Ferdinand Gregorovius
Corsica
Ferdinand Gregorovius

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Viertes Kapitel.

Der Florentiner Francesco Marmocchi.

»Zwei, die Verbannung nur, und der Verbannte sind hier.«
Seneca auf Corsica.  

Προσκυνουντες την ειμαρμενην σοφοι.
Aeschylus im Prometheus.  

Man hatte mir in der Buchhandlung Fabiani, wohin ich gegangen war, eine Geographie der Insel zu suchen, gesagt, daß eine solche eben in der Presse und ihr Verfasser ein verbannter Florentiner, Francesco Marmocchi sei. Ich suchte diesen Herrn auf und machte in ihm eine meiner trefflichsten Bekanntschaften Italiens. Ich fand einen Mann von einnehmendem Aeußern, in den letzten dreißiger Jahren; er war unter Büchern vergraben. Es möchte wenig Emigrantenstübchen von diesem friedlichen Charakter geben. In den Bücherschränken die besten klassischen Werke, auch Humboldts Kosmos, auf welchen mein Blick mit nicht geringer Freude fiel, Kupferstiche an den Wänden, welche Ansichten von Florenz darstellten; – all dieses ließ mich hier nicht allein die Zurückgezogenheit eines Gelehrten, sondern die eines feingebildeten Florentiners erkennen. Es gibt vielleicht keinen größern Gegensatz als den zwischen Florenz und Corsica, und mir selbst war im Anfang wunderlich zu Sinn, da ich nach einem sechswöchentlichen Leben in Florenz von den Madonnen Raphaels unmittelbar unter die Banditen Corsica's mich verschlagen fand; indeß Corsica ist immer eine Insel von bezaubernder Schönheit, und bleibt gleich die Verbannung selbst im Paradiese ein Exil, so kann sich doch besonders ein Naturforscher hier in ungestörter Stille ebenso mit der großen Natur getrösten, wie Seneca es that. Alles was dieser alte Römer in seiner corsischen Verbannung an seine Mutter Helvia vom Trost der Naturbetrachtung und der Wissenschaft geschrieben hat, kann im vollen Maß Francesco Marmocchi auf sich selbst anwenden, und dieser ehemalige florentiner Professor erschien mir in der würdevollen Muße seiner Studien als der glücklichste aller Verbannten.

Marmocchi war in der Revolutionszeit neben Guerazzi Minister Toscana's, dann Ministersecretär gewesen; er war glücklicher als sein politischer Freund; er entwich von Florenz nach Rom, von Rom endlich nach Corsica, wo er bereits drei Jahre verlebt hatte. Seine rastlose Thätigkeit und die stoische Heiterkeit, mit welcher er sein Schicksal erträgt, geben Beweis von seiner männlichen Kraft. Er gehört zu den geistvollsten Geographen Italiens. Außer seinem großen Werk, einer allgemeinen Geographie in sechs Quartbänden, welche jetzt neu aufgelegt wird, hat er eine Geographie Italiens in zwei Bänden, eine historische Geographie des Altertums, des Mittelalters und der neueren Zeit, eine Naturgeschichte Italiens und andere Werke geschrieben. Ich fand ihn über der Durchsicht seiner Geographie Corsica's, eines trefflichen Handbuches, welches er hat französisch schreiben müssen. Dieses Buch ist bei Fabiani in Bastia erschienen; ich verdanke ihm gute Nachrichten über Corsica.

Eines Morgens gingen wir vor Sonnenaufgang in die Berge Cardo's, und hier unmittelbar in der blühenden Natur ist es gut den Geographen selbst als Naturausdeuter anzuhören und uns über die Insel belehren zu lassen; ich folge hier fast wörtlich seiner Geographie.

Corsica verdankt einer Zusammenballung der herausgehobenen Massen sein ganzes Dasein; in einem langen Zeitraum hat es drei große vulcanische Processe gehabt, woher sich die bizarren und abgerissenen Formen seines Landes erklären. Es lassen sich die dreierlei Erhebungen wol unterscheiden. Die erste fand in der Richtung von Nordwest nach Südwest statt; ihre Kennzeichen sind die großen Bergrippen. welche parallel in der Richtung von Nordost und Südwest nach dem Meer hinabsteigen und die ansehnlichsten Vorgebirge der Insel auf der Westküste bilden. Es war also damals die Axe Corsica's eine andere, und die Inseln im Canal von Bonifazio wie ein Teil vom Nordosten Sardiniens standen im Zusammenhang mit Corsica. Das Material dieser ersten Erhebung besteht größten Teils aus Urgranit; zur Zeit jener Urrevolution zeigte also die Insel keinen Lebensfunken.

Die zweite Erhebung fand von Südwest nach Nordost statt, und auch in ihr besteht ein gutes Teil in Granitoiden. Je mehr man nach Nordost vorschreitet, desto mehr geht das Urgranitgestein in ophiolitisches Erdreich über. Uebrigens ist die zweite Erhebung kaum kenntlich. Sie zerstörte offenbar großen Teils den nördlichen Kamm der ersten; aber die corsische Geologie hat davon kaum einige Spuren aufbewahrt.

Die beinahe gänzliche Zertrümmerung des südlichen Teils der ersten Erhebung war die Wirkung der dritten und letzten, wodurch die Insel ihre gegenwärtige Gestalt erhalten hat. Sie fand Statt in der Richtung von Norden nach Süden. So lange die Masse dieser letzten nicht mit den durch die vorausgegangenen Erhebungen gebildeten in Berührung kommt, hat sie eine regelmäßige Richtung behalten, wie das die Gebirgskette des Cap Corso zeigt. Mit einem fürchterlichen Stoß hatte sie die südlicher aufgetürmten Felsenkämme zu durchbrechen; sie warf über den Haufen, änderte ihre Richtung, zerbrach selber an vielen Stellen, wie es die Ausmündungen von Tälern beweisen, welche aus dem Innern nach der Ebne der Ostküste führen und das Bette der Ströme geworden sind, die auf dieser Seite ins Meer rollen: des Bevinco, des Golo, Tavignano, Fiumorbo und anderer.

Die Felsenlagen dieser dritten Erhebung sind ursprünglich ophiolitisch und calcär, an verschiedenen Stellen von secundärem Erdreich wieder bedeckt.

Die primitiven Landmassen, welche also den Süden und Westen der Insel einnehmen, bestehen beinahe ganz aus Granit. An ihren Gränzen schließen sie einige Lagen von Gneiß und von Schiefer ein. Beinahe überall ist der Granit bedeckt, und dies ist ein Beweis, daß die Periode seiner Entlassung derjenigen vorausging, wo sich die Massen im Schooß des Oceans bildeten und sich in horizontalen Lagen auf die cristallinischen Granitmassen legten. Porphyrische und euritische Lager durchstoßen die Granite; eine entschiedene Porphyrbildung krönt die Berge Cinto, Vagliorba und Perturato, die höchsten Berge des Niolo, und bedeckt die Granite. Diese Porphyre sind wiederum von zwei bis drei Fuß mächtigem Grünstein durchschnitten.

Die intermediären Massen nehmen das ganze Cap Corso und den Osten der Insel ein. Sie bestehen in blaugrauen Kalken, in massenhaftem Talk, in Tropfstein, Serpentin, Euphotiden, in Quarz, Feldspath und Porphyren.

Das tertiäre Gelände zeigt sich nur in einzelnen Streifen, wie bei S. Fiorenzo, Volpajola, Aleria und Bonifazio. Sie enthalten viele Fossile von Seethieren untergeordneter Gattung, von Meerigeln, Meerkämmen, Polypen, und anderen Versteinerungen in den Kalklagen.

Was die Ebnen der Ostküste wie diejenige von Biguglia, Mariana und Aleria betrifft, so sind sie Anschwemmungen jener Zeit, als die Fluten eine große Menge von Thiergeschlechtern vertilgten. In der Nähe Bastia's hat man unter den Fossilen den Kopf eines Lagomys gefunden, eines kleinen Hasen ohne Schwanz, welcher heute in Sibirien lebt.

Corsica besitzt keinen Vulcan, doch Spuren alter Vulcane bei Porto Vecchio, Aleria, Balistro, Santa Manza und andern Stellen.

Es scheint fast unglaublich, daß eine Insel, nahe bei Sardinien gelegen, nahe bei Toscana und vor allem bei der Eiseninsel Elba, so arm an Metallen sein könne, als sie es wirklich ist. Es finden sich freilich zahlreiche Anzeichen metallischer Minen überall, hier von Eisen oder Kupfer, dort von Blei, von Antimonium, Magnesia, Reißblei, Spuren von Quecksilber, Cobalt, Gold und Silber. Aber sie sind nur scheinbar wie Gueymard in seinem Werk über die Geologie und Mineralogie Corsica's gezeigt hat.

Die einzigen von Belang, welche ausgebeutet werben können, sind gegenwärtig die Eisenminen von Olmeta und Farinole auf dem Cap Corso, und die bei Venzolasca, die Kupfermine von Linguizzetta; die Antimoniummine von Ersa auf dem Cap Corso, die Magnesiagruben bei Alesani.

Dagegen ist Corsica eine unerschöpfliche Schatzkammer der seltensten Steine, ein Elysium der Geologie. Doch sie liegen unbenutzt, den Schatz hebt Niemand. Es verlohnt sich hier der Mühe, diese prachtvollen Steine zu ordnen, wie sie die Geologie bisher geordnet hat.

1) Granite. Roter Granit, ähnlich dem orientalischen, zwischen Orto und dem See von Creno.

Corallenroter bei Olmiccia.

Rosenroter bei Cargese.

Roter mit leichtem Violet bei Aitone.

Rosiger von Carbuccia.

Rosiger von Porto.

Rosenroter bei Algajola.

Granit mit Granaten (in der Größe einer Nuß) bei Vizzavona.

2) Porphyre. Variirter Porphyr in Niolo.

Schwarzer, rosig gefleckt bei Porto Vecchio.

Blaßgelber mit rosigem Feldspath bei Porto Vecchio.

Graugrüner mit Amethist an der Restonica.

3) Serpentine.

Grüne, sehr harte, wieder transparente Serpentine bei Corte, bei Matra, bei Bastia.

4) Euriten, Amphiboliten und Euphotiden.

Globuleuser Eurit bei Curso und Girolata, im Niolo &c.

Globuleuser Amphibolit, gemeinhin orbiculärer Granit (die Kügelchen bestehn aus Feldspath und Amphibolen in concentrischen Lagen), in isolirten Blöcken bei Sollucaro, am Taravo, im Tale Campolaggio &c.

Amphibolit mit Cristallen von schwarzer Hornblende in einem weißen Feldspath, bei Olmeto, bei Levie und Mela.

Euphotiden, auch Verde von Corsica und Verde d'Orezza genannt, im Bette des Fiumalto, im Tale von Bevinco.

5) Jaspis und Achate.

Jaspis (in Graniten und Porphyren) im Niolo und im Tale von Stagno.

Achate (ebenfalls in den Graniten und Porphyren) ebendaselbst.

6) Marmor und Alabaster.

Weißer statuarischer Marmor von blendender Schöne, bei Ortiporio, bei Casacconi, bei Borgo de Cavignano &c.

Blaugrauer Marmor bei Corte.

Gelber Alabaster im Tale von S. Lucia bei Bastia.

Weißer Alabaster, halb durchsichtig, geblättert und gefasert, in einer Grotte hinter Tuara, im Golf von Girolata.


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