Ferdinand Gregorovius
Corsica
Ferdinand Gregorovius

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Zwölftes Kapitel.

Wiederum erheben sich nach einander zwei kühne Männer, Genua zu bekämpfen. Giampolo da Leca war, wie wir gesehen haben, mit den Fregosi in Verwandtschaft getreten. Obwol diese Herren ihre Titel der Bank übertragen hatten, konnten sie doch den Verlust ihrer Herrschaft nicht verschmerzen. Janus reizte seinen Verwandten zur Empörung gegen den Governator Matia Fiesco. Giampolo begann den Krieg. Aber er sah sich genötigt die Waffen niederzulegen und mit Weib und Kind und Freunden nach Sardinien auszuwandern, im Jahre 1487.

Kaum verging ein Jahr, als er wieder erschien, gerufen von seinen Anhängern. Wiederum unglücklich entwich er zum zweiten Mal nach Sardinien. Mit Grausamkeit bestraften jetzt die Genuesen die Aufständischen; die Gährung wuchs; zehn Jahre lang schwoll der Haß. So lange saß Giampolo in seinem Exil, rachesinnend, die Augen immer auf seine mit Gewalt erdrückte Heimat gerichtet. Dann kam er wieder. Er hatte nicht Geld noch Waffen, vier Corsen und sechs Spanier waren sein alleiniges Heer, und mit demselben landete er. Das Volk liebte ihn, weil er edel und tapfer, und von großer Schönheit der Gestalt war. Es liefen ihm die Corsen sofort zu. die von Cinarca, von Vico, von Niolo und Morosaglia. Bald hatte er 7000 Mann zu Fuß und 200 zu Pferde, eine Macht, welche der Bank in Genua Schrecken einflößte. Sie schickte Ambrosio Negri, einen bewährten Feldhauptmann, auf die Insel. Negri wußte einen Teil der Partei Giampolo's an sich zu ziehn und namentlich Renuccio della Rocca, einen kühnen Edeln, zu fesseln. Giampolo's Macht zerrann, der Rest wurde am Paß del Sorbo geschlagen. Nachdem auch sein Sohn Orlando gefangen war, schloß er einen Vertrag, welcher ihm gestattete, auszuwandern. Mit fünfzig Corsen ging er wieder nach Sardinien, im Jahr 1501, im bittern Schmerz sein Leben zu vertrauern.

Giampolo's Fall war hauptsächlich die Schuld des Renuccio della Rocca. Dieser Mann, das Haupt der stolzen Familie Cinarca, erkannte, daß die genuesische Bank den Plan verfolgte, die Macht der Signoren, die besonders jenseits der Berge ihren Sitz hatten, auch im letzten Rest und für immer zu brechen, und daß an ihn selber die Reihe kommen werde. Dies erkennend stand er plötzlich in Waffen, im Jahr 1502. Der Kampf war kurz und für Genua glücklich, dessen Befehlshaber damals einer der Doria war, welche sich durch Kraft und Grausamkeit auszeichneten und denen allein es die Republik verdankte, daß der Adel Corsica's endlich gebrochen wurde. Nicola Doria zwang Renuccio zu einem Vergleich und legte ihm die Verpflichtung auf, mit Weib und Kindern fortan in Genua zu wohnen.

Noch immer saß Giampolo in Sardinien. Ihn fürchtete Genua vor allen und machte mehrmals Versuche, sich gütlich mit ihm zu vertragen. Sein Sohn Orlando war gerade aus dem Kerker entflohen und nach Rom gegangen, von wo aus er in seinen Vater drang, der stummen Thatlosigkeit sich zu entreißen. Dieser aber verharrte in seinem Schweigen und hörte weder auf die Einflüsterungen seines Sohnes noch auf die Genua's. Da verschwand plötzlich Renuccio von dort im Jahre 1504; Weib und Kinder ließ er dem Feind und ging heimlich nach Sardinien Giampolo aufzusuchen, welchen er ehedem in das Elend gestürzt hatte. Doch dieser ließ ihn nicht vor sich. Er wehrte auch den Bitten der Corsen, welche alle ihn erwarteten. Seine eigenen Verwandten hatten unterdeß seinen Sohn ermordet. Der Vicekönig hatte die Mörder gefangen und wollte sie hinrichten lassen, um Giampolo ein Zeichen der Freundschaft zu geben. Aber der edle Mann verzieh ihnen und bat um ihre Freilassung.

Renuccio sammelte indeß achtzehn entschloßne Männer und landete in Corsica, nicht zurückgehalten durch das Schicksal seiner Kinder, welche man gleich nach seiner Flucht in einen finstern Turm geworfen hatte. Nicola Doria säumte nicht ihn zu treffen und im ersten Anlauf zu überwältigen. Um ihn zu erschüttern ließ er seinem ältesten Sohne den Kopf abschlagen und drohte dem jüngsten ein gleiches zu thun, nur die flehentlichen Bitten des Knaben verhinderten die Unthat. Der unglückliche Vater, überall geschlagen, floh nach Sardinien, weiter nach Aragon. Doria aber wütete gegen alle die ihm angehangen; weite Strecken der Insel legte er wüst, die Dörfer niederbrennend und die Einwohner zerstreuend.

Renuccio della Rocca kam wieder im Jahr 1507. Er wollte eher sterben, als die Herrschaft Genua's auch nur von weitem sehn. Der unbeugsame Mann war ganz der Widerspruch zu dem verschlossenen, schmerzvollen Giampolo. Mit nur zwanzig Menschen betrat er sein Vaterland. Diesmal kam ihm ein anderer Doria entgegen, Andrea, der nachmals große Doge, welcher unter seinem Vetter Nicolò gedient hatte. Der corsische Geschichtschreiber Filippini verschweigt die Grausamkeiten nicht, welche Andrea in diesem kurzen Kampf beging. Es gelang ihm schnell, Renuccio zu erdrücken und ihn zu zwingen mit freiem Geleit sich ein zweites Mal nach Genua einzuschiffen. Als der Corse dort ankam wollte ihn das Volk zerreißen; schnell barg ihn der französische Gouverneur in sein Castell.

Drei Jahre waren vergangen. Plötzlich zeigte sich Renuccio wieder in Corsica. Aus Genua entflohen hatte er vergebens bei den Fürsten Europa's um Hülfe gebeten, und noch einmal dem Schicksal trotzend, war er mit acht Freunden ausgezogen und in seiner Heimat gelandet. Weinend empfingen ihn frühere Vasallen in Freto, erschüttert von dem gehäuften Unglück des Mannes und seiner beispiellos kühnen Seele. Er sprach zu ihnen und beschwor sie noch einmal das Schwert zu ziehn. Sie schwiegen und gingen. Einige Tage blieb er in Freto versteckt. Da kam zufällig Nicolo Pinello, Schützenhauptmann aus Ajaccio auf seinem Pferde. Der Anblick desselben erbitterte Renuccio so sehr, daß er ihn Nachts überfiel und erschlug, sein Pferd nahm und nun öffentlich sich zeigte. Auf die Kunde von seiner Anwesenheit zogen die Truppen aus Ajaccio, ihn einzufangen. Er floh in die Berge, gehetzt wie ein Bandit oder ein wildes Thier. Weil nun die Verfolger die Bauern seinetwillen peinigten, zogen diese es vor ihrer Not ein Ende zu machen und ihn zu tödten. Man fand Renuccio della Rocca im Monat Mai des Jahres 1511 elend erschlagen in den Bergen. Er war einer der mannhaftesten vom edlen Hause der Cinarca. Man sagt, so erzählt der corsische Chronist, daß er bis zu seinem letzten Ende sich gleich blieb, in seinem Tode aber nicht weniger Heldenmut zeigte als in seinem Leben, und das wahrlich zu seinem großen Lobe, weil ein hochherziger Mann niemals den Adel seiner Seele verlieren darf, auch wenn das Schicksal ihn zu einem schmählichen Tode zwingt.

Giampolo war unterdeß nach Rom gegangen, um bei dem Papst Leo dem Zehnten Hülfe zu suchen, und unglücklich in seinem Bemühn, war er im Jahre 1515 dort gestorben.


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