Ferdinand Gregorovius
Corsica
Ferdinand Gregorovius

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Sechstes Kapitel.

Im Besitz des königlichen Titels wollte Theodor auch einen königlichen Hof um sich sehen, und war deshalb nicht sparsam mit Austeilung von Würden. Er ernannte Don Luis Giafferi und Hyacint Paoli zu seinen ersten Ministern und verlieh ihnen den Grafentitel. Xaverius Matra wurde Marquis und Großmarschall des Palasts, Giacomo Castagnetta Graf und Commandant von Rostino, Arrighi Graf und Generalinspector der königlichen Truppen. Noch andere ernannte Theodor zu Baronen, Markgrafen, Generallieutenants, königlichen Gardecapitänen und setzte sie zu Commandanten verschiedener Landesteile ein. Der Advocat Costa, nunmehr Graf Costa, wurde Großkanzler des Reichs, und der Doctor Gaffori, nunmehr Marquis Gaffori, Secretär des Cabinets seiner Majestät des constitutionellen Königs.

So lachenswert alle diese pomphaften Einrichtungen auf dem Grunde des corsischen Elends auch erscheinen mußten, so nahm der König Theodor es doch ernst mit seiner Aufgabe. In kurzer Zeit hatte er die Ruhe im Lande wiederhergestellt, die Familienkriege geschlichtet, ein wolgeordnetes und in Companieen geteiltes Heer ausgebracht, mit welchem er dann gleich im April 1736 Porto Vecchio und Sartene den Feinden entriß. Der Senat Genua's hatte das Rätselhafte, was vor seinen Augen geschah, erst voll Furcht angestaunt, es möchten Absichten einer fremden Macht dahinter verborgen sein; als sich aber der Baron Theodor enthüllte, war man eilig ihn durch Pamphlete lächerlich zu machen und als einen tiefverschuldeten Glücksritter zu brandmarken. Der König Theodorus antwortete auf diese genuesischen Manifeste mit deutscher Grobheit. Er zog dann in Person gegen Bastia, kämpfte heldenmütig vor den Mauern der Stadt, und da er sie nicht nehmen konnte, schloß er sie ein, streifte zu gleicher Zeit in das Innere der Insel, vernichtete feindliche Heerhaufen und strafte abgefallene Orte mit Strenge. Die Genuesen waren bald auf ihre festen Plätze am Meer beschränkt. In ihrer Verlegenheit hatten sie damals zu einem abscheulichen Mittel gegriffen, um sich zu verstärken. Sie hatten Banditen und Galerensclaven zu einer Bande vereinigt, deren Zahl auf 1500 Mann sich belief, und diesen Auswurf der Gesellschaft bewaffnet und gegen Corsica losgelassen. Diese Scharen verübten zahllose Gräuel. Man nannte sie Vittoli nach dem Meuchelmörder Sampiero's, oder Oriundi.

Indeß war König Theodor nicht müde geworden, für die Hebung des Landes Sorge zu tragen. Er hatte Waffenfabriken, Salinen, Zeugwirkereien angelegt, die Industrie zu beleben, durch Handelsvorteile Fremde herbeizulocken, durch Ausrüstung von Kaperschiffen den genuesischen Kreuzern die Wage zu halten gesucht. Das corsische Nationalbanner war grün und gelb und enthielt den Spruch: In te Domine speravi. Theodor hatte endlich auch Geld schlagen lassen, Gold-, Silber- und Kupfermünzen. Diese Münzen zeigten auf dem Avers ein lorbeerbekränztes Schild, darüber eine Krone mit den Chiffern T. R., auf dem Revers: pro bono et libertate. Man bezahlte sie auf dem Festland aus Neugierde um den dreißigfachen Wert. Aber alle diese Dinge halfen wenig, die Not stieg, die versprochene Hülfe kam nicht, das Volk murrte. Der König kündigte stets das Erscheinen einer befreundeten Flotte an, und sie blieb aus. Als nun die Stimmen des Landes bedenklicher wurden, versammelte Theodor am 2. September das Parlament in Casacconi; hier erklärte er, daß er die Krone niederlegen werde, wenn bis zum Ende des October die angekündigte Hülfe nicht erschienen sei, oder daß er dann selber auf das Festland gehen werde sie zu beschleunigen. Er war in derselben verzweifelten Lage, wie der Sage nach Columbus, als das angekündigte Land nicht erscheinen wollte.

Sobald das Parlament, welches auf des Königs Vorschlag eine Vermögenssteuer genehmigt hatte, auseinander gegangen war, stieg Theodor zu Pferde, sein Reich auch jenseits der Berge kennen zu lernen. Im dortigen Lande, dem Hauptsitz der alten Signoren Corsica's hatten sich die aristokratischen Gelüste noch erhalten. Luca Ornano empfing den Monarchen mit den angesehensten Herren jener Gegenden und führte ihn im festlichen Geleit nach Sartene. Hier kam Theodor auf den Gedanken einen neuen Ritterorden zu stiften; der Einfall war zugleich praktisch, wie wir überhaupt sehen, daß der deutsche Baron und Corsenkönig nicht minder klug sich zu benehmen wußte, als andere Emporkömmlinge von größeren Dimensionen ihrer Herrschaft vor und nach ihm. Der neue Orden hieß: von der Befreiung (della Liberazione). Der König war sein Großmeister und ernannte die Ritter. Man sagt, daß der Orden in weniger als zwei Monaten mehr denn vierhundert Mitglieder zählte, und daß mehr als ein Viertel davon Ausländer waren, welche um der Seltsamkeit oder um der tapfern Corsen willen die Ehre der Mitgliedschaft nachsuchten. Diese war teuer; denn im Statut war festgesetzt, daß jeder Ritter bei seinem Eintritt 1000 Scudi zahlen solle, von welchen er zeitlebens eine Leibrente von zehn Prozent zu beziehen hatte. Dies war der beste Zweck des Ordens, nämlich eine Anleihe Ehrenhalber möglich zu machen. In Sartene verlieh der König auf den Wunsch der Edeln des Landes jenseits der Berge mit verschwenderischer Hand Titel von Grafen, Baronen und Freiherren, mit welchen getröstet die Nachkommen der Ornani, der Istria, der Rocca und Leca nach Hause gingen.

Während er die Insel mit Cavalieren und Grafen erfüllte, als wäre das arme Corsica über Nacht ein reiches Kaisertum geworden, drückten ihn in der Stille die bittersten Regentensorgen. Denn sich die Wahrheit zu gestehn, so war sein Königreich doch nur ein gemaltes, und mit Lufterscheinungen hatte er sich umgeben. Jene angekündigte Flotte wollte sich nimmer zeigen, weil auch sie eine gemalte Flotte war. Diese aber versetzte den König in größere Besorgniß, als es eine wirkliche Flotte von hundert wol gerüsteten feindlichen Schiffen würde gethan haben. Er fing an sich mißbehaglich zu fühlen. Bereits gab es eine unzufriedene Partei im Lande, unter dem Namen der Indifferenten. Aitelli und Rafaelli hatten sie gebildet, Hyacint Paoli selbst war auf ihre Seite getreten. Schon hatten die königlichen Truppen mit den Indifferenten einen Zusammenstoß gehabt und waren geschlagen worden. Das Reich Theodors schien zerplatzen zu wollen wie eine Seifenblase; Giafferi allein beschwor den Sturm noch für eine Weile.

Unter solchen Umständen hielt der König es für wolgethan, dem Unwetter aus dem Wege zu gehn und die Insel zu verlassen; nicht heimlich sondern als Fürst, welcher auf das Festland eilt, in eigener Person die zögernde Hülfe herbeizuholen. Er berief einen Tag nach Sartene, erklärte daß und warum er abreisen wolle, ordnete die Reichsregentschaft, ernannte Giafferi, Hyacint und Luca Ornano zu seinen Verwesern, setzte 27 Freiherren und Grafen zu Statthaltern der Provinzen ein, erließ ein Manifest und begab sich von zahlloser Menge begleitet am 11. November 1736 nach Aleria, wo er sich unter französischer Flagge einschiffte, mit sich nehmend den Grafen Costa, seinen Großkanzler und einige Officiere seines Hauses. Ein genuesischer Kreuzer hätte den König noch im Angesicht seines Landes aufgehoben und nach Genua eingeliefert, wenn ihn nicht die Flagge Frankreichs schützte. In Livorno landete er in der Kleidung eines Abbé, um incognito zu bleiben, dann reiste er nach Florenz, nach Rom, nach Neapel, und indem er hier seinen Großkanzler und seine Officiere zurückließ, schiffte er sich nach Amsterdam ein, von wo, wie er sagte, seine Untertanen bald gute Nachrichten von ihm hören sollten.


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