Ferdinand Gregorovius
Corsica
Ferdinand Gregorovius

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Sechstes Kapitel.

Es erging Sambucuccio wie vielen andern Gesetzgebern. Seine Einrichtungen erlitten durch seinen Tod einen plötzlichen Stoß. Die Signoren kamen aus ihren Burgen hervor und warfen Krieg und Hader in das Land. Da wandte sich das Volk an den toscanischen Markgrafen Malaspina und stellte sich unter dessen Schutz. Malaspina kam nach der Insel, überwand die Barone und stellte die Ruhe wieder her. Dies geschah etwa um das Jahr 1020, und bis 1070 scheinen die Malaspina die Rectoren der Terra del Commune geblieben zu sein, während im übrigen Lande die Signoren herrschten. Auch der Papst, welcher seine Rechte auf Corsica von den fränkischen Königen ableiten wollte, griff in dieser Zeit in die Angelegenheiten der Insel ein. Es scheint sogar, daß er sie als Lehn austeilte und daß Malaspina mit seiner Bewilligung Graf von Corsica war. Den nächsten Anlaß sich ihrer zu bemächtigen nahm er dann von den corsischen Bistümern, deren mit der Zeit sechs eingesetzt worden waren, Aleria, Ajaccio, Accia, Mariana, Nebbio und Sagona.

Gregor der Siebente sandte den Bischof von Pisa, Landulph, nach Corsica, das Volk zu dem Beschlusse zu vermögen, sich der Kirche zu unterwerfen. Als dies geschehn war stellte er und sodann Urban der Zweite im Jahr 1098 Corsica als ein Lehn für ewige Zeiten unter das Bistum von Pisa, welches zum Erzbistum erhoben worden war. So hatten sich die Pisaner zu Herren der Insel gemacht und behaupteten sie, wenn auch unter fortwährenden Kämpfen und als ein sehr ungewisses Besitztum beinahe hundert Jahre hindurch.

Ihre Herrschaft war weise und gerecht; sie wird von allen Geschichtschreibern der Corsen gerühmt. Sie pflegten den Anbau des Landes, richteten Städte wieder auf, bauten Brücken und Straßen und Türme an den Küsten, und verpflanzten nach der Insel selbst ihre Kunst, wenigstens in der Architectur der Kirchen. Die besten alten Kirchengebäude Corsica's sind pisanischen Ursprungs. Alle zwei Jahre schickte die Republik Pisa einen Beamten nach der Insel, welcher unter dem Titel eines Richters (Giudice) Recht und Gesetz handhabte. Die von Sambucuccio eingerichtete Gemeindeverfassung blieb bestehen.

Indeß hatte Genua die pisanische Herrschaft aus dem benachbarten Corsica mit Eifersucht verfolgt und konnte seiner Nebenbulerin einen so vorteilhaften Besitz im Mittelmeer nicht lassen wollen. Schon als Urban der Zweite die Bischöfe Corsica's unter die Metropole Pisa stellte, protestirten die Genuesen, und mehrmals nötigten sie die Päpste jene pisanische Investitur wieder zurückzunehmen. Endlich gab Innocenz der Zweite im Jahre 1133 den Forderungen Genua's nach; er teilte die Investitur, indem er dem ebenfalls zum Erzbistum erhobnen Genua die corsischen Bischöfe von Mariana, Accia und Nebbio unterordnete, die Bistümer Aleria, Ajaccio und Sagona aber den Pisanern ließ. Die Genuesen begnügten sich mit diesem Abkommen nicht, sie trachteten vielmehr nach der ganzen Herrschaft über die Insel. Immer im Krieg mit Pisa benutzten sie eine günstige Gelegenheit, Bonifazio zu überfallen, als die Einwohner dieser Stadt bei einer Hochzeit sich belustigten. Honorius der Dritte mußte ihnen den Besitz des wichtigen Orts im Jahre 1217 bestätigen. Sie befestigten den unbezwinglichen Felsen, machten ihn zum Stützpunkt ihrer Herrschaft, gaben der Stadt Handelsfreiheiten, und bewogen dadurch viele genuesische Familien dorthin überzusiedeln. Bonifazio wurde die erste genuesische Colonie in Corsica.


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