Ferdinand Gregorovius
Corsica
Ferdinand Gregorovius

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Drittes Kapitel.

Daß der Zustand der Insel unter der langen Herrschaft der Römer keineswegs so blühend war, als man annehmen will, lehrt die Beschaffenheit ihres Innern, welches die Römer wahrscheinlich nie unterworfen hatten. Sie begnügten sich mit jenen beiden Colonieen und einigen Häfen. Sie legten nur eine einzige Straße in Corsica an. Nach dem Itinerarium des Antonin führte sie von Mariana längst der Küste südwärts nach Aleria, nach Präsidium, nach Portus Favoni, nach Palä, neben dem heutigen Bonifazio an der Meerenge. Von hier war der Ueberfahrtsort nach Sardinien, wo sich die Straße von Portus Tibulä (castrum Aragonese) einem ansehnlichen Ort nach Caralis dem heutigen Cagliari fortsetzte.

Plinius zählt 33 Städte in Corsica, nennt aber nur die beiden Colonien namentlich. Strabo, welcher nicht lange vor ihm schrieb, sagt: »Es gibt dort einige kleine Städte, wie Blesino, Charax, Eniconiä und Vapanes.« Diese Namen finden sich sonst nirgend. Plinius hat wahrscheinlich unter jedem Castell eine Stadt verstanden. Ausführlich aber nennt Ptolemäus die Ortschaften und auch die Völker Corsica's; viele von seinen Benennungen sind noch heute wol erhalten oder leicht erkenntlich.

Auch haben die alten Schriftsteller über Charakter und Art des corsischen Landes wie Volks aus jener Periode einige Notizen. Ich stelle sie einfach hier zusammen, weil es merkwürdig sein muß, was sie sagen mit dem zu vergleichen, was im Mittelalter und heute von den Corsen berichtet wird.

Strabo sagt von Corsica: »Es wird schlecht bewohnt. Weil es rauh und meist unwegsam ist. Daher kommt es, daß diejenigen, welche die Berge bewohnen, vom Raube leben und unzähmbarer sind, als die wilden Thiere. Wenn die römischen Feldherren eine Unternehmung gegen die Insel machen und ihre festen Orte angegriffen haben, führen sie eine große Zahl von Sclaven mit sich hinweg; dann kann man in Rom mit Staunen sehn, welche Wildheit und Thierheit ihnen eigen ist. Denn sie nehmen sich entweder das Leben oder ermüden ihre Herren durch Trotz und Stumpfheit; so daß das Kaufgeld reut, auch wenn man sie um einen Spottpreis erstanden hat.«

Diodorus: »Als die Tyrrhener die corsischen Städte eine Zeit lang im Besitz hatten, forderten sie von den Eingebornen Tribut, Harz, Wachs, Honig, welche hier in Menge erzeugt werden. Die corsischen Sclaven von ausgezeichneter Natur, scheinen andern zum Lebensgebrauch vorzuziehn. Die ganze Insel ist großen Teils bergig, reich an schattigen Wäldern, von kleinen Flüssen bewässert. Die Einwohner leben von Milch, Honig und Fleisch. Das Leben bietet das Alles in Fülle. Die Corsen sind gerecht unter sich und menschlicher als alle anderen Barbaren anderswo. Denn findet man in den Bäumen der Berge Honigwaben, so gehören sie ohne Widerstreit dem ersten Finder. Die Schafe durch gewisse Merkmale gezeichnet, bleiben ihrem Herrn auch ohne daß er sie hütet. Auch in der übrigen Lebensordnung bewahrt ein jeder an seinem Platz die Regel des Rechtthuns auf bewundernswürdige Weise. Ungewöhnlich und neu ist bei ihnen die Sitte bei Kindergeburten. Denn um ein gebärendes Weib trägt man keinerlei Sorge. Sondern ihr Mann legt sich wie krank und leibesangestrengt an Stelle der Gebärenden für einige Tage ins Bett. Es wächst dort auch viel Buchsbaum und zwar nicht gemeiner. Davon schreibt sich die große Bitterkeit des Honigs her. Die Insel wird von Barbaren bewohnt, deren Sprache fremdartig und schwer verständlich ist. Die Zahl der Einwohner beläuft sich auf mehr als dreißig Tausend.«

Seneca: – »Denn von solchen absehend, deren anmutige Gegend und vorteilhafte Lage gar Viele anlockt, gehe an abgelegene Orte, auf rauhe Inseln, gehe nach Sciathus und Seriphus und Gyarus und Corsica: du wirst keinen Verbannungsort finden, wo nicht Einer oder der Andere aus Liebhaberei weilte. Wo kann man etwas so Nacktes, so auf allen Seiten Abgerissenes finden, als dieses Felseneiland? wo ist eines, das wenn man an Produkte denkt, nüchterner; wenn man auf die Menschen sieht, unwirtlicher; wenn man die Lage berücksichtigt, schauerlicher, oder wenn man auf das Clima sieht, unfreundlicher wäre? Und doch halten sich hier mehr Fremde als Einheimische auf.«

Nach allen Nachrichten der ältesten Schriftsteller muß man annehmen, daß Corsica damals ziemlich unbebaut, und an Naturprodukten außer seinen Urwäldern arm war. Daß Seneca übertreibt, ist offenbar und geht aus seiner Lage hervor. Strabo und Diodor sind entgegengesetzter Ansicht über das Naturell der corsischen Sclaven. Jener hat für sich die Geschichte und den bewährten Charakter der Corsen, welche sich immer als im höchsten Grade unfähig zur Sclaverei gezeigt haben, und kein schöneres Lob konnte ihnen Strabo nachrühmen. Was Diodor, welcher kenntnißreicher redet, von dem Rechtssinn der Corsen erzählt, ist so wahr, daß es durch alle Zeiten bestätigt wird.

Unter den Epigrammen aus Corsica, die Seneca zugeschrieben werden, befindet sich auch eins, welches von den Corsen sagt: »Ihr erstes Gesetz ist sich zu rächen, das zweite vom Raube zu leben, lügen das dritte, die Götter leugnen das vierte.«

Dies sind die wichtigsten Nachrichten der Griechen und Römer über Corsica.


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