Ferdinand Gregorovius
Corsica
Ferdinand Gregorovius

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Zehntes Kapitel.

Die Stelle Arrigo's begann jetzt ein Mann derselben Art einzunehmen. Bei sich gleich bleibenden Verhältnissen des Landes gleichen einander auch diese kühnen Menschen; sie bilden bis auf Paoli und Napoleon eine fortlaufende Reihe unermüdlicher, tragischer Helden, deren Geschichte mit Ausnahme des einen Mannes in Mitteln und Schicksalen so dieselbe ist, wie der Jahrhunderte lange Kampf der Insel gegen die Herrschaft der Genuesen ein und derselbe ist. Der Beginn der Laufbahn dieser Männer, welche alle aus der Verbannung hervorkommen, trägt jedesmal den Charakter des Abenteuerlichen.

Vincentello d'Istria war ein Neffe Arrigo's, Sohn einer seiner Schwestern und Ghilfuccio's, eines edlen Corsen. Auch er war in seiner Jugend an den Hof von Aragon gegangen, hatte dort Dienste genommen und durch glänzende Waffenthaten sich ausgezeichnet. Später hatte er mit aragonischen Schiffen einen glücklichen Corsarenkrieg gegen die Genuesen geführt und seinen Namen auf dem Mittelmeer schrecklich gemacht. Er beschloß eine Landung in seiner Heimat zu versuchen, wo der Graf Lomellino durch eine harte Regierung sich verhaßt gemacht hatte, und wo Francesco della Rocca, natürlicher Sohn Arrigo's, welcher im Namen Genua's die Terra del Commune als Vicegraf regierte, eine starke Gegenpartei fruchtlos bekämpfte.

Vincentello landete unvermutet in Sagona, zog schnell auf Cinarca, nahm Biguglia, versammelte das Volk und machte sich zum Grafen Corsica's. Francesco fiel durch Meuchelmord, aber seine Schwester Violanta, ein männliches Weib, griff zu den Waffen, bis sie von Vincentello überwunden ward. Auch Bastia ergab sich. Nun schickte Genua schleunig Truppen; nach zwei Jahren wurde Vincentello genötigt, Corsica zu verlassen, weil ein Teil der selbstsüchtigen Signoren mit Genua gemeine Sache machte.

Nach kurzer Zeit kehrte er mit aragonischen Völkern zurück, und wieder entriß er den Genuesen die ganze Insel bis auf Calvi und Bonifazio. Als ihm dies gelungen war, machte sich auch der junge König Alfonso von Aragon, unternehmungslustiger als seine Vorgänger, mit einer Flotte auf, die vermeintlichen aragonischen Rechte an die Insel mit Waffengewalt durchzusetzen. Er kam im Jahr 1420 von Sardinien her, legte sich vor Calvi und zwang diese genuesische Stadt sich ihm zu ergeben. Sodann segelte er vor Bonifazio. Während die Corsen seiner Partei diese unbezwingliche Festung von der Landseite bestürmten, griff sie die Flotte von der Seeseite an. Die Belagerung Bonifazio's ist durch den Heldenmut der Bürger berühmt geworden. Genua treu, meist selbst genuesischer Abkunft, blieben sie unerschütterlich wie ihre Felsen, und weder Hunger noch Pest, noch Feuer und Schwert beugten sie in langer Not. Alle Stürme wurden abgeschlagen. Lange Monate kämpften sie, auf Entsatz hoffend, und beugten den Stolz der Spanier, bis Alfonso endlich müde wurde und beschämt hinweg ging, indem er Vincentello die Fortführung der Belagerung überließ. Aber es kam der genuesische Entsatz und befreite die erschöpfte Stadt am Vorabend ihres Falles.

Vincentello ging zurück, und weil zu der Zeit auch Calvi wieder in genuesische Gewalt gefallen war, konnte sich die Republik noch auf beide Festungen stützen. Der König Alfonso machte seitdem keinen Versuch mehr, in den Besitz Corsica's zu gelangen. Vincentello auf seine eigne Mittel beschränkt, verlor nach und nach den Boden, weil die Ränke Genua's mehr ausrichteten als die Waffen, und der Hader der Signoren eine gemeinsame Erhebung verhinderte.

Die genuesische Partei war besonders auf dem Cap Corso stark, wo die Herrn da Mare viel Macht besaßen. Mit ihrer und der Caporali Hülfe, welche aus Volkstribunen allmälig zu Tyrannen ausgeartet waren und einen neuen Geschlechteradel gebildet hatten, warf Genua Vincentello zurück und beschränkte ihn auf sein Lehn Cinarca. Der tapfere Mann stürzte sich zum Teil durch eigne Schuld; wollüstig wie er war, entführte er ein junges Mädchen aus Biguglia, was zur Folge hatte, daß die Sippschaft derselben zu den Waffen griff und der Ort in die Hände des Simon da Mare fiel. Der unglückliche Vincentello beschloß nun, aufs neue die Hülfe Arragons anzugehen, aber Zacharias Spinola nahm die Galeere, welche ihn nach Sicilien bringen sollte, und brachte den schrecklichen Feind gefangen vor den Senat in Genua. Auf der großen Treppe des Gemeinde-Palasts schlug man Vincentello d'Istria das Haupt ab, im Jahr 1434. Er war ein ruhmreicher Mensch gewesen, wie der Chronist der Corsen sagt.


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