu Fuße sein soll, sich die Last solchen Gepäckes aufbürden mag.« – »Du weißt also nicht,« antwortete jener, »daß der Flüchtling sein Haus auf dem Rücken trägt, wie die Schnecke?«

Und hier sagte er mir, daß schon das Zurücklassen eines seiner Schuhe an irgend einem Ort seinen Aufenthalt verraten würde; und er erzählte mir von einem Banditen mit Namen Sette-Fiati (Sieben-Lunge), und bekannter unter dem Namen Micione, weil er die Katze so gar geschickt nachmachen konnte, wie der viele Jahre lang die Verfolgungen der Justiz hintergangen hatte und endlich doch in die Hände der Häscher gefallen war, weil ihn im Grunde einer Höle eine Spur verriet; den Spion aber hätten gemacht ein kleines Crucifix und eine Kürbisflasche.

»Merke dir als Regel,« fügte er hinzu, »daß in diesem Ranzen all meine Notdurft enthalten ist, d. h. Lebensmittel, ein wenig Wäsche, Koch- und Schreibebedarf, der Stal, ein Päckchen Sublimat, desgleichen eines mit Wundsalbe und zwei Bücher, die Canzonen des Petrarca und der Sterbende Christ des Pater Guglielmo von Speloncato.«

Unter den verschiedenen Kleinigkeiten, welche Galvano's Ranzen enthielt, will ich ein seltsames Gerät nicht vergessen; es war dies eine Glocke, jener des Tintinnajo ähnlich, welche Galvano als Signal diente, wenn er mit jenem Banditen eine Zusammenkunft hatte. »Mir gab sie Gigante,« sagte er, »und er hat mich gelehrt mit ihr zu fragen, zu antworten, ja selbst von einem Felsen zum andern mich zu unterhalten. Er lehrte mich auch jenes Geläute der Kuh nachahmen, wenn sie weidet, und dieser Ton hat mir mehr als einmal das Leben gerettet; denn oft hat er im Gewirre des Buschwaldes die Häscher von meinen Spuren abgelenkt.«

Wir entfernten uns immer mehr von der Pieve Alesani, und bald durchschritten wir das tiefste Gebüsch, bald liefen wir um unsere Fußspur zu verbergen oder kein Geräusch zu machen, barfuß über das Dornicht und den spitzigen Kies der Wildbäche. Ich erinnere mich, daß wir nie zwei Nächte hintereinander an demselben Ort verweilten, und wegen einer Rast von fünf oder sechs Stunden, die wir an irgend einem Ort nahmen, waren wir dann gezwungen, uns in Eile 25 oder 30 Millien zu entfernen, um die Verfolgungen der Feinde und des Gerichts zu täuschen. Aus demselben Grunde nahmen wir täglich eine entgegengesetzte Richtung, immer von Ost nach West, von West nach Ost, und durch die waldigsten und unzugänglichsten Gegenden. Nie hielten wir an, außer wenn es nötig war, uns durch Speise und Schlaf zu stärken. Mit diesen mühsamen Zickzackwanderungen glaube ich in der Länge und Breite ein gutes Dritteil Corsica's durchirrt zu haben; und als nun unser Mundvorrat ausging, sagte ich zu Galvano, daß ich ohne Speise dieses beständige ziellose Laufen schwerlich ertragen könne.

Wir wollten uns von der Hitze des Tages erholen und machten eine lange Rast im Schatten eines Eichengebüsches, wo der Berg von S. Appiano sich gegen die Täler von Alesani hinab erstreckt. Ich irrte kreuz und quer durch jene alten Urwälder, und da ich nichts fand als Eichelhülsen und fette Gräser, wegen deren jener Berg berühmt ist, pries ich Galvano meine Geschicklichkeit, Eber und Hasen mit dem Pfeil zu treffen, und ich erbot mich für unsere Malzeit reiches Wildpret zu liefern.

»Da sieht man,« antwortete Galvano, »daß du noch ein Knabe bist, denn du glaubst wahrlich, hier mit mir auf einer Lustjagd zu sein. Schlage dir, ich bitte dich, diesen Einfall aus dem Sinn, und schone deine Pfeile und deine Lanzenspitze für eine ernstere Gelegenheit. Merke dir, daß wir weder das Wild jagen, noch sein Fleisch rösten können, ohne unsern Feinden und dem Volk uns zu verraten; würden diese den Hund bellen hören oder den Rauch des Feuers sehen, so möchten sie leicht auf uns selber Jagd machen. Aus all diesen Gründen pflegen wir Banditen mit dem Wild in Frieden zu leben, und wir essen nur gesalzenes Fleisch. Ich will dir sagen, daß mein Brusco ehemals ein trefflicher Jagdhund war; aber gegenwärtig hat er allen Geruch verloren, außer wenn es gilt, die Catalanen und Bisogni zu packen, und wahrlich, er erkennt sie am Atem und faßt sie besser als eine Dogge den Hasen.«

Hierauf zeigte er mir ein fettes Kalb, welches auf einer nahen Weide graste, und sagte mir, daß wir nicht einmal dieses uns aneignen dürften; auch sei es eine Schurkerei, ein fremdes Thier zu tödten, nur um es zu essen, und könnte nicht minder gefährlich sein, weil es die Zahl der Feinde ohne Not vermehrte. – Ich antwortete auf diese Reden kein Jota, aber meine Miene mußte ein wenig verändert und bestürzt erscheinen, denn er sah mich scharf an und fügte hinzu:

»Du leidest, Pietro, ich sehe es; aber du würdest weniger empfindlich und bekümmert sein, wenn du dich besser dessen erinnertest, was dich dein Feind hat erdulden lassen; ja es wäre nicht übel, hätte er dir einen guten Denkzettel mitgegeben. Auf und Mut gefaßt! und merk' auf eine andere Belehrung! Gib wol Acht, mit mir heiter und guten Muts zu sein und mir weder Trübsinn noch Mißtrauen zu erregen; denn was ist das für eine Rachlust, die nicht drei Tage der Nüchternheit aushält? Willst du, daß ich dir trauen soll, so halte mir wacker den Hunger aus und gewöhne dich, wie wir zu sagen pflegen, die Quaresima des Teufels durchzumachen.«

Bei diesen letzten Worten fühlte ich meine Kniee ein wenig zittern; aber ich wollte meinen Gefährten von meinem guten Willen überzeugen, warf mein Mißbehagen ab und beeilte den Schritt aufwärts über die Flanke des Berges von Mutari.

Als wir beim Portello angelangt waren, das heißt an jener Oeffnung des Berges, durch welche von jener Seite das Tal von Alesani sich aufzubrechen scheint, befahl mir der Bandit, aus Furcht vor dem gefährlichen Ort, von der Straße abzulenken. Ich mußte nun ihm auf den Fersen die Felsen empor klettern, die jenen Schlund überragen. Also kroch ich auf Händen und Füßen bis zum letzten Block hinan, und dort oben warf ich mich, von der Mühsal erschöpft, unter einen Baum. Dann betrachtete ich mit einem gemischten Gefühl von Freude und Kummer zum zweitenmal meine Pieve wieder.

Wir machten uns wieder auf und kamen an einen Ort, von wo wir das Dorf Felce erblickten und sogar die Balkone und die Schießscharten meines väterlichen Hauses und die meines Feindes. Galvano zeigte mir der Reihe nach meine Felder und Gehege, welche teils mit Gewalt in Besitz genommen waren, teils offen und unverteidigt da lagen. Jener Haß, welchen die Entfernung und so viele Strapazen bisher in meinem Herzen eingeschläfert hätten, erwachte plötzlich bei diesem Anblick in voller Heftigkeit. Mattigkeit, Melancholie, Furcht, Hunger, alles war mit einemmal vergessen; ich fühlte nichts als Haß und Rachegroll, und selbst der Gedanke der erduldeten Mühen reizte die Wut gegen meinen Feind auf, statt sie zu mindern, und ließ mich ihm allein alle jene Leiden und meine eigene Torheit aufbürden.

So stand ich von diesen Gedanken bewegt, als Galvano zu mir sagte: »Schau, Pietro, Pirelli liegt nahe und du hast Speise nötig. Ich gebe dir eine Stunde Zeit; geh in jenes Dorf nach Lebensmitteln, oder vielmehr treibe meine Steuer ein. Ehe du dich aufmachst, hast du jedoch zwei Marken nötig, die eine für die Personen und die andere für mich selber. Sieh, hier ist sie!« Und alsogleich stieß er einen hellen Pfiff aus und sagte mir, daß dies das Zeichen für die Genossen und die Verwandten sei. Hiebei erzählte er mir, wie einst ein Bandit aus Irrtum seinen Bruder getödtet hatte, während dieser ihm heimlich das Brod aus dem Hause zutrug; denn er hatte nicht das Zeichen gegeben.

»Die andere Marke,« fuhr er fort, »ist das erste Pfand des Vertrauens und der Freundschaft, das ich dir gebe, und es wird ein unfehlbar Mittel sein, reichlichen Vorrat zu schaffen. Schau, dieses Gewehr gehörte einst einem meiner berühmtesten Vorgänger.« Und mit diesen Worten ließ er mich den Namen Sansone lesen, den ich dem Gerücht nach schon kannte und der mit einer Dolchspitze auf dem Musketenkolben eingeritzt war; und während ich bei diesem Anblick mich zwang, meine Furcht zu verbergen, sagte er: »Nimm, nimm diese Flinte! Was? du hast Angst? Geh dreist nach Pirelli mit diesem Grillenverscheucher; fordere im ersten besten Hause Lebensmittel für unsern Bedarf und zähle darauf, daß du einen Creditbrief in Händen hast; denn es weiß ein jeder, daß Brod und Wein verweigern uns den Krieg erklären heißt, und wahrlich, wir machen zwischen dem, der uns durch's Schwert, und dem, der uns durch Hunger umbringen will, keinen Unterschied.«

An dem Namen Sansone erkannte ich die Waffe, welche einst Brandolaccio da Casacconi, den Bergbanditen, berühmt und furchtbar gemacht hatte; ich bedachte, welcher Gefahr ich mich aussetzte, wenn ich eine Botschaft ausrichten ging, diesen schrecklichen Geleitsbrief in der Hand. Hiemit lief ich ja Gefahr, allen Menschen, Bekannten und Unbekannten, Freund und Feind den Frieden für immer aufzusagen. Ich erkannte nun die fürchterliche Lage, in die ich mich von dem Augenblick an versetzen mußte, so bald ich mich in Pirelli mit diesem wahrhaften Banditendiplom blicken ließ.

Ich verbarg Galvano mein Widerstreben und sagte ihm, wie es auch die Wahrheit war, daß ich mich stark genug fühlte, den Hunger bis zum folgenden Tag auszuhalten. Auf dieses zog er ein Tuch aus der Tasche und gab es dem Hunde in das Maul; dann nahm er die Glocke aus dem Ranzen und hing sie ihm an den Hals, damit, wie er sagte, ihr Ton uns zum Zeichen diene, wenn der Hund wieder kam. Hierauf wies er ihm den Weg gegen das Kloster des heiligen Franciscus. Während nun das Thier, als wäre es stolz, jenes Zeichen zu tragen, in der Richtung aufs Kloster fortsprang, wandte sich Galvano zu mir und sagte:

»Es freut mich, daß du bereit bist, meine Enthaltsamkeit nachzuahmen; nur möchte ich auch sicher sein, daß du jenen Auftrag nicht aus Furcht abgelehnt hast; ich will sagen, aus Furcht als Erbe Brandolaccio's und Gesandter des Galeazzino zu erscheinen. Wäre dies der Fall, so bedenke, Pietro, daß, wenn du vor sechs Tagen deine Vendetta vollzogen hättest, du jetzt ein regelrechter Bandit wärest. Nun hast du an jenem Tage mir das Wort gegeben, dich zu rächen, und deshalb bist du vor meinen Augen bereits verurteilt. Sende getrost von hier aus einen Kuß an alle vier Winkel deines Hauses und denke, daß du der Justiz bereits den Handschuh hingeworfen und, wie wir sagen, das Sonetto empfangen hast, d. h. die Sentenz in contumaciam. Wisse überdies, daß ein Mensch, der mit mir drei oder vier Tage gelebt hat, sich von mir nicht trennen darf, ohne mich oder die Justiz, und, was schlimmer ist, uns beide zu Feinden zu haben.«

Also sprach Galvano und machte mir mit dem Musketenlauf das gewohnte Zeichen, ihm voran zu gehen. Wir schritten nun vorwärts und gelangten im Abenddämmern an einen verlassenen Turm in einem tiefen Grunde, wenige Millien von Felce. Dort saß ich quer über einem Felsen und betrachtete ängstlich den Neumond, welcher mit einem zweifelnden Schein die Spitze von St. Alessio kaum bestreifte. So in Gedanken vertieft, hörte ich von ferne plötzlich ein Schellengeläute im Buschwald. Im ersten Augenblick fürchtete ich die Ankunft des Gigante; aber bald erkannte ich Brusco, welcher ganz fröhlich daher sprang, ein Bündel in seinem Maule.

»Da sieht man,« sagte mein Gefährte, »daß dieses Thier den Auftrag besser ausgerichtet hat, als ein Mensch deines gleichen es würde vermocht haben.« Und gleich ging er Brusco entgegen, und nachdem er aus einem Tischtuch ein großes Brod von Roggenmehl und eine Kürbisflasche voll Wein von Verde gezogen hatte, entblöste er seinen Dolch, um das Brod zu zerteilen, tauchte ein Stück davon in Wein und warf es dem Hunde in den Schlund; sodann nahm er, wie gewöhnlich, die Muskete zwischen die Schenkel und aß behaglich auf dem Grase. Ich trank gierig aus der Flasche, und obgleich ich allen Appetit verloren hatte, zwang mich Galvano dennoch, mit ihm und Brusco jenes schwarze, ein wenig muffige Brod zu teilen und meinen Anteil bis auf die letzte Krume zu verzehren.

Hierauf fiel mir, da ich den Schlund von Felce nahe vor mir sah, Tintinnajo oder der Bandit Gigante ein, und der Besuch, welchen Galvano ihm zu machen mir versprochen hatte. Ich fürchtete, mich zu dieser Stunde dort zwischen jenen zwei Banditen allein zu finden, und wollte Galvano um Gigante befragen; aber ich hielt mich zurück, ich scheute mich sogar, seinen Namen auszusprechen. Er fing indeß sehr vertraulich mit mir zu reden an, und um, wie er sagte, den Schlaf und den Hunger zu hintergehen, begann er mir mehrere Züge aus seinem Leben zu erzählen.


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