Ferdinand Gregorovius
Corsica
Ferdinand Gregorovius

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Fünfzehntes Kapitel.

Unterdeß stürmte der Türke Bonifazio, rings umher alles Land verwüstend, und erbittert über den Heldenmut der Bonifaziner, welche sich ihrer Vorfahren zur Zeit Alfonso's von Aragon würdig zeigten. Tag und Nacht, trotz Hunger und Ermüdung, standen sie auf den Mauern, jeden Sturm zurückwerfend, Männer und Weiber gleich heldenmütig. Auch Sampiero erschien vor Bonifazio. Die unablässig bestürmte Stadt wankte nicht, im mannhaften Kampf auf Entsatz hoffend. Denn ein Bote, Cattacciolo, Bürger Bonifazio's, wurde von Genua her erwartet. Er kam den nahen Entsatz anzukündigen, und er fiel in die Hände der Franzosen. Sie machten ihn zum Verräter, so daß er gefälschte Briefe in die Stadt trug, welche dem Befehlshaber die Hoffnung auf Entsatz benahmen. Deshalb übergab dieser die unbezwungene Stadt unter der Bedingung, daß sie nicht geplündert werde, und die Besatzung in allen Ehren sich nach Genua einschiffen dürfe. Die tapferen Verteidiger waren kaum aus den Mauern gerückt, als der barbarische Türke dem Eide Hohn sprechend, über sie herfiel und sie zusammenzuhauen begann. Sampiero rettete mit Mühe, was von den Bonifazinern noch zu retten war. Mit dieser Rache nicht zufrieden, forderte Dragut die Plünderung der Stadt. und da man ihm diese nicht zugestand. ein hohes Abstandsgeld, welches Thermes nicht zahlen konnte, aber zu zahlen versprach. Erbittert setzte sich Dragut zu Schiff und ging nach Asien unter Segel. Genuesisches Gold hatte ihn gewonnen.

Nach dem Falle Bonifazio's war den Genuesen kein Fleck Landes mehr in Corsica geblieben, als das »immergetreue« Calvi. Es war daher keine Zeit zu verlieren, wenn man die Insel wiedergewinnen wollte. Der Kaiser hatte Hülfe zugesagt, er stellte Genua einige tausend Deutsche und Spanier zur Verfügung, auch Cosmus von Medici gab Truppen her. Um den Erfolg außer Frage zu stellen übertrug man den Oberbefehl dem berühmtesten Feldherrn, Andrea Doria.

Doria war damals 86 Jahre alt. So dringend erschien die Lage der Dinge, daß der Greis die Aufforderung nicht ausschlug. In der Kathedrale Genua's empfing er das Banner der Unternehmung von Senatoren, Protectoren der Bank, Clerus und Volk.

Am 20. November 1553 landete er im Golf S. Fiorenzo, und in kurzer Zeit wandte sich das Glück zu Gunsten Genua's. S. Fiorenzo, welches der Marschall Thermes stark befestigt hatte, fiel. Bastia ergab sich, die Franzosen wichen überall. Damals hatte sich Sampiero mit Thermes überworfen und war für eine kurze Zeit an den Hof Frankreich's entfernt worden; aber nachdem er seine Verleumder besiegt hatte, stand er glänzender und als die Seele des Krieges da, welchem der untüchtige Thermes nicht gewachsen war. Er war unerschöpflich im Widerstand, im Angriff, im kleinen Kriege. Er schlug Spinola empfindlich auf dem Golofelde, aber eine Wunde die er in der Schlacht empfing, machte ihn für eine Weile unthätig, in welcher sein Gegner die Corsen bei Morosaglia schlug. Jetzt ließ Sampiero seiner Wunde nicht Zeit zum Heilen, er erschien wieder im Feld und überwand Spanier und Deutsche am Col di Tenda, im Jahr 1554.

Der Krieg wurde mit gleich großer Wut noch fünf Jahre lang fortgeführt. Corsica schien des französischen Schutzes für immer sicher und sich überhaupt als einen Teil Frankreichs zu betrachten. Franz der Zweite hatte Jordan Orsini bereits zu seinem Vicekönig ernannt, und dieser in der Vollsversammlung im Namen seines Königs die Einverleibung der Insel in Frankreich feierlich erklärt. So schien ihr Schicksal schon damals an die französische Monarchie gebunden und sie selbst aus dem Bereich der italienischen Staaten, in welche sie durch Natur gehört, ausgeschieden zu sein. Aber kaum hatte der König jene feierliche Zusage gegeben, als der Friedensschluß zu Chateau Cambresis, im Jahre 1559, alle Hoffnungen der Corsen zertrümmerte.

Frankreich schloß mit Philipp von Spanien und mit dessen Verbündeten Frieden und verpflichtete sich Corsica den Genuesen herauszugeben. So lieferten die Franzosen alle noch von ihnen besetzten Plätze in die Hände Genua's und schifften ihre Truppen ein. Ein verzweifelter Krieg von sechs Jahren war nutzlos geführt, so viel Ströme Bluts waren der Politik zum Spiele vergossen worden; die Corsen sahen sich durch ein Blatt Papier, ein Friedensdocument, in ihr altes Elend zurückgeschleudert, und der Rache Genua's wehrlos Preis gegeben. Dieser Treubruch und dieser Schlag preßte dem Lande einen Schrei der Verzweiflung aus, aber er ward nicht beachtet.


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