Ferdinand Gregorovius
Corsica
Ferdinand Gregorovius

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Neunzehntes Kapitel.

Als Sampiero gefallen war, frohlockte Genua mit Glockengeläute und Freudenlichtern. Aber auf das corsische Land fiel ein schrecklicher Schmerz. Sie kamen zusammen in Orezza; 3000 Männer in Waffen, viele weinend, alle traurig standen sie auf dem Kirchenplatz. Das Schweigen unterbrach Lionardo von Casanova, der Waffenbruder Sampiero's, dem Gefallenen die Leichenrede zu halten.

Diesen Mann hatte eben ein beispielloses Schicksal betroffen. Er war in die Gefangenschaft der Genuesen gefallen, welche ihn in den Turm zu Bastia geworfen hatten. Sein Sohn Antonio hatte Tag und Nacht darauf gesonnen, wie er seinen Vater erretten könne. In die Kleider eines Weibes gehüllt, welches dem Gefangenen die Speise zu bringen pflegte, war er zu ihm in den Kerker gedrungen. Er hatte ihn beschworen, zu entweichen und ihn zurückzulassen; denn sollte auch er, der Jüngling, sterben, so werde doch sein Tod ihn ehren, der Freiheit aber den Arm und die Einsicht seines Vaters erhalten. Dies gebiete die Liebe zum Vaterlande. Lange schwankte dieser in dem fürchterlichen Kampf, dann erkannte er, daß er so handeln müsse, wie sein Sohn gesagt hatte, er riß sich von ihm los, und entkam. Die Kerkermeister fanden den Jüngling. Er gab sich ihnen stolz und glücklich. Sie führten ihn vor den Gouverneur, und auf dessen Befehl wurde er am Fenster von seines Vaters Burg Fiziani gehenkt.

Lionardo erhob sich vor dem versammelten Volk und hielt Sampiero die Leichenrede.

»Die Sclaven weinen, die freien Männer rächen sich. Keine kleinmütigen Klagen! Unsere Berge sollen nur von Kriegsgeschrei widerhallen. Zeigen wir durch die Kraft unseres Handelns, daß er nicht ganz gestorben ist. Hat er uns nicht das Beispiel seines Lebens hinterlassen? Seht, das haben uns die Fornari und die Vittoli nicht rauben können. Das ist ihren Anschlägen und den meuchelmörderischen Kugeln entgangen. Warum schrie er seinem Sohne zu: rette dich! Ohne Zweifel, damit dem Vaterland ein Held, den Kriegern ein Haupt, den Genuesen ein furchtbarer Feind zurückbleibe. Ja, Sampiero hat an seine Mörder den Schimpf seines Todes und an den Jungen Alfonso die Pflicht der Rache geheftet. Laßt uns dieses edle Werk vollenden helfen. Schließen wir unsre Reihen! Der Geist des Vaters lebt in dem Sohne fort. Ich kenne den Jüngling. Er ist des Namens den er trägt und des Vertrauens des Landes würdig. Er hat von seiner Jugend nichts als die Glut. Die Reife des Urteils eilt bisweilen der Zahl der Jahre voraus. Dieses Geschenk hat ihm der Himmel nicht versagt. Seit langer Zeit teilte er die Gefahren und die Mühen seines Vaters. Alle Welt weiß, daß er des rauhen Waffenhandwerks Meister ist. Die Krieger begehren unter seinen Befehlen zu marschiren. Ihr könnt euch der Sicherheit ihres Tactes vertrauen, er täuscht nie. Die Massen ahnen die Menschen. Sie vergreifen sich selten in der Wahl derjenigen, welche sie für fähig halten sie zu führen. Und ferner, welche glänzendere Huldigung gibt es für das Andenken Sampiero's als die Wahl seines Sohnes? Diejenigen, welche mich hören, haben ihr Herz zu hoch gestellt, um nicht für die Furcht unzugänglich zu sein.

»Gibt es aber unter uns Menschen, welche niedrig genug sind die schimpfliche Sicherheit der Sclaverei den Stürmen und Gefahren der Freiheit vorzuziehen, so mögen sie gehen und sich von dem Rest des Volkes scheiden. Sie mögen uns sagen, wie sie heißen. Nachdem wir ihre Namen auf eine Schandsäule gegraben, welche wir an dem Ort, wo Sampiero gemeuchelmordet ward, errichten werden, wollen wir sie mit Schmach bedeckt hinwegschicken, den Hof Fornari's neben Vittolo und Michel Angelo zu vermehren. Sonst mögen sie wissen, daß die Kämpfe und die Waffen, welche der rühmlichste Teil für freie und tapfere Männer sind, auch das Sicherste sind für die Schwachen. Wenn sie noch schwanken, möchte ich ihnen sagen: auf der einen Seite stehn der Ruhm für unsere Fahne, die Freiheit für uns, die Unabhängigkeit für das Land; auf der anderen die Galere, die Schande, die Verachtung und alle anderen Uebel der Sclaverei. Wählet!«

Das Volk ernannte durch Zuruf Alfonso d'Ornano zum Haupt und General der Corsen. Siebzehn Jahre war Alfonso alt, aber er war Sampiero's Sohn. Noch zwei Jahre hielt der Jüngling, in mancher Schlacht siegreich, den Genuesen Stand.

Indeß hatte der lange Krieg beide Teile erschöpft. Genua wollte den Frieden; die Insel, damals in die Parteien der Rossi und der Negri gespalten, befand sich in einer verzweifelten Lage und dem Frieden geneigt. Die Republik, welche schon im Jahre 1561 Corsica der Bank des heiligen Georg wieder abgenommen hatte, rief nun den verhaßten Fornari ab und schickte Georg Doria auf die Insel, den einzigen dieses Namens, welchem die Corsen ein freundliches Andenken bewahrt haben. Die erste Handlung dieses weisen Mannes war die Verkündigung einer allgemeinen Amnestie. Viele Landschaften unterwarfen sich, viele Capitäne legten die Waffen ab. Dem Bischof von Sagona gelang es, auch den jungen Alfonso zum Vertrag zu stimmen, welcher zwischen ihm und Genua auf folgende Bedingungen geschlossen wurde: vollständige Amnestie für Alfonso und seine Anhänger; Freiheit sich nach dem Festlande einzuschiffen für Männer und Weiber; Freiheit über ihre Güter zu verfügen durch Verkauf oder Administration; Rückgabe des Lehns Ornano an Alfonso; Ueberweisung der Pieve Vico an die Partisanen Alfonso's bis zu ihrer Einschiffung; eine Frist von 40 Tagen zur Ordnung ihrer Angelegenheiten; Freiheit für jeden Mann ein Pferd und einige Hunde mitzunehmen; Erlaß der Schulden für die, welche Schuldner des Fiscus sind; für alle übrigen eine Frist von fünf Jahren in Betracht der großen Landesnot; Freilassung einiger Eingekerkerter.

Alfonso verließ sein Vaterland mit 300 Begleitern, im Jahre 1569; er wanderte nach Frankreich aus, wo der König Carl der Neunte ihn mit Ehren aufnahm und zum Obersten des Corsenregiments machte, welches er bildete. Viele Corsen gingen nach Venedig, viele nahm der Papst in seinen Dienst, und gründete aus ihnen seine berühmte Corsengarde.


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