Ferdinand Gregorovius
Corsica
Ferdinand Gregorovius

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Achtzehntes Kapitel.

Noch einmal gingen Gesandte nach Frankreich ab. Es waren ihrer fünf; die Genuesen fingen sie an der Küste auf. Der Krieg nahm den Charakter schonungsloser Vendetta von beiden Seiten an. Doria richtete nichts aus. Zu wiederholten Malen hatte ihn Sampiero aufs Haupt geschlagen, endlich in den Pässen von Luminanda beinahe vernichtet, und nur einem so kühnen Heerführer als Jener war, glückte es zu entrinnen. Erschöpft und verzweifelnd kam er in San Fiorenzo an, und bald darauf verließ er die Insel. Die Republik ersetzte ihn durch Vivaldi, dann durch den ränkevollen Fornari. Aber sie machte sich keine Hoffnung mehr, Sampiero mit offener Gewalt zu vernichten. Gegen diesen Mann, welcher als Geächteter mit ein Paar Geächteten auf die Insel gekommen war, hatte sie nach und nach ihre ganze Macht ins Feld geschickt, ihre und eine spanische Flotte, ihre Söldner, Deutsche, 15000 Mann Spanier, ihre größten Generale Doria, Centurione und Spinola; und sie, welche die Pisaner und Venedig überwunden hatte, vermochte nicht ein armes und von aller Welt verlassenes Volk zu bändigen, das in den Krieg zog, hungernd, zerlumpt, unbeschuht, schlecht bewaffnet, und welches, wenn es nach Hause kam, nichts fand, als die Asche seiner Dörfer.

Deshalb war man zu dem Entschlusse gekommen, Sampiero zu ermorden.

Zwistigkeiten zwischen ihm und den Nachkommen der alten Signoren hatte man schon lange gesät. Einige wie Hercules von Istria waren von ihm abgefallen, weil der genuesische Lohn ihre Habsucht reizte, oder ihr Stolz sich gegen den Gedanken empörte, den Befehlen eines Mannes zu gehorchen, welcher aus dem Staube emporgekommen war. Andere hatten eine Blutschuld zu rächen. Dies waren die Ornani, drei Brüder Antonio, Francesco und Michel Angelo, Vettern der Vannina. Genua hatte sie durch Gold und die Aussicht auf das Lehen Ornano gewonnen, welches den Kindern der Vannina gebührte. Die Ornani gewannen ihrerseits einen Mönch Ambrosius von Bastelica und Sampiero's eigenen Waffenmeister Vittolo, und so schmiedeten sie einen Anschlag den Helden in einem Hinterhalt umzubringen. Fornari übertrug die Ausführung dem Rafael Giustiniani.

Sampiero war in Vico, als der Mönch ihm falsche Briefe brachte, welche ihn dringend aufforderten, nach Rocca zu kommen, wo ein Aufstand gegen die Volkssache ausgebrochen sei. Augenblicks schickte er Vittolo mit zwanzig Pferden nach Cavro voraus und selber kam er nach. Mit ihm waren sein Sohn Alfonso, Andrea de' Gentili, Anton Pietro von Corte, Battista da Pietra. Vittolo benachrichtigte unterdeß die Ornani und Giustiniani, daß Sampiero durch das Bergtal von Cavro ziehen werde, worauf diese mit vielem Volk zu Fuß und zu Pferde aufbrachen und sich in den Hinterhalt legten. Als Sampiero mit seiner kleinen Schar ahnungslos durch den Paß zog, sah er sich plötzlich von allen Seiten angegriffen und die Berge dunkel von Bewaffneten. Da erkannte er, daß seine Stunde gekommen sei. Er befahl seinem Sohne, ihn den Vater zu verlassen, zu fliehen und sich dem Vaterlande zu erhalten. Der Sohn gehorchte und entfloh. Während nun die Seinen tapfer kämpfend erlagen – es war Morgengrauen – stürzte sich Sampiero in das Gewühl sich durchzuhauen, wenn es möglich war. Die Ornani drangen auf ihn ein, gefolgt von genuesischen Soldaten. Er kämpfte verzweifelt; Antonio Ornano verwundete er mit einem Pistolenschuß am Halse; sein Gewehr versagte, denn Vittolo hatte, als er es lud, zuerst die Kugel und dann das Pulver hineingethan. Sampiero's Gesicht war von Blut überströmt; mit der Linken sich die Augen von ihm befreiend, wehrte sich die Rechte mit dem Schwert. Da schoß ihn Vittolo von hinten her durch den Rücken; er fiel; die Ornani stürzten sich wütend auf den Sterbenden. Sein Haupt brachten sie dem genuesischen Statthalter. Es war am 17. Januar des Jahres 1567.

Neun und sechzig Jahre hatte Sampiero erreicht, ungeschwächt durch Alter und Mühsal, durch Charaktergröße und Vaterlandsliebe der Unsterblichkeit wert. Er erlag wie Viriathus nur dem Meuchelmorde. Durch sein erhebendes Beispiel hat er gezeigt, was der edle Mann vermag, wenn er einer großen Leidenschaft unerschütterlich treu bleibt.

Sampiero war von hoher Gestalt, von finsterm und kriegerischem Ansehn, von stolzem Wesen, dunkelbärtig, von schwarzen und krausen Haaren. Sein Blick durchdringend, seine Rede kurz, fest und gewaltig. Obwol ein Sohn der Natur und ohne Erziehung besaß er doch einen feinen Verstand und ein vortreffliches Urteil. Seine Feinde warfen ihm vor, daß er nach der Königskrone seiner Insel strebte, doch er strebte nur nach ihrer Freiheit. Er lebte schlicht wie ein Hirte, trug den wollenen Kittel seines Landes und schlief auf nackter Erde. Er hatte mit den am meisten schwelgerischen Höfen der Welt verkehrt, mit Florenz und Versailles, doch nichts von der Falschheit ihrer Grundsätze und der Verderbniß ihrer Sitten gelernt. Der rauhe Mann konnte sein Weib ermorden, weil sie sich und ihr Kind dem Landesfeind verraten hatte, aber er wußte nichts von jenen Verbrechen, welche die Natur verkehren und ihre Schändung zu einer verfeinerten Lebensphilosophie stempeln. Er war ein Mensch vom Gepräge ursprünglichster Natur.


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